Die Tatsache, dass Seyran Ates eine Reform-Moschee gründete, was den vorhersehbaren Shitstorm an Fatwas und Verurteilungen nach sich zieht, wirft die Frage nach Erfolgschancen, Alternativen und Konesequenzen auf:

Erstens einmal führen Religionsreformen sehr oft zu Religionskriegen, wie z.B. der dreissigjährige Krieg 1618 bis 1648 zeigt.

Was für friedliche humane Ziele Reformer am Anfang auch immer haben mögen, um überleben zu können, haben sie im Laufe der Kirchenspaltung oft gar keine andere Wahl, als sich aktiv am Religionskrieg zu beteiligen.

Und es stellt sich der Frage, ob der Islam ein System a la Sowjetunion oder Jugoslawien ist: unreformierbar, und jeder Versuch der Reform kann nur in Blutbad und Untergang enden.

Nun bin ich auch Dschihad-Opfer und der Islam hat mein Leben ziemlich zerstört, sodaß mir die Möglichkeit, zum Islam zu konvertieren, Imam zu werden und einen Reformversuch zu machen, prinzipiell versperrt ist, was man als Verletzung der Religionsfreiheit betrachten kann.

Aber da ich mich für Religionsgeschichte interessiere, ein Was-Wäre-Wenn-Szenario:

Wenn ich Seyran Ates wäre, dann würde ich es vielleicht eher folgendermaßen anlegen:

Theologiestudium absolvieren okay.

Aber dann keine Moschee gründen, sondern ein Buch schreiben mit dem Titel "Der bessere Koran", aus dem alle problematischen Passagen entfernt sind (hinterher bleibt wohl nur mehr wenig übrig), also die Gewaltpassagen, die Ackersure, die Passagen, die sich nur an die Männer richten, die Passagen, in denen z.B. Söhne das Doppelte Erbrecht von Töchtern haben, die Polygyniepassagen (zwischen Polygynie und Krieg besteht ja ein Zusammenhang).

Genauso wie Martin Luther das Kapitel Jesus Sirach aus der Bibel entfernte und als Apokryph, also bedeutend, aber nicht bibelwürdig einstufte.

Die heutige Zeit ist eine völlig andere als Zeit der christlichen Religionsspaltungen:

damals war praktisch nur katholische und protestantische Kirche Möglichkeiten, zwischen denen man wechseln kann.

Der heutige Religionsmarkt ist viel pluralistischer: eben wegen der Klarheit, wegen des Zusammenpassens von Praxis und Schrift würde ein Islam, egal, wie reformiert oder unreformiert bei Beibehaltung des Koran möglicherweise völlig in Richtung andere Religionen ausrinnen, sei es nun Bahai oder Christentum oderoderoder .....

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Dieter Knoflach

Dieter Knoflach bewertete diesen Eintrag 22.06.2017 17:39:43

Margaretha G

Margaretha G bewertete diesen Eintrag 22.06.2017 14:02:27

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