Warum so manche "Kriminelle Flüchtlinge"-Threads Schrott sind ....

Eine Bloggerin hat in einem Blog sinngemäß behauptet, Flüchtlinge seien besonders gefährlich, z.B. um einen Faktor 10 gefährlicher. Weil ich auf meine gespeicherten Daten - aus welchen Gründen auch immer - nicht mehr zugreifen kann, beziehe ich mich auf die Erinnerung an den Ines-Laufer-Blog, die ich habe, die aber sicherlich fehlerhaft sein kann.

Ohne zu präzisieren, welche Daten genau sie für ihre Quotientenrechnung verwendete, verwies sie nur auf die deutsche Kriminalstatistik (PKS).

Um zu erklären, worin ein Teil der Manipulationsproblematik liegt, der dem gelöschten Blog unterliegt, möchte ich ein sehr vereinfachendes Demonstrationsbeispiel verwenden.

Und zwar das eines fiktiven Staates "Exemplaria" in einer fiktiven Welt, in der nur 18 bis 40-jährige Männer vergewaltigen, und sonst niemand.

In dieser fiktiven Welt enden alle Anzeigen mit Verurteilungen.

Exemplaria hat in den letzten 2 Jahren 130.000 Flüchtlinge aufgenommen, darunter 100.000 Männer im Alter zwischen 18 und 40.

Und die "autochtone" Bevölkerung von Exemplaria besteht aus 5 Millionen Männern im Alter 18-40 und 10 Millionen Sonstigen.

Es sind in den letzten 2 Jahren 10.000 Anzeigen mit Verurteilungen von Flüchtlingen erfolgt, und 500.000 Anzeigen mit Verurteilungen von Nicht-Flüchtlingen.

Mit anderen Worten:

auf je 10 Flüchtlings-Männer im Alter von 18-40 kommt eine Vergewaltigungsanzeige mit Verurteilung; auf je 10 Nicht-Flüchtlings-Männer im Alter von 18-40 kommt eine Vergewaltigungsanzeige mit Verurteilung.

D.h. wenn man nur die Gruppe der 18-40-jährigen Männer betrachtet, dann ist die Vergewaltigungsrate bei Flüchtlingen und Nicht-Flüchtlingen genau dieselbe, nämlich ein Zehntel.

Aber !!!! Wenn man die Flüchtlingsvergewaltigungen und die Nicht-Flüchtlingsvergewaltigungen auf die Gesamtbevölkerung der Flüchtlinge bzw. Nicht-Flüchtlinge rechnet, dann erhält man eine völlig andere Statistik:

Auf 130.000 Flüchtlinge kommen 10.000 Anzeigen mit Vergewaltigungen, also 7.7 Anzeigen Pro 100 Flüchtlinge.

Hingegen bei den Nicht-Flüchtlingen kommen auf 15 Millionen Nicht-Flüchtlinge 500.000 Anzeigen mit Verurteilungen, also 3.3 Anzeigen pro 100 Nicht-Flüchtlinge.

Also, wenn man die Gesamtgruppen betrachtet, dann scheinen die Flüchtlingsvergewaltigungen um den Faktor 2,33 höher zu sein als die Nichtflüchtlingsvergewaltigungen. Oder um auf den Blog der betreffenden Bloggerin zu sprechen zu kommen: während sie behauptet, die Unterschiede bei den Vergewaltigungsraten zwischen Flüchtlingen und Nicht-Flüchtlingen wären Faktor 10, so sinkt dieser Faktor alleine durch das Herausrechnen der Bevölkerungstruktur (unterschiedliche Anteile der 18-40-jährigen Männer bei Flüchtlingen und Nicht-Flüchtlingen) auf den Faktor 4. Wenn man zusätzlich noch Einkommen und Schicht einrechnen würde, die viele Kriminalitätsstatistiken nicht berücksichtigen, so würden die Unterschiede weiter sinken.

Das was hier gemessen wird, ist allerdings nicht die Gefährlichkeit von Flüchtlingen, sondern die Bevölkerungsstruktur: unter den Flüchtlingen sind die 18-40 jährigen Männer um den Faktor 2,33 häufiger als unter den Nicht-Flüchtlingen. Aber wenn man nur die Gruppen der 18-40-jährigen Männer betrachtet, dann sind die Vergewaltigungen gleich häufig.

Man kann nicht 30-jährige Männer, bei denen die Vergewaltigungsrate relativ hoch ist, mit über 70-jährigen vergleichen, die entweder Frauen sind oder impotent oder zu schwach oder krank, um zu vergewaltigen.

Wenn betreffende Bloggerin die "Statistik 1"-Vorlesung irgendeines Studiums besucht hätte, das diese Vorlesung vorsieht, dann hätte mit dem Konzept der "Validität von Statistiken" Bekanntschaft gemacht: eine Statistik ist valide (also gültig), wenn sie das misst, was ihre Verwender oder -innen als gemessen behaupten.

Daher ist die Statistik, so wie betreffende Bloggerin sie verwendet invalide oder nicht ganz valide, weil sie nicht genau und ausschliesslich die Gefährlichkeit von Flüchtlingen, sondern die Bevölkerungsstruktur von Flüchtlingen bzw. Nicht-Flüchtlingen (mit)misst.

Das ist Methodenfehler Nummer 1 von betreffender Bloggerin.

Methodenschwäche Nummer 2 von betreffender Bloggerin ist möglicherweise, dass sie die Vergewaltigungen als schwergewichtiger für die Gefährlichkeit betrachtet, als die Morde und schwere Körperverletzungen mit Langzeitfolgen.

Methodenfehler Nummer 3 von betreffender Bloggerin ist, dass sie nur die Anzeigen bzw. Verurteilungen in ihre Statistik einfliessen läßt, nicht aber die Dunkelziffern, bzw. die diesbezüglichen Warnhinweise, die in allen Kriminalitätsstatistiken zu finden sind.

Eine Gruppe von Vergewaltigungen, die betreffender Bloggerin nicht betrachtet, ist die Vergewaltigung unter Machtverhältnissen, also durch Vorgesetzte oder Produzenten oder Arbeitgeber. Hier sind die Täter meist einheimische Männer, so gut wie nie Flüchtlinge, weil die die Machtposition gar nicht erreichen konnten. Und weil hier Abhängigkeitsverhältnisse mitspielen, erfolgen oft keine Anzeigen.

Eine weitere Gruppe von Vergewaltigungen, die betreffende Bloggerin nicht betrachtet und nicht in ihre Statistik einfliessen läßt, sind die Vergewaltigungen von Zwangsprostituierten. Zwangsprostituierte haben oft keine Aufenthaltsgenehmigung und können deswegen keine Anzeige erstatten. Oder sie würden Probleme mit ihren Zwangszuhältern bekommen oder ihre Familien im Herkunftsland würden Probleme bekommen.

Da die Zwangszuhälter bezahlt werden wollen, können mittellose Flüchtlinge gar keine Zwangsprostituierten vergewaltigen, hingegen einheimische Nicht-Flüchtlinge mit Kaufkraft haben die nötigen finanziellen Mittel, um Zwangszuhälter zu bezahlen und Zwangsprostituierte zu vergewaltigen.

Bei der Vergewaltigung von Zwangsprostituierten ist der Hintergrund (Flüchtling oder Nicht-Flüchtling) oft genau umgekehrt wie zu Silvester in Köln: die Täter sind Einheimische, keine Flüchtlinge und die Opfer sind keine einheimischen Frauen, sondern Frauen ohne Aufenthaltserlaubnis.

Betreffende Bloggerin reduziert Personen auf Alter, Geschlecht und Fluchtstatus. Aber sie unterschlägt weitere Aspekte: den der Kaufkraft und den der Machtposition.

Und sie unterschlägt auch den Faktor der Behördenkenntnisse, um Ermittlungen zu entgehen: Einheimische wissen besser, wie sie Verbrechen begehen und gleichzeitig die einheimischen Behörden, Ermittlungsmethoden umgehen, als Flüchtlinge. Deswegen werden Flüchtlinge mutmasslich öfter erwischt.

Und sie unterschlägt auch den Faktor der (z.B. politischen) Beziehungen: Einheimische können durch politische Beziehungen oder andere Naheverhältnisse Verbrechen besser vertuschen als Flüchtlinge, die keine politischen Beziehungen haben.

Und betreffende Bloggerin unterschlägt auch den Testosteron-Faktor: laut zahlreichen Studien sinkt bei Männern der Testosteron-Spiegel und damit die Vergewaltigungsrate mit der Verpartnerung.

Das heisst überspitzt gesagt: wenn Staaten wegen den Bedürfnissen der Industrie oder anderer Arbeitgeber hauptsächlich arbeitfähige Männer aufnehmen, aber Ehefrauennachzug oder Verlobtennachzug oder Familiennachzug verhindern, die die Vergewaltigungsrate senken würden, weil eben in vielen der Herkunftskulturen die Frauen stark auf die Hausfrauenrolle oder die Kindererzieherinnenrolle reduziert sind, dann sind Politik und damit zusammenhängend auch Wählerinnen und Wähler im Sinne der "billigenden Inkaufnahme" mitschuld an den Vergewaltigungen.

Ein weiterer Fehler in der Methodik der betreffenden Bloggerin ist, dass sie offensichtlich nicht richtig zitieren kann oder will: um die These zu belegen, dass die Kriminalitätsstatistiken mit Sicherheit manipuliert sind, verlinkte sie ein Interview mit einer deutschen Buchautorin und Polizistin mit Migrationshintergrund, die in einem Interview gemeint hatte: "Ich könnte mir vorstellen, dass die Kriminalitätsstatistiken manipuliert sein könnten".

Eine möglicherweise manipulierte Statistik ist immer noch etwas anderes als eine mit Sicherheit manipulierte Statistik.

Und die Vermutung einer Möglichkeit einer Statistik-Manipulation in einem Interview ist kein Beweis für tatsächlich und mit absoluter Sicherheit manipulierte Statistiken, so wie betreffende Bloggerin das behauptete.

Man kann nicht immer nur die Aspekte statistisch aufarbeiten, die die eigenen These belegen, und alle Aspekte, die der eigenen These widersprechen, außer acht lassen.

Wenn man das Einkommen berücksichtigen würde, und 18-40-jährige Flüchtlinge (die ein niedriges Einkommen haben) mit 18-40-jährigen Nicht-Flüchtlingen mit gleich oder ähnlich niedrigem Einkommen vergleichen würde (was unmöglich ist, weil die Statistiken nicht nach Einkommen aufschlüsseln), dann würden die Unterschiedsfaktoren zwischen Flüchtlingen und Nicht-Flüchtlingen weiter sinken.

Alles, was wir jetzt messen, sind sozusagen Kurzzeiteffekte: wie sich die Verbrechensraten nach fünf- oder zehnjährigen Aufenthalt in Mitteleuropa entwickeln werden, darüber wissen wir heute noch nichts, weil der bisherige Höhepunkt der "Flüchtlingskrise" erst 2 Jahre her ist.

P.S.: man glaubt es kaum, was mir passiert ist. Ich habe den Blog der betreffenden Bloggerin vorige Woche gespeichert (allerdings ohne Links), aber heute kann ich ihn nicht mehr abfragen.

youtube? https://www.google.at/search?q=Manipulation+Bild&dcr=0&tbm=isch&tbo=u&source=univ&sa=X&ved=0ahUKEwj0hsDwiofYAhXFYlAKHYQ_BkAQ7AkISA&biw=1227&bih=871#imgrc=U31URibVIAIA7M:

Polemisch gesagt: "Das Verhältnis von Bloggern und Politikern (beiderlei Geschlechts) zur Wissenschaft ähnelt dem von Betrunkenen zur Laterne: sie suchen die Stütze und nicht die Erleuchtung."

mathe-online.at/materialien/reinhard.raml/files/Unterlage_Manipulation.doc

http://www.univie.ac.at/soziologie-statistik/pflege/UE/Manipulation_Unterlage_Studenten.pdf

Die im gelöschten Blog zitierte Polizistin hat die Vorwürfe bzgl. Statistikmanipulation relativiert und ist zurückgerudert.

Es stellt sich die Frage, ob die betreffende Bloggerin von diesem Rückzug bescheid wusste.

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Dieter Knoflach

Dieter Knoflach bewertete diesen Eintrag 13.12.2017 18:05:49

robby

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