In der Verfassung heisst es ja, Österreich sei ein Bundesstaat, gebildet aus Ländern mit hoher Eigenständigkeit.
Rein theoretisch, doch wie so vieles ist auch der Föderalismus in Österreich nur Formalverfassung, aber nicht Realverfassung.
Genauswenig, wie es das in der Verfassung vorgeschriebene "freie Mandat" gibt, genausowenig gibt es anscheinend den Föderalismus.
Ein Aspekt des Föderalismus besteht darin, dass sich auf Landesebene oder Gemeindeebene Regierungen bilden dürfen unabhängig von dem, was die Wiener Zentrale sich so wünscht und denkt und vorstellt.
Aber es stellt sich schon die Frage, wieweit das tatsächliche gelebte Realtiät ist und wieweit Illusion:
Bereits in den 1990er Jahren gab es Turbulenzen in der ÖVP, als der Kärntner Landesparteiorganisation (damals unter Zernatto) mit dem "Gottseibeiuns" der damaligen Tage, Jörg Haider, und seiner damaligen FPÖ, eine Koalition auf Landesebene bildete, die kurz danach auf Druck der Wiener Zentrale (damals geführt von Busek, der gerade in einer rot-schwarzen Koalition war) wieder gekündigt werden musste, unter einer relativ fragwürdigen Berufung auf clausula-rebus-sic-stantibus, so wäre die Geschäftsgrundlage dieser Koalitionsvereinbarung gewesen, dass die Wiener Zentrale das akzeptiert.
Vielleicht noch mehr als die ÖVP sind SPÖ (Rendi-Wagner forderte die Auflösung zahlreicher Koalitionen auf Landes- und Gemeindeebene, was in einem gewissen Widerspruch zum Verfassungsprinzip des Föderalismus steht; für sie als Wienerin besonders pikant) und Grüne die Großmeister in Sachen Föderalismusaufhebung in Koalitionsfragen.
Der SPÖ-Bundesparteitagsbeschluss, auf keiner Ebene (weder Bund noch Land noch Gemeinde) mit der FPÖ zu koalieren, war der Inbegriff des Antiföderalismus und eine substanzielle Einschränkung der Handlungsfreiheit der einzelnen Länder.
Und beschlossen wurde dieser nur aufgrund des Druckes der Wiener Landesorganisation und des damaligen Bürgermeisters Michael Häupl, der ja in Wirklichkeit so eine Art SPÖ-Bundesparteivorsitzender ohne formale Befugnis dazu war (einer seiner angeblichen Sprüche soll gewesen sein "Es ist egal, wer unter mir Kanzler und SPÖ-Vorsitzender ist" ).
Und die Wiener SPÖ konnte diesen Beschluss fassen, weil sie anders als viele Landesparteiorganisationen oder Gemeindeparteiorganisationen noch zahlreiche andere Koalitionsoptionen hatte, mit der ÖVP, mit den Grünen, mit den NEOS.
Diese komfortable Situation hatte die Burgenländische SP-Landesparteiorganisation nicht, daher war der damalige Landeshauptmann und Landesparteivorsitzende Niessl praktisch gewzungen, um nicht völlig der ÖVP ausgeliefert zu sein, mit der FPÖ zu koalieren, was gerade im Burgenland große Tradition hat, weil es dort schon in der ersten Republik rot-blaue, bzw. blau-rote Koalitionen gegeben hatte, wie z.B. Walheim-Leser.
So gesehen ist natürlich Niessl (und auch sein Nachfolger Doskozil) der Retter (oder zeitweilige Retter) des Inner-SP-Föderalismus.
Sich selbst zum antifaschistischen Heroen zu stilisieren, indem man eine durchaus problematische Partei zum nationalsozialistischen Wiedergänger erklärt, mit dem man auf keiner Ebene koalieren könne, hat aber zahlreiche Kollateralschäden, oder - falls es beabsichtigt gewesen sein sollte - absichtliche Schäden:
wenn die FPÖ zum Faschistischen Feindbild stilisiert wird,
.) dann können die Parteien, die das tun, inkompetenter und korrupter werden, ohne dass das sonderlich auffiele.
.) dann wird ein Haufen Zeit und Geld und Medienaufmerksamkeit für die Debatte verwendet, ob denn nun die FPÖ nationalsozialistisch sei, ob man sie verbieten könne oder solle, etc. Und diese Zeit und Medienaufmerksamkeit fehlt dann naturgemäß für andere Fragen, die genauso wichtig oder wichtiger sind.
.) dann werden zahlreiche linksextreme Gruppen plötzlich salonfähig, weil sie trotz Mängeln eines sind, antifaschistisch. Und diese Dämonisierung und Beschwörung des angeblichen Faschismus dient bzw. führt in Österreich auch immer dazu, die in der Linken schwelenden Konflikt zwischen Pro-Kapitalisten und Antikapitalisten zu unterdrücken, allerdings mit der Folge, dass dieser Konflikt nie ausgetragen und gelöst wird, sondern permanent schwelt, weil man ja abgeblich Geschlossenheit brauche gegen den gemeinsamen Feind.
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Die Bekämpfung des Nationalsozialismus erfordere die Aufhebung aller unserer demokratischen und verfassungsrechtlichen Spielregeln wie Föderalismus, Bundesstaatlichkeit und freies Mandat - oder doch nicht ?