Warum Kickl unrecht hat und das EuGH-Urteil Inländerschutz ermöglicht

Nach der Veröffentlichung des EuGH-Urteils zum Thema Asyl (bzw. Abschiebung straffälliger Asylwerber) meinte der österreichische Innenminister Herbert Kickl, die EU befinde sich auf "falschem Weg", weil der EuGH "keinen Schutz von Inländern" ermögliche.

Das ist so nicht richtig, bzw. nicht ganz richtig.

Vielmehr ist es so, dass die meisten österreichischen Parteien sich auf einer Neutralitätsposition (In Wirklichkeit Nicht-Interventionsposition) einzementiert haben und daher eine Möglichkeit, Inländerschutz, Abschiebungen und EuGH-Urteil zu vereinen.

Wie ich schon in meinen Blogs hingewiesen habe, sehen schon österreichische Gesetze die Möglichkeit "gelinderer Mittel" als die Abschiebung in das Herkunftsland vor, wenn im Herkunftsland eine Gefahr für Leib und Leben des Abgeschobenen vor.

Gerade in Anbetracht des türkisch-kurdischen Konflikts ist es absolut keine gute Idee, einen Kurden in die Türkei abzuschieben, insbesondere, wenn er seinen türkei-betreffenden Lebensmittelpunkt (wegen familiären Beziehungen, z.B.) in Gebieten hat, in denen ein gewaltsamer Kampf zwischen türkischen Sicherheitskräften und kurdischen Kämpfern herrscht und insbesondere, wenn der Abzuschiebende früher selbst krudischer Kämpfer in der Türkei war.

Die österreichische Judikatur, dass Abschiebeungen möglich sind, wenn irgendwo im Herkunftsland eine sichere Zone existiert, auch wenn der Abzuschiebende seine Beziehungen nicht uz dieser sicheren Zone hat, ist ("war" muss man wohl nach dem EuGH-Urteil sagen) schon ziemlich absurd.

Doch jetzt wieder zu den Alternativen und dritten Wegen:

wenn sich Europäische Staaten (auch Österreich) an der militärischen Sicherung einer Kurdenzone im Nordirak beteiligen würde, dann würde diese eine Möglichkeit darstellen, dorthin abzuschieben.

Der Mordfall in Dornbirn, bei dem sich ein nach Eigendefinition "Kurde", der angab, offensichtlich an einem Beamten "rächte", der seine problamtische Abschiebung in die Türkei absegnete, hatte ja in Östererich hohe Wellen geschlagen.

Allerdings ist der betreffende Beamte auch Opfer einer seltsamen österreichischen Judikatur geworden.

Die FPÖ hat sich offensichtlich aus Populismus auf Neutralität und Nicht-Interventionismus und gleichzeitig maximalem Inländerschutz (als Versprechen, nicht als verwirklichbare Realität!) eingebunkert, wie andere Parteien übrigens auch (SPÖ und Grüne unterscheiden sich hier nicht wesentlich).

Auf jeden Fall hatte vielleicht doch Tony Blair recht, dass der Irakkrieg richtig und wichtig ist und war, auch wenn danach zahlreiche positive Effekte, die dieser Krieg hätte haben können, von den venus-orientierten (so Robert Kagan) Europäern verspielt wurden.

Die Kurdenfrage ist nach wie vor ein Riesenproblem der internationalen Politik, und ein weiteres Ignorieren halte ich für keine gute Option; hingegen der Irakkrieg und die föderalistische irakische Verfassung, die danach beschlossen wurde, hätte (egal, ob Autonomie oder völlige Unabhängigkeit) eine Möglichkeit geboten, Nahost-Probleme wie die Kurdenfrage zu lösen.

Allerdings hat jede Lösung ihren Preis, oder "There is no free lunch" (Wie ein britisches Sprichwort lautet), das im Gegensatz zum Populismus steht, der immer verspricht, Ziele ohne Preis zu erreichen.

CC / Michael Lucan https://de.wikipedia.org/wiki/Herbert_Kickl#/media/File:2018-02-15_Herbert_Kickl_FP%C3%96_8911.JPG

Da ich wegen möglicher urheberrechtlicher Probleme ein CopyPaste eines reuters-Fotos mit einem frustrierten Kickl eher nicht bringen kann, gibt´s nur ein neutrales Foto: Innenminister Kickl am anderen Foto frustriert: mit Populismus kann man bei vielen österreichischen Wählern und Wählerinnen Erfolg haben, hingegen beim EuGH nicht.

So sehr ich Kickls dabei verteidigt habe, die Menschenrechtskonvention prinzipiell in Frage stellen (wobei es für eine Änderung derselben Dutzende unterschiedliche Möglichkeiten gibt), so sehr halte ich seine Einschätzung, dass das EuGH-Urteil Inländerschutz verunmögliche, für falsch.

CC /Dörrbecker / chumwa / CIA https://de.wikipedia.org/wiki/Kurdistan#/media/File:Umgriffe_Kurdistans.png

Siedlungsgebiete, Verträge, Zonen und Gebietsansprüche in der Geschichte Kurdistans

Siehe auch:

https://www.fischundfleisch.com/dieter-knoflach/dornbirn-mord-widerspruch-gastarbeiter-aufenthaltsverfestigung-54718

https://www.fischundfleisch.com/dieter-knoflach/newo-statt-uno-warum-die-welt-eine-neue-globale-organisation-braucht-53942

Britischer Premier Tony Blair 1994-2007: wies sein Irakkrieg den Weg zu einer Lösung der Kurdenfrage und ist der österreichische Inneneminister Kickl gerade dabei, diese Chance zu verspielen ?

§77 Fremdenpolizeigesetz (FPG):

"Gelinderes Mittel

§ 77. (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1."

Daher könnte man sagen, der Innenminister ruft zum Gesetzesbruch auf (oder befindet sich in der Nähe des Aufrufs zum Gesetzesbruch), wenn er seinen Beamten suggeriert, der EuGH würde falsch handeln, während es in Wirklichkeit der EuGH ist, der auf die Einhaltung der österreichischen Gesetze drängt, z.B. des §77 FPG "gelinderes Mittel" (einvernehmliche Ausreise in eine militärische geschützte Kurdenzone staat uneinvernehmlicher Abschiebung in ein Land, in dem man mit extrem negativen Folgen zu rechnen hat)

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