... und warum SPÖ-nahe Lückenpresse-Medien wie "Österreich" daran beteiligt sein könnten ....

Die Tageszeitung "Österreich", die gute Chancen hat, durch die Presseförderung-Neu massiv zu profitieren, brachte einen Artikel über ein "angebliches SPÖ-Geheimpapier", das angeblich ein Ex-Gusenbauer-Mitarbeiter angeblich im Auftrag des umstrittenen Tal Silberstein geschrieben haben soll.

Und das darauf hinauslaufe, die SPÖ sei kampagnenunfähig und Kern das Hauptproblem, weil er nervös und eine Prinzessin auf der Erbse oder so sei, woraufhin Kern versucht habe, die Veröffentlichung dieses angeblichen Geheimpapiers zu verhindern und Interviewanfragen von "Österreich" abzulehnen.

Der Anfangsthese, die SPÖ sei kampagnenunfähig, kann man ja durchaus zustimmen, aber die Kritik an Kern muss man nicht teilen.

Ich kann bei Kern keine Anzeichen von Nervosität erkennen, und es ist auch unlogisch, woher die Voraussetzungen für das, was man in der Psychologie "nervösen Charakter" nennt, kommen sollten: Kern wurde weder Kriminalitätsopfer noch Opfer einer drakonischen Erziehung. Auch das Dschungelkrieger-Syndrom trifft bei Kern nicht zu.

Ganz abgesehen davon: viele Theorien im Zusammenhang mit dem "nervösen Charakter" und dem "Dschungelkrieger-Syndrom" gehen davon aus, dass die betreffenden Personen auch positive Eigenschaften haben, z.B. höhere Fähigkeit, kleine Details wahrzunehmen, größere Fähigkeit zu multi-perspektivischem Denken, sodass selbst, falls "nervöse Charakter"-Züge auf ihn zutreffen würden, sie nicht automatisch gegen ihm sprächen, falls er sie einigermassen unter Kontrolle hätte.

Das Gegenbild zum nervösen Politiker wäre der beratungsresistente Politiker mit Elefantenhaut, der nichts an sich heranlässt und seine Politiklinie diktatorisch durchzieht, und es ist fraglich, ob genau das das angestrebte Ideal ist.

Viele Journalismustheorien gehen davon aus, dass Journalisten und -innen eine Gatekeeper-Funktion (Türwächter-Funktion) hätten, die darauf hinausliefe, das richtige vom falschen und das wichtige vom unwichtigen zu trennen.

Aufgrund der scheinbaren inhaltlichen Mängel dieses angeblichen SPÖ-Geheimpapiers erscheint es tatsächlich vertretbar, es nicht zu publizieren, bzw. seine Publikation zu verhindern zu versuchen.

Auf der anderen Seite ist gerade dieses inhaltlich wahrscheinlich mangelhafte SPÖ-Geheimpapier eine große Chance für Kern, auch eine schwere SPÖ-Niederlage politisch zu überleben, weil dadurch Fellner und "Österreich", die traditionell SPÖ-freundlich schreiben, als die Hauptursache einer etwaigen kommenden SPÖ-Niederlage gesehen werden können.

Genauso wie Michael Häupl nicht vor der Wahl zurücktrat, sondern seinen Rückzug für nach der Nationalratswahl ankündigte.

Traditionell ist die SPÖ dafür bekannt, Weichenstellungen in Honblick auf Wahlen rechtzeitig und konsequent durchzuziehen, wie z.B. den Wechsel von Sinowatz zu Vranitzky oder den von Gusenbauer zu Faymann kurz vor Nationalratswahlen.

Umso erstaunlicher ist, dass der Rückzug von Häupl nicht dem üblichen Muster folgend vor der Wahl erfolgt, sondern erst danach, so als sollte Häupl neben Fellner als einer der Hauptschuldigen der SPÖ-Niederlage erscheinen.

Die Art und Weise des Agierens der SPÖ und ihr nahestehender Medien ist derart seltsam, dass sich die Frage stellt, ob hier nicht absichtliches Wahlverlieren vorliegt.

Genauso wie jeder Unternehmens-Sanierer ein schwer-krankes und konkursgefährdetes Unternehmen braucht, um es sanieren zu können, genauso braucht jeder Parteireformer eine schwer angeschlagene, gedemütigte und durch eine oder mehrere schlimme Wahlniederlagen stark verunsicherte Partei, um sie reformieren zu können.

Zahlreiche der SPÖ-Probleme bzw. SPÖ-Kampagnenunfähigkeiten stammen aus der Vor-Kern-Zeit: die Widersprüche zwischen Parteitagsbeschlüssen "Koalition mit der FPÖ auf gar keiner Ebene" bei gleichzeitiger Praxis der rot-blauen Koalition im Bundesland Burgenland.

Für zahlreiche der Unausgegorenheiten ist er zumindest nicht alleine verantwortlich: während er eine schüsselistische "Opposition bei Platz 2"-Position bezog, bezog der mit ihm auf Wahlplakaten erscheinende Doskozil die genau gegenteilige "Auf jeden Fall regieren"-Position.

Und das dürfte viel eher für eine etwaige künftige SPÖ-Wahlniederlage ausschlaggebend sein als angebliche Nervositäten von Kern, für die es ohnehin weder Indizien noch Grundlagen in Kerns Biographie gibt. Im Gegenteil hat Kern alle Gründe, cool zu sein, wenn schon vor der Wahl feststeht, dass er hervorragende Chancen hat, auch eine schwere Niederlage zu überleben.

Trotzdem scheint dieser offensichtliche "Österreich"-Fakenews-Artikel einen mehr oder weniger faktenfreien Riesenshitstorm an Kommentaren, Postings und Fotomontagen ausgelöst zu haben.

Falls das die Zukunft und Essenz der Demokratie sein sollte, stellt sich die Frage, ob man Demokratie befürworten kann ......

Und es spielt natürlich auch der internationale Vergleich eine Rolle: selbst, falls die SPÖ nur 21% erreicht, was das eindeutig schlechteste Wahlergebnis in der Geschichte der SPÖ darstellen würde, selbst dann kann Kern noch argumentieren, die SPÖ habe besser abgeschnitten als die Schwesterpartei SPD in Deutschland oder die PvdA in Holland.

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susi blue

susi blue bewertete diesen Eintrag 27.09.2017 10:34:31

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