Nach Bildung von schwarz-blauen Koalitionen scheint so manches mal die Faschismushysterie bzw. deren Erzeugung bei Oppositionsparteien durchzubrechen.
So bezeichnete NEOS-Chef Matthias Strolz in einer von der "Kleinen Zeitung" veranstalteten Diskussionsrunde die schwarz-blaue Koalition als "gang", was zumindest die mögliche Bedeutung "Verbrecherbande" haben kann. Ein Bezeichnung der Regierung als "gang", als möglicherweise als "Verbrecherbande", hat eine gewisse Nähe zur Aussage von Peter Pilz im Jahr 2000 "Freiheitliche auf der Strasse sind ein Sicherheitsrisiko".
Was macht man, wenn man mit einer Verbrecherbande konfrontiert ist ? Für viele lautet die Antwort so: man gründet eine gegnerische Bande und beginnt einen Bandenkrieg. Zu den Parolen "Widerstand, Widerstand, Schüssel, Haider an die Wand" aus dem Jahr 2000 fehlt dann nicht mehr viel.
Der Klubobmann der "Liste Pilz", Kolba, praktizierte genau dasselbe, was er der FPÖ bzw. Kunasek vorwarf: er warf vor, so manche FPÖ-Politiker würden sich zuwenig vom Rechtsextremismus distanzieren, aber er machte selbst genau dasselbe in die andere Richtung: er distanzierte sich nicht von Strolz´ Aussage der "Gang", also der Verbrecherbande.
Der SPÖ-Nationalratspräsident des Jahres 2000 und spätere Bundespräsident, Dr. Heinz Fischer (dessen Vorlesungen ich übrigens besuchte) hatte im Jahr 2000 mit einer Rüge auf die Aussage von Peter Pilz reagiert, die als Aufforderung zur Gewalt interpretierbar war.
Ähnliches hat bei der Diskussion in der Wiener Stelle der "Kleinen Zeitung" niemand gemacht.
Einerseits kann man argumentieren, für Kolba müsse man die Hundert-Tage-Schonfrist für Newcomer gelten lassen, aber da er Jurist ist und auch die Gesetze (z.B. StGB-Paragraphen) in Zusammenhang mit Aufstachelung zur Gewalt kennen müsste, ist dieses Argument nicht wirklich stichhaltig.
SPÖ-Minister bzw. -Abgeordneter Jörg Leichtfried, dessen Name man als sprechend wie Nestroy´sche betrachten kann, nimmt den Frieden offensichtlich etwas leicht (nicht zuletzt hatte die SPÖ ja in der Ersten Republik eine Parteiarmee in Form des "Republikanischen Schutzbunds", von dem sich die SPÖ zu distanzieren traditionell schwertut).
Auch er distanzierte sich - im Gegensatz zu seinem Parteikollegen Heinz Fischer - nicht von dem "Verbrecherbanden"-Begriff.
Man kann argumentieren, dass der Begriff der "Verbrecherbande" im Falle von Strolz harmloser sei, weil seine Wähler und -innen mit geringerer Wahrscheinlichkeit als Kolba´s oder Leichtfried´s Wähler und -innen gewalttätig gegen Schwarz-Blau demonstrieren werden oder Ähnliches; aber das Argument überzeugt mich nicht wirklich. Definitionen des "Extremismus"-Begriff in Politikwissenschaft und Geschichte laufen sehr oft zumindest teilweise über die Gewalt, bzw. die Aufforderung zur Gewalt.
Eine interessante Debatte, die sich zwischen den Dreien hätte ergeben können, wurde konsequent verfehlt, nämlich die Ausschuss-Transparenz-Debatte.
Im üblichen Transparenz-Pathos sprachen sich Kolba und Strolz für Transparenz aus, während Leichtfried hier die einzige gegenstimme war, wenn auch wenig begründet.
Eine Argument gegen Auschuss-Transparenz sit, dass die Intransparenzen sich nur woandershin verschiebt, wenn man in den Ausschüssen transparenz einführt.
Matthias Strolz, der seine Partei mit unumstrittener Macht führt und sozusagen andauernd intransparent mit sich selber kommuniziert, lieferte hier außer dem traditionellen Transparenz-Pathos nichts.
Absichten und Hintergedanken sind immer intransparent, und das seit vielen Jahrtausenden, was jeder Historiker und jede Historikerin weiss.
Bei der Frage des Raucherverbots bezogen alle drei, damit sie angenehmer in der Gastronomie speisen können, dieselbe "absolutes Rauchverbot in der Gastronomie"-Position.
Und sie vernachlässigten die "Raucherverbot in Privatwohnungen mit Kindern"-Position, die das Passivrauchen von Kindern in Privatwohnungen verhindern bzw. verringern könnte.
Die angesprochenen wissenschaftlichen Studien beschäftigen sich sehr wohl oft rein medizinisch mit den Folgen des Passivrauchens, aber wenig mit der Frage, wo dieses Passivrauchen passiert. Die Vorbildungwirkung des Rauchens in der Privatwohnung ist keine rein medizinische Frage, weshalb zu dieser Psychologischen Frage wenige Studien erscheinen.
Da die Unterschicht sich die teure Gastrononmie sowieso nur selten, falls überhaupt, leisten kann, interessiert sich die Unterschicht nicht oder wenig für die Frage des Rauchverbots in der Gastronomie. Ärzte zum Beispiel oder Universitätsprofessoren oder unsere Polit- und Medieneliten sind Oberschichtangehörige, für die das Rauchverbot in der Gastronomie eine viel höhere Bedeutung und ein viel größeres Naheverhältnis haben als für die/in der Unterschicht.
Wenn Rauchen in einem geringen Teil der Gastronomie erlaubt ist, wie in meinem Rauchverbots-Konzept vorgesehen, dann kann das dazu beitragen, dass in Privatwohnungen weniger geraucht wird.
Eine weitere Debatte, die nur mangelhaft geführt wurde, war die um den Konsumentenschutz: Kolba schlug vor, Konsumentenschutz über eine gemeinnützige Stiftung laufen zu lassen, was im Prinzip interessant ist und manche Mißbrauchsmöglichkeiten und Abhängigkeiten verhindern könnte, so kritisierte niemand sonst, dass es immer es immer noch eine problematische und korrputionsanfällige Struktur wäre, wenn es in Österreich eine einzige Organisation gebebn würde, die sich mit Konsumentenschutz beschäftigt.
Auch wenn die Kombination von Arbeitnehmerschutz und Konsumentenschutz in der Arbeiterkeammer eine gewisse Anfälligkeit für Widersprüche hat, so heisst das noch lange nicht, dass eine monopolitische Stiftung für Konsumentenschutz die ideale Konstruktion wäre.
Generell war diese Debatte sehr geprägt von Schiumpfwörtern und dummen und populistischen Sprüchen wie z.B. "ÖVP = Schwarze Witwe", "Eingegangen wie ein Wollpullover bei 90-Grad-Wäsche" ....
Das oftmalige Lachen der Moderatorin Claudia Gigler kann als Beweis gesehen, dass diese Debatte (bzw. Pseudo-Debatte) hohen Unterhaltungswert, aber niedrigen Informationswert hatte.
Ich möchte mich gleichzeitig bei Gigler entschuldigen, dass ich in alter Piratenpartei-Manier ein Foto, für das sie offensichtlich das Copyright besitzt, ohne Rückfrage geklaut habe. Aber in Anbetracht der tatsache, dass ich kaum Leser und keine Einnahmen aus diesem Blog habe, mEn eine geringfügige Sünde.
Claudia Gigler ? http://www.kleinezeitung.at/politik/innenpolitik/5339838/Der-LiveStream-zum-Nachsehen_Strolz_Eine-Gang-regiert-die-Republik
Kolba (Liste Pilz), Strolz (NEOS), Leichtfried (SPÖ), Gigler (Kleine Zeitung) bei der Debatte in der "Kleine Zeitung"-Redaktion, Wien