Die olympische Bronze-Medaille für den Austro-Tschetschenen Borchashvili wird eben wegen seines Migrationshintergrunds bzw. Flüchtlingshintergrunds immer mehr zum Politikum, immer mehr zum Inhalt politischer Debatten und Diskurse, die oft sehr manipulativ und verfälschend sind.
FPÖ-Trolle, Rechtsextremisten und Rassisten stützen sich dabei insbesondere auf ein Interview von Borchashvili, das dieser in tschetschenischer Sprache gab. Und das laut Übersetzung so lautete:
"Salam aleikum, ich widme diesen Erfolg dem tschetschenischen Volk. Ich wünsche unseren (tschetschenischen) Sportlern viel Glück. Ich möchte auch unserem Führer der Tschetschenischen Republik, Ramsan Kadyrow, für die umfassende Unterstützung unserer Sportler danken. Akhmat-Sila, Allahu Akbar!"
FPÖ-Trolle, Rechtsextremisten und Rassisten machen aus dieser Aussage eine "Kadyrow-Huldigung", eine "Huldigung für einen brutalen, islamistischen Diktator", eine "dschihadistische Ansage", etc.
Dazu sind einige Dinge zu sagen:
1.) "Salam aleikum" bedeutet "Der Friede sei mit Dir!", es ist also keine Dschihadisten- oder Extremistenformel, wie so Manche das darstellen wollen, sondern genau das Gegenteil.
2.) Der Hauptfokus dieses Interviews liegt auf den tschetschenischen Sportlern, wohl hauptsächlich gemeint in diesem Kontext die tschetschenischen Olympiasportler. Wobei man bedenken muss, dass Olympische Spiele in vielen Fällen Fluchtmöglichkeiten sind für Leute, die sonst kaum Fluchtmöglichkeiten haben, ähnlich wie die weissrussische Olympionikin Timanowskaja.
3.) Borchashivili widmet diesen Erfolg in diesem Interview "dem tschetschenischen Volk", nicht dem tschetschenischen Führer Kadyrow. Wenn Borchashvili wirklich ein Kadyrow-Anhänger wäre, wie hiesige Rechtsextremisten das behaupten, dann würde er diesen Erfolg wohl eher Kadyrow persönlich widmen, und nicht "dem tschetschenischen Volk".
4.) Borchashvili dankt (Ramsan) Kadyrow hier NICHT (!) für seine außersportliche Herrschaft und seine außersportlichen Entscheidungen Tschetschenien betreffend, sondern nur für die Unterstützung tschetschenischer Sportler. Was man auch als indirekte Kritik an außersportlichen Entscheidungen Kadyrows empfinden kann.
5.) er sagte hier nicht "Mein Anführer Kadyrow", sondern "unser Anführer" Kadyrow. Kadyrow ist nun mal derzeit Machthaber oder Teilmachthaber in Tschetschenien (als Vasall des russischen Präsidenten Putin, denn Tschetschenien ist ja ein Teil Russlands, und nach dem russischen Sieg im Zweiten Tschetschenienkrieg 1999 installierte Putin Ahmad Kadyrow (den Vater Ramsans), der damals die Seiten gewechselt hatte, als "Präsidenten" Tschetscheniens, aber Tschetscheniens ist kein Staat, sondern Tschetschenien ist nur eine autonome Region, bzw. autonome Republik innerhalb Russlands, bzw. innerhalb der Russländischen Föderation, wie die offizielle Bezeichnung lautet. Allerdings widerspricht die extreme Machtkonzentration in der Person Vladimir Putin der Behauptung, Russland sei eine Föderation, ebenso, wie es fraglich ist, ob Putin legitim regiert(e), weil die (frühere) russische Verfassung mehr als zwei Amtszeiten ausschloss.
Aber zurück zu Borchashvilis Formulierung "unser Führer": es ist unklar, worauf sich das uns bezieht, und ob das nur eine formale, oder eine wirkliche Führungsrolle sein soll.
Man kann ja auch unzufrieden sein mit seinem "Führer", und diesem subversiv Widerstand entgegenbringen, obwohl man ihm offiziell "huldigt", ebenso, wie Hitler-Attentäter Stauffenberg bis ganz kurz vor seinem Anschlag auf Hitler den Meisten gegenüber so tat, als wäre er der allergrößte Hitler-Anhänger. Das ist nun einmal so in Diktaturen (auch in der Putin-Kadyrow-Diktatur), dass sie nichts anderes erlauben, als "Huldigung", oder dass die zumindest keine offene Kritik erlauben, und dass auch Oppositionelle und Kritiker öffentlich zur "Huldigung" gezwungen sind, auch wenn sie unter vier Augen genau das Gegenteil sagen. Das kann man sowohl als islamische "Taqqiya", also Lügenrecht im Falle von Unterdrückung, auch und vielleicht insbesondere als Widerstandsrecht gegen pseudo-islamische Diktatoren, die den Koran verfälschen, wie auch als globales Widerstandsrecht gegen Despoten betrachten. Allerdings ist die taqiya eher ein schiitisches Phänomen, in seiner strikten, allgemeingültigen Interpretation, während es bei den Sunniten (und die Tshcetschenen sind in ihrer überwiegenden Mehrheit Sunniten) eher ein Recht der Schwächeren ist.
6.) "Akhmat-Sila!" ist ein in Tschetschenien weit verbreiteter Gruß, der sich auf Ahmad Kadyrow, den Vater von Ramsan Kadyrow, bezieht. Allerdings ist dieser Gruß sehr zweideutig, weil Ahmad Kadyrow eben die Seiten wechselte, anfänglich kämpfte er auf der antirussischen Seite, und wechselte auf die pro-russische Seite. Wenn jemand also "Akhmat-Sila!" als Grußformel verwendet, an welchen Ahmad Kadyrow will er dann erinnern ? An den anti-russischen Ahmad Kadyrow der Frühphase, oder an den pro-russischen Ahmad Kadyrow der Spätphase ?
Auf jeden Fall sagte Borchashvili nicht "Ramsan-Sila!", was die Ramsan-Kadyrow-Huldigung wäre, von der Rechtsextremisten wohl fälschlicherweise behaupten, dass Borchashvili sie getätigt hätte. Noch dazu stellt sich die Frage, ob Borchashvili diesen Gruß nur dewegen verwendete, weil er in Tschetschenien gebräuchlich ist, oder ob er ihn verwendete, um irgendwas Politisches auszudrücken. Und "Gott/Allah ist groß" ist auch eine allgemeine Formulierung, deren Bedeutung stark variieren kann, je nachdem, ob man die pazifistischen/friedlichen Passagen im Koran meint, oder die kriegerischen. Ebenso wie "Grüß Gott!" auch als Würdigung und Huldigung des rachsüchtigen, alttestamentarischen Gottes verstanden werden kann, des Gottes, der Stammeskriege und Völkermorde an manchen Stellen des Alten Testament, also des frühen Bibel-Teils, gutzuheissen scheint.
7.) Wie der (tschetschenien-stämmige) Terroranschlag auf den französischen Lehrer Samuel Paty bewies, reicht der Tschetschenische Terror auch nach Europa und in die EU, was kein Argument gegen die EU ist, sondern eben eine Folge von Globalisierung und Internet und globalen Medien (in diesem Fall insbesondere russische Medien), die russisch-tschetschenische Anti-West-Demos in Grosny, der Tschetschenischen Hauptstadt, eben weit in die Welt übertrugen, und so zum Terror in Paris beitrugen. Und die Angst, Opfer eines solchen Terroranschlags zu werden, alleine schon wegen der nicht im Koran grundgelegten Apostaten-Tötungs-Doktrin, bestimmt vielfach die Aussagen und Handlungen, bzw. die Nicht-Aussagen und Nicht-Handlungen von Flüchtlingen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Apostasie_im_Islam
Ein ganz wesentlicher Punkt, den man beachten sollte, ist, dass die FPÖ einen Kooperationsvertrag mit der Putin-Partei hat, und damit auch die Putin-Kadyrow-Diktatur in Tschetschenien unterstützt und legitimiert, und damit auch die Flüchtlingswellen aus Tschetschenien mitverursacht, bzw. vergrößert.
Umso krasser ist die Doppelmoral vieler FPÖ-Trolle, auch und insbesondere im Internet, einerseits den Islamismus in Tschetschenien hochzuspielen, andererseits aber zu vertuschen und zu verschweigen, dass Tschetschenien ein Teil Russlands ist, und dass seit dem russischen Sieg im zweiten Tschetschenienkrieg Putin so eine Art De-Facto-Machthaber in Tschetschenien ist, mit dem sich auch die Kadyrows bzw. Ahmad Kadyrow durch Seitenwechsel arrangierten.
Korrekterweise muss man hinzufügen, dass es ganz vereinzelte Stimmen innerhalb der FPÖ gibt, die diesen Kooperationsvertrag der FPÖ mit der Putin-Kadyrow-Achse öffentlich kritisieren, wie zum Beispiel der FPÖ-Oberösterreich-Vorsitzende Haimbuchner.
(Dass es ein Landesparteivorsitzender ist, der hier als einziger eine abweichende Position äußern kann, bestätigt auch die Norbert-Leser-These von der "Erneuerung über die Länder", bzw. der "Erneuerungsmöglichkeit über die Länder" auch wegen der eigenständigen Legitimation der Landesparteivorsitzenden über die Landtagswahlen; Norbert Leser war sowas wie der Doyen und Gründer der österreichischen Politikwissenschaft; Leser hatte selbst burgenländische Wurzeln, sein Onkel Ludwig Leser war SPÖ-Landeshauptmannstellvertreter in einer quasi-blau-roten Koalition im Burgenland gewesen als Vize des großdeutschen Walheim, eine Konstellation, die für das damalige Österreich der 1920er Jahre so einzigartig war wie die rot-blaue Koalition im Burgenland durch Niessl/Doskozil, der Wikipedia-Eintrag zu Ludwig Leser ist unrichtig, er war in Wirklichkeit LH-Stv., nicht LH, richtiger sind die diesbezüglichen Angaben am Parlamentsserver , obwohl beide die quasi-blau-rote Koalition verschweigen, also wessen Stv. Leser war, LH Walheim ist aufgeführt am Burgenland-Server, für Großdeutsche und Landbund, und auf Wikipedia)
https://de.wikipedia.org/wiki/Tschetschenien
Dass Tschetschenen nach Österreich flüchten, obwohl es in Österreich Rechtsextremisten gibt, kann man nun als Indiz dafür betrachten, dass der in Tschetschenien regierende Putin-Kadyrow-Extremismus eben einiges schlimmer ist der (momentan nicht-regierende) Rechtsextremismus in Österreich.
Auch die Tendenz, Flucht vor Diktaturen als "Wirtschaftsmigranten" einzustufen, ist gerade im Falle von Tschetschenien vielfach unplausibel.
Und die Doppelmoral vieler FPÖ-Trolle, einerseits den Islamismus in Tschetschenien zu skandalisieren, aber andererseits die Flucht vor eben diesem Islamismus genauso zu skandalisieren, oder zu "Wirtschaftsmigration" umzudefinieren, ist eine Doppelmoral von durchaus beträchtlicher Größenordnung.
https://de.wikipedia.org/wiki/Shamil_Borchashvili
Auch zwischen dem Lob des Welser FPÖ-Bürgermeisters Andreas Rabl für Borchashvili und der radikalen Kritik der (wahrscheinlichen) FPÖ-Internettrolle klafft eine beträchtliche Lücke der Doppelmoral.
Ich stand früher mal der Parteienförderung aus Steuermitteln durchaus befürwortend bzw. mit Sympathie gegenüber, aber wenn diese in so großem Ausmaß dafür verwendet wird, extremistische Internet-Trolle zu finanzieren, wie das den Anschein hat, dann ist staatliche Parteiförderung doch durchaus problematisch, und die private Parteienfinanzierung vielleicht doch positiver zu sehen, als ich früher dachte, auch wenn es Private Politik-Spender zu geben scheint, die vielleicht durchaus bereit wären, sowas zu unterstützen, und die auch in ihren Medien ähnlich agieren.
Ein seltsamer Aspekt in diesem Zusammenhang ist auch die seltsame "Linz ist ein bisschen rassistisch"-, "Linz ist grauslich"-, etc.-Kampagne, die in diesem Sinne als völlig falsch und realitätsverkehrend scheint.
Man kann durchaus den Eindruck haben, die FPÖ Oberösterreich und die FPÖ Linz sei weniger rassistisch als die Bundes-FPÖ oder gar nicht rassistisch.
https://ooe.orf.at/stories/3115596/
? heute.at ? https://www.qwant.com/?q=Shamil+Borchashvili&t=images&o=0%3AB45B2ABB699E2B32D4CAA38229A21048937FA91F
Schrei des Jubels über Olympiamedaille oder Schrei der Verzweiflung, weil er zwischen zwei Mühlsteinen, dem österreichischen Rechtsextremismus und dem tschetschenischen Islamextremismus zerrieben zu werden droht: Austro-Tschetschene Borchashvili ? Der vielen Tschetschenen nicht tschetschenisch genug ist, und vielen Österreichern nicht österreichisch genug ? Was so ähnlich wie ein klassisches Halbblut-Schicksal wäre, von dem Viele dachte, dass es der Vergangenheit angehören würde, aber in die Gegenwart nicht passe ....
Eine Variation auf das "Halbblut"-Thema ist die Tragödie um das Halbblut Appanachi, das in der sehr freien Karl-May-Adaption "Winnetou und das Halbblut Appanatschi" (gespielt von Uschi Glas, für die das wahrscheinlich der große Durchbruch war) abgehandelt wird. Der Verlobte von Appanatschi wird durch goldgierige weisse "Desperados" (was ursprünglich "Verzweifelte" bedeutete, aber inzwischen eher "Räuberbande" oder "Raubmörderbande" ) ermordet, in diesem Fall, und sie muss auch Entführungen und sonstige Qualen ertragen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Winnetou_und_das_Halbblut_Apanatschi
Gerade jetzt, ob Zufall oder nicht, laufen die Winnetou-Festspiele in Winzendorf in Niederösterreich, die auch verschiedentlich plakatiert werden, was bei mir erst diese Assoziation auslöste.
http://www.festspiele-winzendorf.at/
Der frühere niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) hatte einmal 1995, also ein Jahr nach der Gründung der Karl-May-Festspiele in Winzendorf, wohl halb scherzhaft oder als Werbung für die Festspiele, gemeint, das einzige Buch, das er jemals ganz gelesen habe, sei "Der Schatz in Silbersee" von Karl May, gewesen (was bei einem Akademiker wie ihm übrigens reichlich unwahrscheinlich ist). Das führte zu einem Häme-geladenen Shitstorm zahlreicher linker Journalisten und Blogger.