Weitere Schwächen in der Dissertation von Justizministerin Zadic

An der Dissertation der jetzigen österreichischen Justizministerin Alma Zadic gibt es inzwischen Kritik des Mediums Exxpress, des Plagiatsjägers Stefan Jäger und des früheren Dekans der Ludwig-Maximilian-Universität München, Manuel Theisen.

https://exxpress.at/neuer-brisanter-fund-noch-mehr-zweifel-am-doktortitel-von-zadic/

Dabei geht es hauptsächlich um die Frage, ob die wissenschaftlichen Zitierregeln eingehalten wurden, ob die Schöpfungshöhe hoch genug ist, und ob die Conclusion der Dissertation eine eigene oder eine mehr oder weniger kopierte ist.

Ich habe mich schon früher mit dieser Dissertation beschäftigt, aber aus einem anderen Blickwinkel, nämlich dem historischen.

Erstens einmal erschien mir erstaunlich, dass Zadic in dieser Arbeit den Namen des bosnischen Präsidenten Alija Izetbegovic in der ganzen Arbeit nicht erwähnt, obwohl es sich um das Thema Bosnien-Krieg 1991-1995, bzw. ICTY (internationales Kriegsverbrechentribunal für Jugoslawien) handelt.

Wie ich schon vor vielen Jahren in Blogs feststellte, war das Vorgehen des ICTY, bei dem Zadic zeitweise eine Arbeitsstelle fand, in der Frage Izetbegovic sehr problematisch: denn es gibt Hinweise darauf, dass serbische Einheiten mindestens seit dem ersten Balkankrieg 1912/1913 Kriegsverbrechen an den Muslimen begingen, um die hohen Geburtenraten der Muslime zu "korrigieren".

Und man kann vermuten, dass Izetbegovic als Kriegsteilnehmer des zweiten Weltkrieges davon wusste.

Als Präsident betrieb Izetbegovic die Politik, die er schon in seiner "Islamska Deklarazija" von 1979/1980 angekündigt hatte, die letztlich auf höhere Geburtenraten der Muslime hinauslief, nämlich u.A. die Frauen auf die traditionelle Mutterrolle zu fixieren, mit maximal geringen Ausweichmöglichkeiten auf einige wenige andere Berufe (Kindergärtnerin, Lehrerin).

D.h. obwohl Izetbegovic möglicherweise wusste, dass serbische Militäreinheiten quasi traditionell und quasi-gewohnheitsrechtlich Kriegsverbrechen an Muslimen begehen sehr wesentlich wegen der hohen Geburtenraten der Muslime, tat Izetbegovic nicht nur nichts, um diese Geburtenraten zu senken und somit einen vermueteten Kriegsverbrechensgrund zu beseitigen, sondern alles, um sie zu erhöhen und damit die Gefahr, dass die andere, serbische Seite darauf mit Kriegsverbrechen reagieren würde.

Was man als billigende Inkaufnahme von Kriegsverbrechen betrachten müsste, bzw. könnte. So gesehen hätte Izetbegovic vor dem ICTY wegen dieses Verdachts angeklagt werden müssen, was aber nicht passierte. Und genau das kann man als Fehler des Tribunals betrachten.

Unerwähnt lässt Zadic auch problematische Izetbegovic-Befehle, die laut Berichten Offiziere zu Kriegsverbrechen aufrufen, z.B. zum Erschiessen von entwaffneten Gefangenen.

Zadic erwähnt zwar andere Tribunale, wie zum Beispiel das Nürnberger wegen des Nationalsozialismus und das Tokioter wegen der Rolle Japans im zweiten Weltkrieg, sie erwähnt aber nicht die Schwächen und Problematiken derselben, beispielsweise die Tatsache, dass die Nazi-"Elite" wegen Angriffskriegs auf Polen verurteilt wurde, die Sowjet-"Elite" aber nicht, obwohl die Teilung Polens im Zusatzprotokoll zum Hitler-Stalin-Pakt, bzw. Molotow-Ribbentrop-Pakt vereinbart war.

Zadic erwähnt auch nicht, dass viele Urteile in den Tokioter Prozessen mit gravierenden dissenting opinions erfolgten, und dass in den Tokioter Urteilen auch die Westmächte/Kolonialmächte (GB, F) stark kritisiert wurden.

Das ICTY wird in Serbien stark kritisiert, auch und sehr wesentlich wegen der Frage des angeblichen "Genozids" an den bosnischen Muslimen:

damit man von Völkermord/Genozid im Sinne der Völkermordkonvention von 1948 sprechen kann, muss eine genozidale Absicht vorliegen, also die Absicht, ein anderes Volk auszurotten oder erheblich zu dezimieren.

Die Frage, ob der sogenannte "Schlächter des Balkan", Ratko Mladic, der ehemalige Oberbefehlshaber der bosnisch-serbischen Armee eine derartige genozidale Absicht (und für eine solche wurde er vom ICTY verurteilt) hatte, ist umstritten, vor allem unter serbischen Juristen scheint eher die Gegenmeinung vorzuherrschen.

Falls es die Absicht von Mladic gewesen sein sollte, die Muslime zu mehr Geburtenkontrolle zu drängen, um die Bevölkerungsverhältnisse in Bosnien konstant zu halten auf dem Niveau von 1991 (40% Muslime, 31 % Serben, 17% Kroaten; heute 51% Muslime, 24% Serben, 12% Kroaten, also geänderte Mehrheitsverhältnisse), dann wäre das sicher nicht das, was den Schaffern der Völkermordkonvention von 1948 vorschwebte: damals ging es eben um den zweiten Weltkrieg und den Nationalsozialismus, aber es erscheint problematisch, die Logiken des Nationalsozialismus auf alle anderen Konflikte der Welt zu übertragen und regionale Faktoren zu ignorieren. Bzw. es erscheint problematisch, eine Völkermordkonvention, die in Hinblick auf geburtentechnisch symmetrische Kulturen geschaffen wurde, modifikationslos auf einen asyymmetrischen Konflikt zwischen einer geburtenreichen und einer oder mehreren geburtenarmen Kulturen anzuwenden. Das wäre also eine Art clausula rebus sic stantibus angewendet auf die Konventionen.

Auch das Fehlen einer Beträchtlichkeitsgrenze in der Völkermorddefinition könnte problematisch sein: in anderen Fragen, wie beispielsweise der Parlamentsvertretung judizieren Höchstgerichte, dass bei der Vertretung eine Beträchtlichkeitsgrenze existiere, und Parteien über dieser, beispielsweise über 5%, nicht von der parlamentarischen Vertretung durch höhere Hürden ausgeschlossen werden dürfen.

Bei der Völkermorddefinition heisst es nur "ganz oder teilweise", sodass auch die Ermordung eines einzelnen Menschen als Völkermord gewertet werden könnte, ohne jede Beträchtlichkeitsgrenze. So könnte vielleicht auch einmal Israel als Völkermordstaat verurteilt werden, wegen der Tötung eines palestinensischen Mannes durch israelische Sicherheitskräfte. Aber realpolitisch kann man annehmen, dass das nur passieren würde, wenn Israel einen größeren Krieg verlöre, was es in der Vergangenheit nie tat. Die hohe Geburtenrate unter den palestinensischen Muslimen ist übrigens auch ein Grund, warum einige bzw. alle palestinensisch-israelischen Friedensverhandlungen scheiterten: wegen Befürchtung des Verlustes der jüdischen Identität Israels bei Gewährung gleicher Bürger- und Religionsrechte. So gesehen wäre die Einstufung des Geburtendschihad als Kriegsverbrechen vielleicht die effektivere und nebenwirkungsärmere Art und Weise, Konflikte zu managen.

Das Ignorieren der Geschichte und der historischen Zusammenhänge wurde vom Westen, bzw. vom Jugoslawien-Verhandler der USA, Richard Holbrooke, praktisch grundgelegt durch seinen Sager: "No historical bullshit!" Aber man kann eben kein Recht sprechen, wenn man nicht die Vorgeschichte eines Konflikts berücksichtigt.

Das Massaker von Srebrenica und Zepa im Sommer 1995 war auch der Endpunkt eines Konflikts rund um die betreffenden "UN-Schutzzonen", deren Bestimmungen allerdings von allen Seiten verletzt wurden: die bosnisch-muslimische Armee nutzte diese Schutzzonen als Aufmarschgebiet und Operationsbasis und eben aufgrund des UN-Schutzzonencharakters kaum verletzliches Rückzugsgebiet, was eine Verletzung der Entmilitarisierungsbedingung dieser Schutzzone darstellte.

Vertreibung bzw. Ermordung von Männer auf Srebrenica und Zepa kann daher auch als Racheaktion oder als Präventivaktion gesehen werden, die eben zukünftige Angriffe von vertriebenen Muslimen auf Serben/serbische Dörfer in der Umgebung verhindert sollte.

Eine Ermordung zahlreicher (männlicher) Zivilisten aus diesem Motiv heraus (Rache, Prävention) wäre sicherlich ein Kriegsverbrechen, aber eben keines mit genozidaler Absicht, sodass das Mladic-Urteil des ICTY als fragwürdig erscheint, nicht im Prinzip, aber im Detail.

Ähnlich wie bei anderen internationalen Prozessen stellt sich auch beim ICTY die Frage der "Siegerjustiz", also, ob bzw. inwieweit die Sieger eines Krieges die Verlierer dieses Krieges verurteilen und dabei double Standards, also zweierlei Maß, anlegen: ein Beispiel dafür wären die Nürnberger Prozesse, bei denen die kriegsverlierenden Nazis für Angriffskrieg auf Polen verurteilt wurden, hingegen die kriegsgewinnenden Sowjets trotz ihrer Beteiligung an genau demselben Angriffskrieg auf Polen hingegen nicht (Polen wurde zwischen Nazi-D und SU aufgeteilt, wie im Zusatzprotokoll des Hitler-Stalin-Pakts vereinbart).

Ein US-General des Zweiten Weltkriegs, Curtis LeMay, Spitzname "General Eisenarsch", sagte mal: "Wenn die USA den Weltkrieg verloren hätten, wäre ich als Kriegsverbrecher verurteilt worden".

Diese Doppelmoral ist auch deswegen so problematisch, weil "Gleiches Recht für Alle" eine der Grundlagen des Rechtsstaats ist, und eine Justiz, die dieses Prinzip "Gleiches Recht für Alle" verletzt, sehr unglaubwürdig ist, und Gefahr läuft, einen Konflikt/Krieg fortzusetzen, statt ihn zu beenden.

Eien weitere Problematik der Nürnberger bzw. Tokioter Prozesse, die Zadic unerwähnt lässt, ist, dass sie den Grundsatz "nulla poena sine legem" verletzten, also, dass niemand wegen etwas strafrechtlich verurteilt werden dürfe, das zum Tatzeitpunkt nicht unter Strafe verboten war.

Allerdings scheint "Siegerjustiz" oft doch einen - wenn auch geringen - Fortschritt darzustellen.

Und gerade den Bosnienkrieg kann man betrachten als einen, den "der Westen" (der damals in den 1990er Jahren sehr pro-kroatisch bzw. pro-bosnisch-muslimisch war) gewonnen hatte: der anfängliche militärische Vorteil der serbischen Seite durch Übernahme der jugoslawischen Volksarmee z.B., ging im Laufe der Zeit immer weiter verloren, und kroatische Kroaten und bosnische Muslime konnten im Laufe der Zeit ihre militärischen Fähigkeiten ausbauen.

Auch war der Westen (in den USA regierten damals die pro-muslimischen Demokraten) während des ganzen Krieges sehr pro-kroatisch, pro-muslimisch, anti-serbisch gewesen, und die Aussage des US-Präsidenten Clinton "The Serbs are the Wrong-Doers" ("Die Serben sind die Bösewichte" ) passt dazu.

Aber die Wahrheit ist nun einmal oft komplizierter, als die vereinfachende und unobjektive Kriegspropaganda das vermittelt.

Und diese Kriegspropaganda wirkte auch nach dem Krieg nach und beeinflusste möglicherweise auch zahlreiche Medien und Angestellte des ICTY.

Der Bosnienkrieg war auch eine Art Stellvertreterkrieg zwischen dem, was Huntington als westchristliche Kultur und ostchristliche Kultur bezeichnete: Serbien ist sowohl durch Panslawismus als auch durch Panorthodoxie mut Russland verbunden, und Russland unterstützte oft, z.B. diplomatisch und mit UN-Sicherheitsratsveto die serbische Seite. So gesehen ist der Bosnienkrieg wohl auch in einem größeren geopolitischen Kontext zu sehen, und möglicherweise eine Mitursache für heutige Konflikte mit Russland.

Zurück zur Dissertation der Justizministerin Zadic: die Conclusion " jurisdictional relationships between domestic and international courts and actors are can explain the influence of international criminal tribunals on national

institutions" kann man als fehlerhaftes "are can"-Quasi-Kopieren der Aussage des von ihr, allerdings nicht in diesem Zusammenhang ausgewiesenen zitierten Burke-White sehen, man kann sie aber auch als ziemlich nichtssagend und tautologisch sehen: die Rechts-Beziehungen zwischen nationaler und internationaler Ebene erklären ja per definitionem den Einfluss internationaler Tribunale auf nationale Institutionen.

Allerdings bleibt bei diesen vagen, bis nichtssagenden Aussage die genaue Art dieses Einflusses unerwähnt: ist das nun eine faire internationale Gerichtsbarkeit, die einen befriedenden und rechtsstaatsstärkenden Effekt auf die nationale Gerichtsbarkeit hat, oder soll das nun bedeuten, dass eine unfaire internationale Gerichtsbarkeit einen negativen, brutalisierenden und rechtsstaatsschwächenden Einfluss auf nationale Gerichtsbarkeit hat ?

Mir ist schon früher bei anderen akademischen Arbeiten von Musliminnen aufgefallen, dass hier oft ein seltsamer Trend zu Vageheit besteht und dass diese Vageheit und oftmalige Doppeldeutigkeit auch ein Ausdruck der schlechten Stellung der Frau in der muslimischen Gemeinde sein kann. Viele muslimische Studentinnen sind äußerst strebsam, auch deswegen, weil der akademische Grad für die muslimische Frau oft die einzige Fluchtmöglichkeit aus einer frauenfeindlichen, islamischen Gesellschaft ist. Man kann annehmen, dass für Frauen aus muslimischen Milieus allgemein etwas niedrigere Standards bei der Bewertung wissenschaftlicher Arbeiten herrschen, weil der akademische Grad in diesem Fall extrem wichtig ist, um der patriarchalen Gesellschaft entfliehen zu können.

Mit anderen Worten: Standards, die wir aus unserer aufgeklärten, emanzipierten Welt gewohnt sind, darf man bei anderen Leuten, insbesondere Frauen aus muslimischen Kulturen wohl nicht erwarten. Und es erscheint vertretbar, bei ihnen andere Standards zur Bewertung wissenschaftlicher Arbeiten zu verwenden, ebenso wie wir bei der Bewertung von Handlungen in ferner Vergangenheit oder in völlig anderen, totalitäreren Systemen andere Bewertungsmaßstäbe verwenden.

Allerdings handelt es sich hier um eine Doktorarbeit, und Zadic hatte schon vorher einen Magistergrad, der sie unabhängig machte. Und sie war mit 33 Jahren im Jahr 2017 auch nicht mehr so jung, dass man große jugendbedingte Erfahrungsmängel unbedingt gelten lassen müsste.

Vielleicht ist auch die Flucht in die nichtssagende Floskel ein Ausdruck des Bewusstseins, dass die eigene Arbeit oder die Arbeit des ICTY (für das Zadic arbeitete), ganz fürchterlich falsch laufen könnte.

Die Flucht in die nichtssagende Floskel wäre so gesehen möglicherweise indirekt eine eigene, versteckte Conclusion.

Quellen:

https://exxpress.at/neuer-brisanter-fund-noch-mehr-zweifel-am-doktortitel-von-zadic/

https://phaidra.univie.ac.at/open/o:1340426

P.S.: ich habe diesen Text mehr oder weniger auf die Schnelle hingeschrieben, ohne die Zeit zu haben, die Details zu überprüfen und die Link zu machen die ich normalerweise mache. Aber der Zeitdruck und die Veröffentlichungen durch Andere zu einem ähnlichen Thema üben Veröffentlichungsdruck aus. Aus einem ähnlichen Grund habe ich mir auch die südslawischen Sonderzeichen erspart, die noch dazu in so manchem Browser Probleme machen.

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