Zum Wesen der Demokratie gehört auch die Gewaltenteilung, dass Exekutive, Legislative und Judikative (also Gesetzesanwendung, Gesetzesbeschliessung und Gesetzeskontrolle) in unterschiedlichen Händen liegen.

Die Übergangsregierung, die der möglicherweise wegen §263 StGB illegal gewählte Präsident Van der Bellen (bei der Präsidentenwahl 2017 führten weit danebenliegende Umfragen die taktisch-Wählenden in die Irre, was möglicherweise der ausschlaggebende Grund war, warum Griss die Stichwahl verfehlte und Van der Bellen erfolgreich war) enthält zahlreiche ehemalige Richterinnen und Richter, von der Kanzlerin Bierlein bis hin zum Justizminister Jabloner.

Jetzt kann man sagen, es sei eh nur eine Übergangsregierung, also sei wurscht, ob sie gewaltenteilungswidrig ist oder nicht; ob sie in Summe gesehen eine demokratiepolitisch-problematische Machtkonzentration in der Händen einer kleinen Gruppe, nämlich der Richterschaft darstellt.

Aber eine Gesetzwidrigkeit wird nicht dadurch legal, dass sie nur kurz dauert.

Zudem gibt es weitere Kriterien, anhand derer man Gründe festmachen kann, warum die Regierung nicht mit dem relativ einheitlichen Jubel begrüßt werden sollte, mit dem sie begrüßt wird.

Richter und Richterinnen sind Experten in der Rechtsanwendung, aber vielleicht nicht in der Rechtserzeugung.

Und sie sind oft auch keine Experten für Geschichte, obwohl historische Kenntnisse gerade in dieser politischen Situation von Bedeutung sein könnten, auch wenn keines der auf Tagesakualität fixierten Medien das zu erkennen vermag.

Zum Zeitpunkt der Verfassungsentstehung (im Jahr 1919) gab es mehr oder weniger ein Zweilagersystem. Die lagerbindung war sehr hoch und Wechselwähler, die einmal diese SP, andermal der Christlich-Sozialen wählten, gab es im Unterschied zu heute, nicht.

Heute entstehen für Parteien wegen des hohen Wechselwähleranteils Zwänge, die damals zur Zeit der Verfassungsgebung undenkbar waren: dass zum beispiel eine Partei wie die ÖVP eine Koalition mit der FPÖ sprengen muss, um bei Wahlen Chancen zu haben, um zu verhindern, dass die Wechselwähler der Mitte sie wegen der Koalition mit der FPÖ bzw. wegen des schlechten Rufes der FPÖ verlassen, wäre damals unvorstellbar gewesen.

Ich kann mich nicht erinnern, von einem der Verfassungsrichter und -innen oder von einem anderen Höchstrichter gehört zu haben, dass die Verfassung obsolet (clausula-rebus-sic-stantibus) sein könnte, weil sich die Umstände seither gravierend geändert haben, weil eben die Verfassungsväter sich nicht vorstellen konnten, dass einmal in 100 Jahren so große Wechselwähleranteile existieren würden, dass sie eine möglicherweise oder wahrscheinlich völlig andere Verfassung beschlossen hätten, wenn sie die heutigen Umstände gekannt hätten.

(das sind übrigens zwei der Kriterien für clausula-rebus-sic-stantibus-Obsoletheit: die Änderungen der Grundlagen des Beschlusses müssen erstens gravierend und zweitens von der Beschliessern unvorhergesehen gewesen sein)

Auch Präsident Van der Bellen berief sich oft auf die Verfassung und betrachtete sich nicht kritisch in Hinblick auf ihre Zeitgebundenheit, vielleicht deswegen, weil er seine Machtausübung und den parteipolitischen Drall dieser Machtausübung besser verbergen kann, wenn er gebetsmühlenhaft betont, er handle ja völlig im Rahmen der Verfassung.

Der frühere Verwaltungsgerichtshofspräsident Clemens Jabloner ist ein relativ radikaler FPÖ-Gegner, der auch Peter Sichrovsky schwere Vorwürfe machte, nachdem dieser sich dazu entschlossen hatte, ein FPÖ-Mandat anzunehmen.

Jabloners Formulierung lautete damals: "Wie können Sie uns das antun ?"

Es blieb damit offen, was er mit "uns" meinte, aber man kann mutmaßen, dass er "uns Juden" meinte; denn sowohl Jabloner wie auch Sichrovksy sind Juden.

Falls er das gemeint haben sollte, so erscheint das relativ problematisch, weil damit eine anti-individualistische Position einhergehen könnte: Juden dürfen eben nicht Mandate von der FPÖ annehmen, auch nicht, um gegen übertriebene Gedenkpolitik und ihren parteipolitischen Mißbrauch zu demonstrieren, sondern sie müssen sich dem unterwerfen, was die Israelitische Kultusgemeinde, bzw. der Staat Israel beschliesst, nämlich keine offiziellen Beiehungen zur FPÖ zu haben.

Mit dieser Vorgabe werden natürlich Gerüchte rund um etwas, was man vielleicht als "jüdische Verschwörung" bezeichnen könnte, absichtlich oder unabsichtlich befeuert.

Aber zurück zur Gewaltenteilung: zahlreiche Politikwissenschafter betrachteten die Verbeamtung von Parlament und Politik in Österreich kritisch: weil in Österreich Beamten die mit Abstand besten Rückkehrrechte nach politischer Tätigkeit haben, und weil in Österreich anders als in der Schweiz keine Barrieren existieren, um zu verhindern, dass Beamte gewaltenteilungswidrig in die Legislative eindringen, besteht in Österreich en Missverhältnis und ein Konflikt zwischen Beamtentum und Normalbürgerschaft, die auch einer der Gründe für die Wahlerfolge der FPÖ ist, die eine Partei des "freien Sektors" ist, mit einem geringen Anteil an Beamten unter der Wählerschaft.

Ein Gegenpol dazu ist z.B. Präsident van der Bellen selbst, der beamteter Universitätsprofessor ist und daher als solche Partei; dass er nun Gleichartige seine Regierung dominieren läßt und Nicht-Beamten vergleichsweise schlechte Chancen auf Regierungsaämter gibt, kann der FPÖ bei der kommenden Wahl durchaus zu einem Wahlerfolg verhelfen.

Die Tendenz zum undemokratischen Ricterstaat oder Bematenstaat hat in Östererich durchaus Tradition: schon Rene Marcic, selbst Richter, schrieb ein Buch mit dem Titel "Der Richterstaat", in dem er die These vertrat, die Rolle des Politikers bewege sich immer mehr auf die Rolle des Richters zu, was auch bedeutet oder bedeuten kann, dass Politiker im eigentlich Sinne schädlich seien und am besten nur Richter politische Funktionen ausäüben sollen.

Aber Richter sind in vielerlei Hinsicht absolut unrepräsentativ für die Bevölkerung: sie sind überdurchschnittlich gut bezahlt, über durchschnittlich gut vernetzt.

Der Richterstaat, in dem Menschen mit geringerer "Bildung" bzw. geringerem Einkommen Politik praktisch verwehrt ist, hat so gesehen natürlich etwas undemokratisches.

"Hauptsache, Frau", dann braucht man nicht darüber zu diskutieren, ob ein Verstoss gegen die Gewaltenteilung vorliegt, wenn eine ehemalige Höchstrichterin (also Vertreterin der Judikative) zur Chefin der Exekutive erklärt wird.

Die Erstmaligkeit einer weiblichen Kanzlerin (die als solche durchaus positiv ist) führt zuammen mit Lobhudelei und völliger Kritiklosigkeit der Medien dazu, dass eine Debatte über die Gewaltenteilungsverstoss-Problematik unterbleibt.

Eine weitere Problamtik besteht in der Verweinerung dieser Bundesregierung, die man als problamtisch in Hinblick auf das Bundesstaatliche Prinzip sehen kann. Statt einer Regierung, die einigermassen repräsentativ ist für alle österreichischen Berufe und Länder, eine Regierung der Wiener Beamten !

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