Er gilt in Österreich als eine Art unkritisierbarer Nationalheld: der achtfache Alpinskiweltcupsieger Marcel Hirscher.
In einem Krone-Interview sprach sich "unser" unkritisierbarer Halbgott für eine lebenslange Sperre von Dopern aus.
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Alle Medien und sowohl rechte Sportminister und Vizekanzler als auch linke Bundespräsidenten kriechen Marcel Hirscher in den Arxxx bzw. stehen ihm äußerst wohlwollend gegenüber.
Allerdings bezeichnet Van der Bellen Hirscher als "Teufelskerl", was in der Tat eine doppeldeutige Formulierung ist, die sowohl höchstes Lob als auch schärfste Kritik bedeuten kann.
Und Hirschers Forderung nach einer lebenslänglichen Sperre hat tatsächlich viele "teuflische" Aspekte:
1.) diese Idee widerspricht der Resozialisierungsidee, der Idee, dass (fast) jeder eine weitere Chance verdient, insbesondere der Ersttäter eine zweite Chance. So gesehen wäre auch "Lebenslänglich für Wiederholungstäter" oder "Lebenslänglich für Dreifachtäter" eine Option.
2.) diese Idee lenkt ab von anderen Aspekten: beispielsweise der Bezahlung und ihrem Einfluss auf das Doping.
Das Doping im Spitzensport ist deswegen so verbreitet, weil der erste (also oft Hirscher) das mit Abstand größte Preisgeld abkassiert und dem Zehnten nur "Peanuts", Erdnüsse bleiben, auch wenn er genauso hart trainiert und genau denselben Zeitaufwand hat wie Hirscher.
3.) Die Idee ähnelt der lebenslänglichen Haftstrafe, die von Vielen als problematisch eingestuft wird.
Wenn das Doping auf andere als die von Hirscher vorgeschlagene Art bekämpft würde, nämlich durch Umstellung des Prämiensystems in Richtung mehr Gleichheit zwischen Erstem und Zehnten, dann wäre der große Verlierer Marcel Hirscher.
Und genau das ist möglicherweise der Grund, warum Hirscher jetzt die "Lösung" der lebenslangen Sperre anstrebt und vorschlägt, um die Debatte umzuleiten von dem Prämiensystem auf die Lebenslänglichkeit.
Man nennt das "Agenda Setting": wer die Macht hat, bestimmt die Themen, und da Marcel Hirscher alle Medien und Parteien zu Füssen liegen, bestimmt er die Themen und hat mit der Themensetzung auch die Möglichkeit, andere Themen und andere Aspekte aus der Debatte zu verdrängen, wie beispielsweise das Prämiensystem und seine extreme Konkurrenzorientierung Marke "winner takes all", "Sieger bekommt Alles". Auch die Kombination: sowohl gleichmäßigeres Prämiensystem als auch höhere Strafen wird nicht diskutiert. Und bitte gerade im Spitzensport nicht kommen mit dem "Eigene Entscheidung"-Argument: um heute im Spitzensport erfolgreich zu sein, wird oft schon im unmündigen Alter zu trainieren begonnen: zwischen 4 und 8 Jahre. Die Entscheidung treffen in Wirklichkeit die Eltern, und sie fungieren oft auch als Trainer. Manchmal auch als tödliche oder grob fahrlässige Trainer - wie vielleicht im Fall Kira Grünberg.
Einer, der keine egoistischen Motive hat, sich gegen Prämiensystemänderungen und für lebenslängliche Sperren einzusetzen, ist Fritz Fischer:
Es gibt einen Abba-Song aus dem Jahr 1980: "The winner takes it all", der eine seltsame Melancholie hat und möglicherweise eine Anspielung auf den Zweiten Weltkrieg und auf die Tyskerbarn ist, über die ich schon mal bloggte.
Die Logik ist simpel: je mehr der Gewinner bekommt, umso weniger bekommt der Verlierer. Wenn der Sieger alles bekommt, bekommt der Verlierer gar nichts.
"The winner takes it all, the loser´s standing small beside the victory"
Ein weiterer Aspekt ist zu betrachten: dass Doping in vielen Fällen nichts bringt. Manche Vereine wie zum Beispiel Bridge-Vereine übernehmen die allegmeinen Dopingregeln des internationalen Sports und damit auch z.B. das Testosteronverbot (das Verbot des zusätzlich zum normalen Eigentestosteron zugeführten Testosteron). Testosteron mag in anderen Sportarten eine leistungssteigernde Wirkung haben, ob es das beim Kartenspiel Bridge hat, ist äußerst umstritten. Eine lebenslängliche Sperre für ein Dopingmittel, das gar nichts bringt und gar nichts verändert, erscheint übertrieben. Im Bridge gibt es auch einmonatige Sperren für Doping: Roberto Rivera erhielt 2013 eine solche wegen Diuretika (harntreibenden Mitteln).
Der Bridge-Doping-"Sünder" Geir Helgemo wurde wegen Testosteron imeron beim Bridge für ein Jahr gesperrt, was in Anbetracht der wahrscheinlichen Sinnlosigkeit eines solches Dopings als hoch betrachtet werden kann. Lebenslänglich wäre völlig unverhältnismäßig.
Für mich persönlich ist Marcel Hirscher mit diesem Interview gestorben: nie mehr werde ich ihm die Daumen drücken, nie mehr darauf hoffen, dass er gewinnt. Viel eher werde ich wohl seinen Konkurrenten die Daumen drücken, völlig egal, aus welchem Land sie kommen. Auch das Argument, weil Hirscher im Training grausam zu sich selber sei, dürfe er grausam zu Anderen in Interviews sein, überzeugt mich nicht wirklich.
mögliche Grabinschrift: "Hier ruht Marcel Hirscher, achtfacher Alpinski-Weltcupsieger, geboren am 2.3. 1989, als Mensch gestorben am 9.3.2019 durch ein unmenschliches Interview"
CC / Werner Tsui https://de.wikipedia.org/wiki/Marcel_Hirscher#/media/File:Marcel_Hirscher_(Portrait).jpg
Als finanzieller Hauptprofiteur des derzeitigen Systems kann er leicht grinsen, und von Prämiensystemalternativen-Debatten ablenken durch ultrahoch-Strafen-Vorschläge: Marcel Hirscher.
Siehe auch:
https://www.fischundfleisch.com/dieter-knoflach/doping-wie-krank-ist-der-spitzensport-54545