...würde ich den FPÖ-Koalitionsverbotsbeschluss aufheben (der Koalitionen mit der FPÖ auf allen Ebenen verbietet und den Rendi-Wagner dadurch verschärfte, dass sie ultimativ und föderalismuswidrig die Beendigung aller SPÖ-FPÖ-Koalitionen auf Landes- und Gemeindeebene forderte), und als eine der Koalitionsmindestbedingungen mit der FPÖ festzurren, dass sie das Quotientenwahlsystem übernehmen muss, d.h. dass bei der FPÖ der Anteil der weiblichen Abgeordneten und weiblichen Regierungsmitgliedern auf Bundesebene möglichst deckungsgleich mit dem Anteil der weiblichen Wähler sein muss. Derzeit ist die FPÖ die Partei mit der größten Überrepräsentation der Männer (also 16% Frauenanteil unter Abgeordneten bei ca. 35% Frauenanteil unter den Wählern), sehr wesentlich wegen den Burschenschaften und den vielen Mandaten, die sie innehaben.
Mit der Aufhebung dieses Koalitionsverbotsbeschlusses wäre auch die kuriose Situation, dass die burgenländische SPÖ (schon unter Niessl, aber fortgesetzt durch Doskozil) wegen der dortigen Koalition mit der FPÖ gegen diesen Bundesparteitagsbeschluss verstösst, aus der Welt geschafft.
Laut neuesten Umfragen stürzt die SPÖ mit Rendi-Wagner total ab, verliert sechs Prozent und droht unter die 20%-Marke zu sinken.
Alle Klassiker der Realpolitik (von Castlereagh über Talleyrand, z.B. beim Wiener Kongress von 1815) sagten: "Es gibt in der Politik keine permanenten Freunde und keine permanenten Feinde. Es gibt nur permanente Interessen". Und dasselbe gilt auch für die FPÖ. So problematisch Einzelaspekte sein mögen, so bleibt sie doch potenzieller Verbündeter in manchen Fragen, beispielsweise der Verhinderung von ÖVP-Allmacht.
Hingegen steuert das Land auf eine ÖVP-Alleinregierung zu, mit den NEOS (Strolz und Meinl-Reisinger waren früher bei der ÖVP) als ÖVP-Filiale und Mehrheitsbeschaffer. 38% ÖVP und 10% NEOS könnte für eine Koalition und eine absolute Mandatsmehrheit reichen.
Und das, nachdem die ÖVP seit 1986 sowieso unumgänglich ist bei der Regierungsbildung und seit 1986 ununterbrochen Teil der Regierung ist, entweder als dominanter Partner (wie die 42%-Schüssel-ÖVP nach 2002 mit der kleinen FPÖ von 10%) oder als gleichberechtigter oder privilegierter Großkoalitionär (Weil die ÖVP mehrere Optionen auf Regierungsbildung hatte, die SPÖ hingegen nur eine, die mit der ÖVP, hat die ÖVP seit vielen Jahrzehnten eine extrem starke Verhandlungsposition bei Regierungsbildungsverhandlungen, sodass de facto die SPÖ jedes mal ein ÖVP-Diktat annehmen musste, das sie beschädigte).
Österreich ist das einzige Land in Westeuropa, in dem es in den letzten 35 Jahren keine einzige rot-grüne Mehrheit und keine einzige rot-grüne Koalition gab.
Und so wie´s aussieht, dürfte das so bleiben.
Das SPÖ-Konzept, alles beizubehalten, auch das Falsche (zum Beispiel den Wiener Zentralismus), nur ein Frauengesicht als führendes Gesicht zu präsentieren, scheint eine völlige Katastrophe zu werden, die nur die ÖVP-Allmacht in diesem Land zementiert.
Der frühere ÖVP-Wien-Chef Johannes Hahn, der heute durchaus verdienstvoller EU-Kommissar für Regionalentwicklung und Erweiterung ist, sagte vor langer Zeit: "Demokratischer Wechsel gehört zur Demokratie". Gemeint hat er damit das rote Wien; und weil Österreich auf Bundesebene seit ewigen Zeiten ÖVP-regiert ist, ist hier längst schon ein normal-demokratischer Wechsel fällig.
Bezüglich des Misstrauensantrag gegen die "ÖVP-Regierung mit Experten" für die kurze Übergangsperiode hin zu vorgezogenen Neuwahlen (denen ich im Übrigen kritisch gegenüberstehe), hätte ich es den einzelnen Abgeordneten freigestellt, ob sie dafür oder dagegen stimmen. Wie ich generell dem Clubzwang kritisch gegenüberstehe.
Schon Lord John Acton sagte: "Macht tendiert dazu, zu korrumpieren und absolute Macht tendiert dazu, absolut zu korrumpieren, so gesehen ist die ÖVP wegen ihrer Allmacht die Partei mit der größten Korruptionstendenz.
Er war Historiker und meinte damit die katholische Kirche, bzw. die Allmachtsposition des Papstes nach dem päpstlichen Unfehlbarkeitsdogma nach dem ersten Vatikanum, aber die ÖVP ist die Partei in Österreich, die dem Katholizismus am nächsten steht.
CC / z.g. https://acton.org/pub/religion-liberty?id=75 ? https://de.wikipedia.org/wiki/John_Emerich_Edward_Dalberg-Acton,_1._Baron_Acton#/media/File:Lord_Emerich_Edward_Dalberg_Acton.jpg
Er meinte zwar nicht die ÖVP, als er sagte: "Absolute Macht tendiert dazu, absolut zu korrumpieren" (die ÖVP gab es damals noch gar nicht), aber er hätte die ÖVP meinen können, die derzeit in Österreich allmächtig ist.
Eine SPÖ-FPÖ-Koalition entspräche auch der Theorie des Politikwissenschafters William H. Riker, der in seinem Buch "A Theory of Political Coalitions" aus dem Jahr 1962 meinte, am wahrscheinlichsten seien minimum-winning coalitions, also Koalitionen, die das Minimum, also knapp mehr als die nötigen 50% der Mandate haben.
Die SPÖ erreichte bei der letzten Nationalratswahl 26.9%, die FPÖ 26,0% der Stimmen. Mit zusammen 52.9% wäre eine rot-blaue Koalition genau die minimum-winning coalition gewesen, deren Bildung Riker als am wahrscheinlichsten vorhergesagt hatte und die sich auch empirisch am wahrscheinlichsten bildet in normalen Demokratien, zu denen Österreich möglicherweise nicht gezählt werden kann.
Alle Politikwissenschafter (von denen es in der SPÖ etliche gibt), müssten dieses Buch und diese Theorie eigentlich kennen, weil es zu den Standardwerken der Politikwissenschaft zählt und an der Universität gelehrt wird.
Dass diese Politikwissenschafter, egal, ob sie nun in Medien oder Politik tätig sind, nichts darüber sagen oder schreiben, bestätigt auch, welche abnormale Demokratie Österreich ist.
Zur "anomalous Austria"-Theorie gehört auch die hohe Neigung zu großen Koalitionen, also SPÖ-ÖVP-Koalitionen oder umgekehrt ÖVP-SPÖ-Koalitionen.
Eine rot-blaue Koalition des Zweitstimmenstärksten und des Drittstimmenstärksten gegen den Stimmenstärksten wäre auch eine Art Revanche für Schüssels Coup gewesen, der genau das im Jahr 2000 gemacht hatte.
Eine solche Zusammenarbeit kann natürlich auch in der Art einer SPÖ-Minderheitsregierung mit FPÖ-Unterstützung erfolgen, so ähnlich wie im Jahr 1970/1971, als Kreisky und Peter eine genau solche Zusammenarbeit vereinbarten, die de facto eine SPÖ-FPÖ-Koalition ohne FPÖ-Minister war.
Die SPÖ steht, egal, ob sie und ihr nahestehende Journalisten das zugeben bzw. erkennen, möglicherweise vor der selben "crucial decision", richtungsweisenden Entscheidung, ob sie Rot-Blau machen will, oder zur bedeutungsarmen mehrheitsbeschaffenden Kleinpartei für die ÖVP herabsinken will, ähnlich wie die ÖVP im Jahr 1999/2000 vor einer ähnlichen Situation stand.
Und dieses Jahr ist vielleicht das letzte, in der diese Entscheidungsmöglichkeit für die SPÖ noch besteht.
Zum Euronews-Video, das den SPÖ-Misstrauensantrag gegen die ÖVP-Übergangsregierung zum Thema hatte: dieser war eigentlich völlig überflüssig, weil Pilz schon vorher einen derartigen eingebracht hatte. So gesehen versuchte die SPÖ damit wählerwanderungstaktisch, der Liste Pilz, die ohnehin praktisch keine Wähler hat, Wähler wegzunehmen.
Hingegen hätte eine Aufhebung des SPÖ-Clubzwangs für ebendiese Abstimmung eine wirkliche Innovation, einen Epochenbruch im österreichischen Parlamentarismus bedeutet.
Eine Chance, die die SPÖ wie so viele davor verspielte.
Eine Alternative dazu (zur Föderalisierung der SPÖ) wäre natürlich eine Spaltung der SPÖ in zwei oder mehrere Parteien, vielleicht nach regionalistischen Kriterien, eine am roten Wien orientierte Partei (die vielleicht sehr pro-muslimisch ist) und eine eher an den Bundesländern orientierte Partei (die vielleicht eher religionenkritisch und damit auch islamkritisch ist).