Ich mag das gar nicht, wenn ich in aller Frühe in der Dezemberkälte vor dem Frühstück eine Schlägerei oder Ähnliches verhindern muss, und gekommen ist das so:
ich machte wie gelegentlich meine ganz persönliche unbezahlte Samstag-Morgen-Kontrollrunde am Naschmarkt. Es war ein fürchterliches Gedränge, die Standler waren gerade dabei, aufzubauen, der zusätzliche Weihnachtsbaumverkauf machte alles noch stressiger, hektischer, gedrängter und aggressionsgeladener. Ich stolperte dabei über eine Marktamtsgruppe, die die Stände kontrollierte. Ich agierte dabei ein bisserl im Sinne eines "alpenländischen Inspecktoren-Inspecktorats" (sic!) meines Halb-Landsmanns Otto Grünmandl und heftete mich an die Fersen des Marktkontrollamts.
Vielleicht fühlten sich die Beamten vom Marktservice unangenehm von mir überwacht, auf jeden Fall fragte mich einer, was ich denn wolle. Und ich antwortete, dass ich eigentlich nichts wolle, nur zuschauen, und dann, nach einer Pause: "Ich will doch was: ich will wissen, wieviel Prozent der Strafen, die Sie austeilen, uneinbringlich sind."
Der Beamte war etwas verwundert und fragte dann: "Wen interessiert denn sowas ?" Ich: "Mich interessiert sowas!" Er: "Das weiss ich doch nicht. Das wissen vielleicht die Bezirksämter" Ich: "Okay, läuft über die Exekutionsschiene der einzelnen Bezirke. Und Sammeldaten gibts keine ?" Und bevor er "Nein" sagen konnte, ertönte ein lautes Klirren von Glas.
Ich lief sofort hin, fand eine zerbrochene Parfumflasche, eine offensichtliche bulgarische Händlerin und einen österreichischen Standler, die miteinander heftig stritten. Ich versuchte, mit kalmierenden Handbewegungen und Worten wie "Ruhe, Ruhe!", "Bitte, hier aufräumen!" und damit, dass ich mich zwischen die Beiden stellte, die sich heftigste Beschimpfungen und Morddrohungen an den Hals warfen, die Dinge einigermassen unter Kontrolle zu bringen.
Ansonsten verhielt ich mich ziemlich passiv und liess alle Seiten reden, bzw. schimpfen, verfluchen ("Ich bete, dass Gott Dich strafen!" ) und drohen; nur hin und wieder warf ich ein: "Das kann man aber auch anders und freundlicher sagen".
Was vorher passiert war, konnte ich nicht mit Sicherheit herausfinden, aber ich glaube es war am wahrscheinlichsten so:
Ein Österreicher hatte die Bulgarin angerempelt, entweder unabsichtlich oder absichtlich aus einem rassistischen Motiv, wie das gelegentlich vorkommt, und sich dann aus dem Staub gemacht.
Der österreichische Standler hatte wahrscheinlich den Austro-Hooligan vorher nicht bemerkt, sich über die Bulgarin beschwert, weil die Scherben des zerbrochenen Parfums den Zugang zu seinem Stand erschwert und seinen Umsatz senkt.
Die Bulgarin wiederum hatte tatsächlich einen materiellen Schaden, nämlich das zerbrochene Parfüm, den sie ersetzt wollte. Und wahrscheinlich, weil der unmittelbare Verursacher sich aus dem Staub gemacht hatte, wollte die Bulgarin den Wert, den sie mit 20 Euro bezifferte, vom Standler zurück.
Die umliegenden Standler schlossen sich in ihren Wortmeldungen dem einheimischen Standler an, die Bulgarin war in der Minderheitenposition, sodass ich fast Sympathien für sie bekam.
Auch wenn ihr Wutausbruch und ihre Drohungen bis zu einem gewissen Grad verständlich war, so ist doch verwunderlich, dass sie kein einziges Mal den Austro-Standler beschuldigte, gestossen oder getreten oder Bein-gestellt zu haben, sodass ich davon ausgehe, dass er das auch nicht hat.
Allerdings kann die Art und Weise, wie er und seine Austro-Kollegen redeten, eine Stimmung aufbereiten, die zu rassistischen Übergriffen, wie denjenigen, der vielleicht die Ursache des ganzen Streits war, beiträgt.
In diesem Sinne kann man das Gerede des Austro-Standlers, das schon eine Rassismusnähe hatte, u.U. in der Nähe von Bestimmungstäterschaft verorten.
Auch so sexistische Anspielungen auf ihr Alter oder auf ihr Aussehen (sie war ziemlich dick), waren eigentlich unnötig und hatten wie "Ihr körts 1000 km nach Südost"-Aussagen eine Vertreibungsabsicht.
Die möglicherweise auch mit einer Konkurrenzsituation am Markt zusammenhängt: je mehr Geld man beim einen Standler läßt, umso weniger hat man, um es beim anderen Standler auszugeben. Und dieser Marktkonkurrenzkonflikt wird dann noch verstärkt und intensiviert durch einen kulturellen Konflikt: Bulgarien ist ja so wie Russland Teil der christlich-orthodoxen Welt; und in der Geschichte Bulgariens hatte es oft Allianzen und Bündnisse mit Russland und es gab starke pro-russische, pan-slawische und pan-orthodoxe Tendenzen. Auf jeden Fall ist Bulgarien heute Teil der EU, aber doch einigermassen marginalisiert (vielleicht wegen der traditionell pro-russischen Tendenzen), wie die zahlreichen Nicht-Wahlen von Bulgarinnen bei der Wahl zum UNO-Generalsekretär oder zum verschiedenen EU-Posten beweisen. Gerade der neue Kalte Krieg zwischen Westen und Russland rund um Krim, Ukraine, Dopingentscheidung, etc. kann hier mitgespielt haben. So gesehen ist auch die EU-Spitzenpolitik und ihre Russland-Sanktionen potenziell ein Beitragstäter und Bestimmungstäter in Sachen dieser Bulgarin.
Nachdem sich die Sache beruhigt hatte (vielleicht auch, weil mir die rote Unfallweste, die ich eigentlich fürs Fahrradfahren gedacht hatte, eine aufsichtsähnliche Optik verliehen hatte), blieb ich mit dem mulmigen Gefühl zurück, vielleicht der einen oder der anderen Seite unrecht getan zu haben, obwohl ich mich sehr neutralistisch verhalten hatte und immer betont hatte: "Ich kann nichts über die Vorgeschichte sagen, weil ich zu spät dazugekommen bin". Anstelle eines geplanten Frühstücks sperrte ich mich dann eine halbe Stunde in einem WC in der Universität ein, um mir einen Power-Nap zu gönnen, weil mich die gespannte und auch für mich als Puffertruppe gefährliche Situation doch mehr beansprucht hatte, als geplant.
Ich hatte einerseits gedacht, dass der gemeinsame Beruf Handel eine konfliktverhindernde bzw. -deeskalierende Rolle spielen kann, andererseits, dass kulturelle Unterschiede natürlich Konflikte verschärfen können, frei nach Samuel Huntingtons "Clash of Civilisations" (das man natürlich mit "Zusammenprall der Kulturen" übersetzen muss, nicht mit "Kampf der Kulturen" oder so)
Was kann man in solchen Fällen machen ?
Option 1) Überwachung: mit elektronischen Überwachungsmaßnahmen und mit Vermummungsverbot kann man den Ablauf und die Vorgeschichte einer solchen Sache gut abklären, auch den vermutlichen Ersttäter und Konfliktauslöser identifizieren, der hier ungerechterweise unbehelligt geblieben war. Oder man kann umgekehrt nachweisen, dass es eine reine Ungeschicklichkeit der Bulgarin gewesen sein könnte.
Option 2) lokale Polizeivollmachten für das Marktamt: für solche Fälle könnte man - insbesondere, weil die Polizei weit entfernt ist, dem Marktamt Polizeikompetenz nur für das Marktgebiet geben, also die Kompetenz, Beweise festzuhalten, z.B. fotografisch, Zeugen einzuvernehmen, Randalierer festzunehmen.
Allerdings bräuchte das Marktamt dazu Schulungen und Reorganisation: die Zweiergruppen, oft unter Beteiligung einer oder zwei schmächtiger Frauen, die für Marktschildkontrolle reichen, wären dann wohl nicht mehr geeignet und müssten entweder quantitativ oder qualitativ oder beiderlei Art erhöht werden.
Und es gibt noch weitere Notwendigkeiten der Marktreform: oft parken Radfahrer ihre Räder an den Geländern von z.B. U-Bahneingängen am Markt, was die ohnehin schon kleinen Marktflächen verkleinert. Die Standler reagieren darauf, indem sie die Fahrräder über das Geländer kippen, was oft Beschädigungen zur Folge hat.
Auch hier wäre unter dem Slogan "Let´s make Vienna great again !" ("Lasst uns Wien wieder großartig machen !" ) Überwachung ein Ansatz (um beschädigende Standler ausfindig zu machen), Parkverbotsschilder an den Geländern. Auch Beschlagnahmung der Fahrräder durch Marktamt bei gleichzeitiger Benachrichtigung per Schild, wo man sein Fahrrad (unbeschädigt mit Ausnahme des durchschnittenen Schlosses) wiederbekommen kann.
Pavel Mitkov / Hahnenkampf
(Pavel Mitkov ist ein bulgarischer Maler, der auch mit Putin, Lawrow und Päpsten auftrat, siehe Link)
D.Knoflach
D.Knoflach
D.Knoflach
Das Programm "Alpenländisches Inspektoren-Inspektorat" von Otto Grünmandl konnte ich im Internet nicht finden, stattdessen gibt es "Hansi" und "Tag der Banane":
Weitere Links:
https://de.wikipedia.org/wiki/Panslawismus
CC / CrazyPhunk https://de.wikipedia.org/wiki/Panslawismus#/media/Datei:Slavic_europe.svg
Staaten mit slawischem Mehrheitsvolk:
Hellgrün: Westslaven
Dunkelgrün: Südslawen
Grün: Ostslawen
CC / Ohff https://en.wikipedia.org/wiki/Eastern_Orthodox_Church#/media/File:Eastern_Orthodoxy_by_country.png
Anteil orthodoxer Christen an der Wohnbevölkerung:
Dunkelblau: über 75% (Rumänien, Serbien, Griechenland, Westzypern, Armenien, Montenegro)
folgende Stufen: 50-75% (Russland, Ukraine, Bulgarien, Nordmazedonien), 20-50%, 5-20%, 1-5%
Irina Bokova, erfolglose bulgarische Kandidatin zur Wahl des UNO-Generalsekretärs, vielleicht deswegen, weil Bulgaren und Bulgarinnen in großen Teilen der Welt unter Generalverdacht stehen, "zu pro-russisch" zu sein. Ein Generalverdacht, der auch zum "Weihnachtskrieg am Naschmarkt" beitragen könnte.
Schon vor der letzten Wiener Landtagswahl forderte ich eine Streichung des Überwachungsverbots aus dem Parteiprogramm der Wien-Piraten.