Es ist leicht, von den Anderen zu fordern, sie sollen Frieden schliessen, aber es ist schon schwerer, die Bedingungen und Wünsche von Kriegsparteien zu erfüllen.
Eine der zentralen und verständlichen Forderungen von Ukraine-Präsident Selenskij, oder auch anderen ukrainischen Politikern und Militärs ist die nach Sicherheitsgarantien.
Was in der Lage der Ukraine, unmittelbar benachbart zu einem hochgerüsteten Gegner wie Putin-Russland, schwierig ist, weil Putin scheinbar eine ähnlich-sprachige Demokratie in unmittelbarer Nachbarschaft als eine Bedrohung des putinistischen Herrschaftssystems in Russland betrachtet.
Und abgesehen von der Frage, welche Sicherheitsgarantien die USA oder die EU beibringen könnte, stellt sich auch die Frage, welche Sicherheitsgarantien Österreich beibringen könnte.
Wobei das mit den Sicherheitsgarantien eine heikle Sache ist: bereits das Budapest-Memorandum von 1993 sah "Sicherheitszusagen" vor, die allerdings unspezifiziert blieben, ebenso wie der Begriff der "Sicherheitszusage" ein neuer Begriff im Völkerrecht war, der sich von der "Sicherheitsgarantie" unterschied. Normalerweise versteht man unter dem Begriff der Sicherheitsgarantie eine Verpflichtung, einem angegriffenen Land Beistand zu leisten und dem Aggressor den Krieg zu erklären, so wie Großbritannien und Frankreich 1939 Nazideutschland den Krieg erklärten, weil dieses Polen überfallen hatte.
Allgemein ist die Forderung, bzw. der Wunsch nach Sicherheitsgarantien durchaus verständlich, weil die Ukraine eben so eine Art Pufferstaat ist, und weil sie sich quasi als Frontstaat opfert, und dadurch die putinistischen Armeen bindet, und verhindert, dass Putin z.B. die baltischen Staaten, die EU-Mitglieder sind, angreift, die ähnliche russisch-stämmige Minderheiten haben, wie die Ukraine das hatte. Dass die Estin Kaja Kallas im Dezember 2024 EU-Außenbeauftragte wurde, ist auch und sehr wesentlich vor diesem Hintergund zu sehen.
Wenn die Ukraine Putin stoppt, dann kann er eben nicht weitere europäische Länder überfallen. So gesehen sind Sicherheitsgarantien für die Ukraine auch eine Art Selbstschutz von EU und NATO. So gesehen ist eben die Ukraine eine Art vorgelagerter Schutzstaat.
Es ist also keineswegs so, wie Populisten und Nationalisten behaupten, dass eine Hilfe für die Ukraine oder Sicherheitsgarantien für die Ukraine reine Geldverschwendung für das Ausland wären, von denen EU-Staaten nichts hätten.
Die Hilfspakete, die jetzt geschnürt werden, auch um die Ukraine in eine bessere Verhandlungsposition in Hinsicht auf eine etwaige Waffenruhe, bzw. einen etwaigen Frieden zu bringen, nutzen keineswegs nur der Ukraine, sondern auch den Geberländern.
Eine Variante, die Selenskij oder andere ukrainische Politiker und Militärs ins Spiel brachten, waren Atomwaffen. Die Ukraine hatte vor dem Budapester Memorandum von 1993 derartige Atomwaffen aus Alt-Sowjetunionsbeständen bereits, wie eingeschränkt die Verwendungsmöglichkeit auch immer gewesen sein mag.
Eben diese Möglichkeit, die Selenskij ins Spiel brachte, wird von der putin-russischen Propaganda ausgeschlachtet, als Kriegsgefahr oder Weltkriegsgefahr dargestellt, in Verschweigung der Tatsache, dass Russland auf jeden Fall die größere Atomkriegsgefahr bliebe, weil das putin-russische Atomwaffenarsenal mit 7000 Atomraketen viel größer ist, als die ca. 10, die Selenskij vorschwebten.
Andere Varianten wären die Bereitschaft zu Militärhilfen, der Einsatz von Friedenstruppen, die einen Puffer zwischen ukrainischer Armee und russischer Armee bilden, oder Ähnliches. Gerade was diese Stellung von Puffertruppen im beiderseitigen Konsens betrifft, hatte Österreich eine gewisse Erfahrung mit seinen Einsätzen von österreichischen Soldaten im Rahmen von UNO-Missionen, wie zum Beispiel in Zypern oder auf den Golan-Höhen.
Das sind wie gesagt, leicht bewaffnete friedenserhaltende Truppen, die eine Grenzzone kontrollieren, und ein direktes Aufeinanderprallen der beiden ehemaligen Kriegsparteien verhindern sollen. Das wären keine friedensschaffenden Truppen, also keine Truppen, die gegen eine oder beide Kriegsparteien eine Kontrolle herzustellen versuchen.
Auf jeden Fall ändert sich an der Grundsituation nur wenig. Das Putin-System bleibt erhalten, und auch sein dem westlichen Modell stark widersprechender Charakter, der auch in Zukunft eine gewisse Kriegsgefahr mit sich bringen wird, so wie es das in der Vergangenheit tat.
Putin hat ja seit dem Jahr 2000 die Macht in Russland in seiner Person zentralisiert, und Russland entdemokratisiert, und dieser Systemekonflikt bleibt bestehen. Völlig egal, wie ein möglicherweise sehr brüchiger und wackeliger Frieden aussieht. Es ist oftmals so, dass sogenannte "Friedensverträge" keinen wirklichen Frieden bringen, sondern nur eine Atempause, eine repair&refit-Phase, eine Reparatur&Erholungsphase für den nächsten Krieg sind.
Trotzdem: ich habe bereits lange vor dem Ukraine-Krieg gemeint, Putin könne ein fürchtlicher unangenehmer Gegner sei. Ich fand die Einschätzung im Westen, der Westen können einen etwaigen Krieg gegen Russland leicht gewinnen, weil das Bruttosozialprodukt des Westen zwanzigmal so groß ist wie das russische, leichtfertig, überheblich und riskant.
Ich schätze Diktaturen als wesentlich kriegsfähiger ein als Demokratieen, und ich habe diese "Post-Heroismus"-Theorien, also dass westliche Gesellschaft wegen des Wohlstands, wegen ihrer Kinderarmut, wegen der Anhänglichkeit am einzigen Sohn oft extrem kriegsablehnend und extrem kriegsunfähig sind, sehr ernst genommen.
Die relative Armut in Russland kann in Wirklichkeit ein Kriegsvorteil sein, weil arme Leute eher bereit sind, für Geld und Sold zu töten und zu sterben, als reiche, meinte ich damals.