Warum wir wahrscheinlich mit den Taliban zusammenarbeiten MÜSSEN

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Die Lage ist nun einmal so, wie sie ist: die islamistischen Taliban haben in Afghanistan einen militärischen Sieg errungen, und der Westen hat eine katastrophale Niederlage erlitten, die sich schon viele Jahre lang ankündigte, was aber von den größten Teilen von Politik und Medien nicht kundgemacht wurde.

Bereits im Jahr 2004 meinte der damalige US-Präsident George W. Bush, dass die USA und mit ihnen alle anderen westlichen Staaten abziehen müssen, weil das Nation Building nicht funktioniere.

Die beiden Ex-US-Präsidenten Obama und Trump haben dann die unvermeidliche Niederlage hinausgeschoben, um keine schlechte Presse zu bekommen, und um sich die Unterstützung der Frauenorganisationen und der Journalistinnen für die nächsten Wahlen zu sichern.

Damit haben diese beiden Präsidenten und die sie unterstützenden Frauen aber nur die Kosten und die Getötetenzahlen erhöht, scheinbar ohne irgendwas langfristig Positives zu erreichen.

Auch in der gesamten EU, bei fast allen Parteien, bei fast allen Medien war der (Irr)Glaube an einen Sieg in Afghanistan unerschütterlich, obwohl jeder, der von der Sache ein bisschen Ahnung hatte, wusste, dass sich die westlichen Staaten in Afghanistan immer mehr zurückzogen und immer mehr einbunkerten in ihren Hochsicherheitszonen in einigen wenigen afghanischen Städten.

"You can fool all people for some time, you can fool some people for all time, but you can never fool all the people all the time", sagte einmal US-Präsident Lincoln.

Und dieser Moment der Wahrheit ist nun da:

Wir sollten uns vorerst einmal damit abfinden, dass in Afghanistan eine sehr radikale Interpretation des Islam bzw. des Koran gewonnen hat, und der Versuch des Westens, seine Werte zu 100% anderen Ländern überzustülpen, die eine andere Geschichte, Tradition und Kultur haben, total gescheitert ist. Frei nach dem Motto: "Wer zuviel will, erreicht gar nichts".

Realpolitisch bleibt jetzt die Konsequenzen zu ziehen:

1.) Wir brauchen die Kooperation der Taliban in Sachen Geburtsregister und Staatsbürgerschaftsfragen, um viele Probleme, die sich in Zusammenhang mit in der EU befindlichen Afghanisch-Stämmigen zu klären.

2.) Wir brauchen Abschiebeverträge mit den Taliban, bzw. mit Afghanistan, um hiesige Afghanisch-Stämmige, die nicht integrierbar sind, abschieben zu können. (Abschiebungen stehen auch in engem Zusammenhang mit Punkt 6/Befriedung durch Puffer, weil man in Kriegsgebiete aus juristischen Gründen nicht oder nur sehr schwer abschieben kann)

3.) Wir brauchen Sicherheit für europäischen Handelsreisende, europäische Touristen, europäische Journalisten, europäische Diplomaten (welchen Geschlechts auch immer), um unsere Angelegenheiten erledigen zu können.

4.) Afghanistan hat auch einige Rohstoffe (z.B. Lithium), und es ist absolut nicht günstig, diese zu 100% China, Russland, Iran oder Pakistan zu überlassen. Diese Rohstoffe über Dritthandel zu beziehen, würde nur den Preis erhöhen. Die Profite und das Geschäft in Afghanistan Russland, China, Iran oder Pakistan zu überlassen, würde nur diese Staaten stärken und die EU schwächen.

5.) "Wandel durch Handel": auch Handelsbeziehungen sind persönliche Beziehungen, und auch diese persönlichen Kontakte können in kleinen Schritten zu einem Transformationsprozess in Afghanistan beitragen.

6.) Befriedung durch Pufferzonenbildung: Afghanistan ist ein Land, das sich seit 42 Jahren im Krieg befindet, und in dem sich eine Kriegskultur und eine Kriegerkultur gebildet hat; umso wichtiger ist es, diese Kriegskultur zu beenden, und die klassische österreichische Aufgabe der Trennung der Konfliktparteien im beiderseitigen bzw. allseitigen Konsens könnte dazu ein Mittel sein. Eine UNO-Truppe mit österreichischer Beteiligung könnte in Afghanistan eine schmale Pufferzone bilden, um z.B. Taliban-Territorium und Nordallianz-Territorium zu trennen.

7.) Föderalismus: der Versuch, Afghanistan als Zentralstaat zu verwalten und zu regieren, ist total gescheitert. Die verschiedenen Bevölkerungsgruppen der Paschtunen, Usbeken, Tadschiken, Hazara, etc. sind nicht beherrschbar in einem zentralistisch verwalteten Staat, der von Kabul aus regiert wird. Umso wichtiger wird eine föderalistische Lösung, die den einzelnen Gruppen ein hohes Maß an Selbstverwaltung gewährt, und eine schwache Zentralregierung in Kabul vorsieht.

Die Hoffnung, die Nordallianz unter Führung von Massoud könnte irgendwann einmal in der Zukunft ganz Afghanistan beherrschen und die Taliban vertreiben, könnte sich als sehr trügerisch herausstellen, alleine schon wegen der unterschiedlichen Ethnien: die Taliban sind Paschtunen, die Nordallianz Tadschiken.

8.) Drogen: die Taliban sind in ihren früheren Herrschaftszeiten immer sehr konsequent gegen Opiumanbau vorgegangen, während die westlichen Staaten in den letzten 20 Jahren den Opiumanbau und den Drogenhandel gewähren liessen. Die westliche Präsenz in Afghanistan und das Arrangement des Westens mit Drogenhändlern und Drogenbaronen machte Afghanistan zu einem weltweit dominanten Opiumproduzenten mit bis zu 92% Weltmarktanteil. Der Opiumanbau, der unter der westlichen Präsenz grassierte, brachte auch in Europa und in den USA zahlreiche Probleme, wie Drogensucht und Beschaffungskriminalität.

9.) Realpolitik: das heisst auch, wir müssen alle momentanen Begleiterscheinungen der Taliban-Herrschaft mehr oder weniger akzeptieren, darunter auch Benachteiligung von Mädchen und Frauen, Steinigung von Ehebrecherinnen und "Gotteslästerern".

10.) Und die Taliban brauchen europäisches Geld, europäisches Know-how, europäische diplomatische Unterstützung in manchen Fragen. Schliesslich sind Frankreich, Großbritannien und USA ja ständige UNO-Sicherheitsratsmitgleider mit Vetorecht.

11.) weitere Interessen sind Geburtenkontrolle und Kontrolle von Migrationsbewegungen. Auch hier müssen wir mit den Taliban zusammenarbeiten, um Migrationswellen, die Europa überfordern, zu verhindern oder zu verringern.

12.) gerade Kontakte mit den Taliban können eine Möglichkeit sein, andere Koraninterpretationen, die von denen der Taliban abweichen, in Afghanistan publik zu machen.

https://www.the-sun.com/news/3467120/taliban-executions-women-afghanistan-stoned/

Hinrichtung von Zarmina, einer Mutter von 5 Kindern, in einem afghanischen Fussballstadion im Jahr 1999. Für einen Westler und insbesondere eine Westlerin schwer erträgliche Bilder, aber nach der totalen Niederlage des Westens in Afghanistan müssen wir uns kurz- und mittelfristig wahrscheinlich damit abfinden, dass es vielleicht versteckter wieder stattfinden wird, aber dass wir es nicht verhindern können.

Hier eine ethnische Karte von Afghanistan:

CC / CIA 1981 https://de.wikipedia.org/wiki/Afghanistan#/media/Datei:Afghanistan_Ethnien.svg

Die Taliban sind fast 100%ig Paschtunen, die Nordallianz unter Massoud Tadschiken. Eine föderalistische Lösung könnte auch langfristig zu einer völligen Unabhängigkeit führen, also z.B. zu einer Abspaltung des nordöstlichen Tadschikengebietes. Diese Abspaltung könnte sich auch auf das Selbstbestimmungrecht der Völker berufen, das in der UNO-Charta verankert ist.

Als Grenzziehungsmechanismus könnte das Reziprozitätsprinzip herangezogen werden, d.h. die Regel, dass genauso viele Paschtunen als Minderheit im Tadschikenstaat, bzw. in der Tadschikenregion leben müssen, wie Tadschiken als Minderheit im Paschtunenstaat, bzw. der Paschtunenregion.

Dasselbe Prinzip könnte bzw. müsste auch bei den anderen Ethnien angewendet werden. Die wechselseitige Verflechtung mit beiderseitigen Minderheiten wäre auch eine gewisse Garantie für den Minderheitenschutz: ein Staat, der die Minderheiten der Anderen im eigenen Staat schlecht behandelt, riskiert, dass auch die eigene Minderheit im Anderen Land deswegen schlecht behandelt wird.

Eine andere Möglichkeit wäre ein Szenario ähnlich dem Westfälischen Frieden von 1648 mit seiner "cuius regio, eius religio"-Regel, der auch im Bosnien-Krieg bzw. im Syrienkrieg bzw. im Lausanne-Vertrag gewisse Entsprechungen fand: wechselseitige Bevölkerungsaustäusche, wechselseitige Vertreibungen.

Hier die Frontlinien zwischen Taliban-Gebieten und Nordallianzgebieten 2001:

CC / Sommerkom https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Taliban_Front_Oktober_2001.png

Militärische Lage 1996:

CC / Sommerkom https://de.wikipedia.org/wiki/Afghanistan#/media/Datei:Afghanistan_politisch_1996.png

Taliban/Puschtunen (grün), Massoud/Nordallianz/Tadschiken (blau), Dostum (rosa), Hezb-i Wahdat (gelb)

Steinigung von Frauen gibt es übrigens nicht nur bei den Taliban, sondern in zahlreichen anderen Staaten der Welt, mit denen wir auch zusammenarbeiten und Geschäfte machen, wie z.B. Pakistan, Saudi-Arabien, etc.

Literaturtip:

Harrison, Huntington: Culture Matters - How values shape human Progress

Wikipedia-Artikel zu Realpolitik

https://www.rtl.de/cms/malala-yousafzai-fordert-lasst-die-frauen-in-afghanistan-nicht-im-stich-4816016.html

https://www.rtl.de/cms/taliban-hoelle-tapfere-buergermeisterin-zarifa-ghafari-28-wartet-in-afghanistan-auf-ihren-tod-4815700.html

Siehe auch:

https://www.fischundfleisch.com/dieter-knoflach/allianz-mit-dem-iran-in-sachen-malthus-intervention-36370

https://www.fischundfleisch.com/dieter-knoflach/zusammenhaenge-islam-todesstrafe-fertilitaet-60397

https://www.fischundfleisch.com/dieter-knoflach/oesterreich-durch-islam-anerkennung-schuld-an-islamischer-gewalt-32585

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