Diesmal hat es den Strassburger Weihnachtsmarkt erwischt, einer der alljährlich in der Adventszeit stattfinden Terroranschläge auf Weihnachtsmärkte.
Schnell wurde der Islam als das Böse schlechthin identifiziert, aber eine differenzierte Analyse unterblieb, ebenso wie eine tiefergehende theologische Debatte.
Statt anhand der Weihnachtsmarkt-Terroranschläge einen reinen christlich-islamischen Konflikt zu attestieren, könnte man auch eine Überlagerung eines Reich-Arm-Konflikts mit einem religiösen Konflikt attestieren.
Der Weihnachtsmarktkaufrausch hat eine gewisse Tendenz, alle Unkaufkräftigen zu stigmatisieren und zu ächten: Du Böser Armer, Du kannst Deinen Nächsten keine von den oft überteuerten Produkten kaufen, die an Weihnachtsmärkten angeboten werden.
Dies erregt auch den Zorn vieler armer Christen, für die Weihnachtsmärkte nur Ärgernis, nur Ächtung, nur Verkehrshindernis, aber nichts Positives bedeuten.
Und nun zur Theologie: auch Jesus Christus war ein Terrorist (allerdings wird im Christentum nicht der Begriff "Terror" verwendet, sondern der Begriff der "Tempelreinigung" ). Sein Terror auf dem Tempelmarkt, als der die Stände der Händler umschmiss und damit Sachbeschädigung, aber keine Tote verursachte, war vom Hintergrund her ähnlich: es ging ihm einerseits um die Ablehnung der Kommerzialisierung des Sakralen, um eine Ablehnung der Tendenz, aus dem Spirituellen eine Ausbeutungsmaschine zu machen.
Und Jesus und sein damaliges Christentum war auch eine Armenreligion, die sich dem armen Rand der Gesellschaft annahm: den Kranken, den Bettlern, den "Huren", etc.
Auch der Franziskanismus (als Gegenbewegung zur damals reichen, korrupten Kirche) oder die südamerikanische Befreiungstheologie stand für die Armut und vielfach gegen den Kapitalismus, was dazu führte, dass viele Befreiungstheologen sich kommunistischen Parteien oder Bewegungen anschlossen (wie den Sandinistas), die aber vielfach später die Unfähigkeit der eigenen Wirtschaftstheorie anerkennen mussten und die früher angefeindeten kapitalistischen Produktionsmethoden übernehmen mussten. Die Befreiungstheologie hatte auch mit der revolutionären Gewalt, die zum Terror eine gewisse Nähe hat, keine großen Probleme.
Während der heutige Papst nun rein vom Namen an den Franziskanismus anknüpfte, blieb er erstaunlich oder nicht erstaunlich still, was die theologische Komponenten des Weihnachtsmarktterrors betrifft.
Seine Kritik richtet sich hauptsächlich an die Anderen, z.B. an den Protestanten Trump.
Allerdings: dass man mit der Aufnahme von Millionen von islamischen Flüchtlingen sich auch islamischen Terror einhandeln könnte, war ein Aspekt, den der Papst nicht erwähnte, ebenso wie Merkel nicht.
Dass das EU-Parlament in Strassburg sich nach dem Terroranschlag abschottete und damit die Strassburger Bevölkerung alleine dem Terror überliess, passt ins Bild, dass alle etablierten Parteien sich schwertun, mit dem Geflecht aus sozialem und religiösen Sprengstoff, den Europa sich eingehandelt hat, umzugehen.
Möglichkeiten wie das Verbot aller Religionen, verstärkter Sekularismus, etc. werden nicht thematisiert.
Der Wiener Weihnachtsmarkt ist übrigens mit Pollern zur Absicherung gegen Autoterror ausgestattet. Aber wie der Strassburger Weihnachtsmarktterror mit Pistolen bewies, bringt das gar nichts.
P.S.: der Begriff des "Verständnisses" läuft maximal auf "mildernde Umstände" hinaus, nicht auf komplette Entschuldigung.