Das Massaker an Tiananmen, dem Platz des himmlischen Friedens in Peking im Jahr 1989, jährt sich dieser Tage zum dreissigsten Mal.
In den Medien gibt es darüber praktisch nur eine einzige Sicht: "Grausame und blutige Niederschlagung der Demokratiebewegung".
Andere Sichtweisen der Dinge kommen in den westlichen Medien praktisch nicht vor.
https://oe1.orf.at/player/20190604/555862
Dabei muss man erstens den damaligen globalen Kontext und die Geschichte Chinas mitbedenken:
1.) der globale Kontext: in den 1980er Jahren gerieten zahlreiche Kommunistische Systeme in eine schwere Krise, die zum Ende des Ostblocks in Osteuropa führen sollte, und auch zu schweren innenpolitischen Krisen, zu Bürgerkriegen wie in Rumänien, die mit Ermordung des früheren Präsidenten Ceaucescu nach einem dubiosen Schnellverfahren endeten, oder auch zu den jugoslawischen Kriegen der Jahre 1991 (Slowenienkrieg) -1999 (Kososo-Krieg). Es ist keineswegs so, dass der europäische Weg unblutiger war, im Gegenteil, betrachtet man die jugoslawischen Kriege als Teil des 1989-Umbruchs, so war der europäische Weg weit blutiger und grausamer als der chinesische, so gesehen gibt es für uns Europäer absolut keine Berechtigung, mit erhobenem Zeigefinger und vorwurfsvoll wegen Tiananmen China säcrfer zu kritisieren, als es das verdient.
2.) die chinesische Geschichte: die chinesische Kulturrevolution von 1968 war wie die Demokratiebewegung des Jahres 1989 eine protestorientierte Jugendbewegung. Allerdings war die chinesische Kulturrevolution von 1966 bis 1976, deren Träger die Roten Garden waren, eine brutale Methode von Mao Tse-Tung gewesen, innerparteiliche Rivalen zu entmachten, zu foltern, in Haft zu halten und kaltzustellen.
Dieser Versuch Maos, mithilfe der Jugend Kritik an ihm zu unterdrücken und fähige Reformer daran zu hindern, die Macht im Staate zu übernehmen, scheiterte zwar, allerdings hinterliess er so eine Art Jugendtrauma beim siegreichen Reformerflügel, der nach Mao und speziell unter Deng Xiao Ping eine pragmatischere Politik in Richtung auf mehr Marktwirtschaft betrieben hatte.
Auch das Argument der sogenannten Demokratiebewegung, Demokratisierungsprozesse in Polen, Ungarn oder Sowjetunion (unter Gorbatschows Glasnost und Perestroika) müssten auf China übertragen werden, waren nicht sehr stichhaltig, weil in China die Reformpolitik schon früher begonnen worden war.
Man kann nicht ausschliessen, dass westliche Staaten bzw. Kräfte in westlichen Staaten ein Interesse daran hatten (und haben), China zu destabilisieren.
Die von Westmedien scharf kritisierte Tatsache, dass das Tiananmen-Massaker von der heutigen chinesischen Regierung verschwiegen werde, kann auch positiv gesehen werden, in Hinsicht darauf, dass dieses Ereignis nicht als Drohgebärde gegenüber jungen Leuten verwendet wird.
Die von westlichen Medien geforderte chinesische Vergangenheitsbewältigung halte ich für ziemlich lächerlich, wenn sie nicht mit der Thematisierung der spezifisch-chinesischen Vergangenheit der Roten Garden und der Kulturrevolution der Jahres 1966-1976 einhergeht.
Im Gegenteil dürfte die undifferenzierte Art und Weise, wie die Westmedien das Tiananmen-Massaker zu instrumentalisieren scheinen, es unwahrscheinlich machen, dass die heute regierende chinesische Elite einen offenen Diskurs über die Vergangenheit zulässt; so gesehen sind die extrem einseitigen europäischen und US-amerikanischen Medien mitschuld an der fehlenden chinesischen Vergangenheitsbewältigung, die sie lauthals beklagen, während sie gleichzeitig den eigenen Schuldanteil daran verantwortungslos unterschlagen. Und China ist nicht irgendein bedeutungsloser Kleinstaat, dem man ein falsche Politik widerstandslos aufzwingen kann, sondern China ist das bevölkerungsreichste Land der Welt, atomar bewaffnet, wirtschaftlich prosperierend, mit großen Erfolgen im Bildungssektor, mit technologischer Konkurrenzfähigkeit, mit einem Veto im UN-Sicherheitsrat. Der verantwortungslose und undifferenzierte Propagandakrieg des Westens gegen China kann also auf der ganzen Welt Probleme schaffen, weil er die UNO lahmlegt und blockiert zbw. dazu beiträgt.
Jede "Vergangenheitsbewältigung" läuft immer Gefahr, zur "Vergangenheitsvergewaltigung" zu werden, zum parteipolitischen Missbrauch und zur parteipolitischen Übertreibung von historischen Umständen beim gleichzeitigen Verschweigen anderer Aspekte der Geschichte (und die Bedeutung der Roten Garden und der sogenannten "Kulturrevolution" für die Entscheidungsträger des Jahres 1989 wird im Westen quasi-systemisch vertuscht und verschwiegen).
Generell kann ich nicht anders, als in der einseitigen westlichen Medienberichterstattung über das Tiananmen-Massaker eine Form des Kalten Krieges (in diesem Fall gegen China) zu sehen, der aber insofern besonders absurd ist, als in China zwar die Kommunistische Partei an der Macht blieb, aber gemäß Dengs Aussprüchen "Es ist egal, welche Farbe die Katze hat, Hauptsache, sie fängt Mäuse" ode "Auf dem Weg zum Reichtum müssen einige wenige vorangehen" die Planwirtschaft abgeschafft wurde und die Marktwirtschaft eingeführt.
Vielleicht besteht auch ein Zusammenhang der einseitigen westlichen Berichterstattung über das Tiananmen-Massaker mit dem US-Chinesischen Handelskrieg bzw. dessen Anbahnung und den Vorwürfen gegen den chinesischen IT-Konzern Huawei.