Betrifft: „Stalin-Nostalgie und die nationale Frage“, Wolfgang Müller, sowie „Wo kaufte Stalin in Meidling ein ?“, Kurt Palm, Der Standard, 27.September 2016, bzw. 27. August 2016, sowie Karin Kneissl, „Regieren Frauen bald die Welt ?“, Krone, 2. Oktober 2016
Theodor Körner war General, SPÖ-Politiker, Wiener Bürgermeister 1945-1951 und erster vom Volk gewählter österreichischer Bundespräsident von 1951 bis 1957.
Viele Autoren vom linken Flügel der SPÖ behaupten, Körner wäre unfähig zur Politintrige gewesen und hätte sich allzuoft von schwarzen Gegenspielern (wie z.B. Robert Hecht) über den Tisch ziehen lassen. Körner gehörte so wie Renner und Olah zum rechten Flügel der Sozialdemokratie, der mit der ÖVP in vielen Fragen besser konnte als mit dem sehr linken Flügel der eigenen Partei.
Körner war alles andere als ein linksextremer Anarchist, die es damals schon gab (siehe Attentat des Italieners Lucheni auf Kaiserin Elisabeth 10. September 1898). Die k.u.k.Monarchie umfasste 1898 auch Norditalien (ich selbst habe eben deswegen u.A. norditalienische Vorfahren), was umgekehrt gerade in einer Phase des Nationalismus Irredentismus als quasi-natürlich erscheinen lässt. Der Fall Lucheni zeigt, dass Princip kein Einzelfall war, und dass die k.u.k.-Monarchie als eine Art Anachronismus gesehen werden kann, der nicht nur von serbischer Seite bedroht war.
Körner hatte gemeinsam mit vielen späteren christlich-sozialen oder ÖVP-Militärs und/oder Politikern die k.u.k. Militärakademie besucht und war so gesehen Teil dessen, was Norbert Leser einmal „k.u.k. Sozialdemokratie“ genannt hatte, im Gegensatz zum antimonarchistischen Flügel, den es in der SPÖ auch gegeben hatte. Körner war nicht nur in der Militärakademie, sondern in der sogenannten „Genieabteilung“ derselben. Ich habe versucht, herauszufinden, was genau dort passierte, aber nach ca. 130 Jahren ist das natürlich schwierig. Wenn mehrere Talente zusammenkommen, dann kann eine Art kritische Masse entstehen, mit einer gegenseitigen Beflügelung.
Körner hat zwar Auseinandersetzungen mit ÖVP-Leuten bzw. Christlichsozialen gehabt, wie z.B. Vaugoin, aber dabei hatte er nie Intrigen verwendet.
Daraus darf man aber weder den Schluss ziehen, Körner sei intrigenunfähig gewesen, an der Militärakademie lernt man Tarnen und Täuschen, Ablenkungsmanöver, Vernebelungstaktiken, etc., militärische Täuschtechniken lassen sich sehr gut politisch verwenden.
Körner hat wohl deswegen nie gegen ÖVP-Leute bzw. gegen Christlich-Soziale intrigiert, weil er sie entweder für zu anständig oder für zu unbedeutend hielt oder weil er Österreich für einen Staat hielt, in dem interne Intrigen unnötig, vielleicht sogar schädlich sind.
Dennoch hat Körner nicht nur intrigiert, er war vielmehr sogar der Weltmeister der Politintrige. Und er hat sich als Ziel der Politintrige eines der besten Ziele weltweit ausgesucht: Josef Wissarionowitsch Stalin.
Körner als Militärexperte wusste bereits 1937 (also zwei Jahre vor Kriegsausbruch), dass ein Weltkrieg unvermeidlich ist. Und Körner wollte nicht weniger als das Unmögliche, nämlich dass sowohl Hitler als auch Stalin den kommenden Zweiten Weltkrieg verlieren. Normalerweise würde man sagen: wie auch immer der Weltkrieg verläuft, entweder wird Hitler unter den Siegern sein, oder Stalin wird unter den Siegern sein. Und in Hinblick darauf, dass sowohl Hitler als auch Stalin den zweiten Weltkrieg verlieren, hat Körner wohl das absolute Maximum des Möglichen erreicht.
Die einzige Möglichkeit, diese unerträgliche Wirklichkeit, dass Hitler und Stalin nicht gleichzeitig verlieren können, zu korrigieren, war für Körner die Politintrige. Körner stellte daher 1937 seine These von der Unbesiegbarkeit der Sowjetunion auf. Diese war anfänglich camoufliert als Clausewitz-Studie mit dem Ziel der deutschen Militärexperten-Community. Körner konnte argumentieren, das Ziel seiner Theorie sei gewesen, die Nazis bzw. die Wehrmacht von einem Angriff auf die Sowjetunion abzuhalten. Aber eigentlich war – so meine Theorie – das genauso große Ziel dieser These immer schon Stalin. Es ging Körner, der wusste, dass Stalin ein militärischer Idiot und ebenso dumm wie brutal war, mMn bei seiner „Unbesiegbarkeit der Sowjetunion“-These darum, Stalin dazu zu provozieren, den Oberbefehl über die Rote Armee zu übernehmen, was dieser auch tat. Stalin hatte – Palm weist darauf hin - wie viele russische Revolutionäre Wien-Bezug; die Theorien, die in Wien kursierten, interessierten Stalin, er hat viele davon gelesen, was Körner wusste. Die im internationalen Vergleich weit links stehende SPÖ mit ihrem „Austromarxismus“ stand bei der KPdSU bzw. russischen Revolutionären in einem sehr guten Ruf, Stalin bezog sich oft auf SPÖ-Austromarxisten wie Otto Bauer, die Entfernung zu Körner war da nur ganz gering.
Stalin wusste über seine eigenen begrenzten Fähigkeiten Bescheid und hatte innerhalb des Sowjet-Apparats Karriere gemacht, indem er immer nur die einfachen Aufgaben übernommen hatte, die er noch lösen konnte (allerdings spricht es gegen den Sowjet-Apparat und das Sowjet-System, dass scheinbar niemandem auffiel bzw. man nicht offen darüber sprechen konnte, dass Stalin immer nur die leicht lösbaren Aufgaben übernahm) oder die Aufgaben, die mit sehr viel Macht zusammenhingen. Und genauso agierte er auch in der Frage des Oberbefehls über die Rote Armee; wenn er über die Mängel der Roten Armee bescheid gewusst hätte, die er durch seine Fehlentscheidungen noch verschärft hat, hätte er den Oberbefehl wohl nie übernommen.
Körner hingegen war ein wirklich guter Militäranalytiker: er wusste, dass Deutschland zwar bevölkerungs- und rohstoffmäßig der Sowjetunion weit unterlegen war, dass aber dennoch die anscheinend von den Nazis geführte Wehrmacht der roten Armee schwere Niederlagen zufügen konnte (und das wusste Körner bereits 1937!). Wenige Monate, nachdem Körner seine Theorie von der „Unbesiegbarkeit der Sowjetunion“ aufstellte, begann Stalin seine grausamen Säuberungen und Hinrichtungen unter russischen Offizieren, die zum Desaster der Roten Armee beitragen sollten. Den genauen Zeitpunkt des Beginns der Säuberungen beschreibt auch Chrushtschow in seiner Geheimrede zur Entstalinisierung.
Das „Unternehmen Barbarossa“, das Eindringen der Wehrmacht in Gebiete, die von der Roten Armee gehalten wurden, war in der ersten Phase ein Erfolg für die Wehrmacht und ein Desaster für die Sowjetunion, die Rote Armee und für Stalin, der durch seinen Oberbefehl die Hauptverantwortung dafür trug, bzw. tragen musste, begann am 22. Juni 1941, also vier Jahre, nachdem Körner seine These von der Unbesiegbarkeit der Sowjetunion aufgestellt hatte.
Ich verwende hier den Begriff des Eindringens, und nicht den üblichen Begriff des Überfalls, weil die Rote Armee Gebiete kontrollierte, die sie eigentlich gar nicht kontrollieren hätte dürfen, z.B. große Teile Polens und des Baltikums. Und auch deswegen, weil man bei der Roten Armee alleine schon wegen der offensiven Aufstellung Offensivabsichten vermuten konnte, sodass die Präventivkriegstheorien der Nazis nicht völlig aus der Luft gegriffen waren, wenn auch sie wohl auch zur Ablenkung von rassistisch-suprematistischen Zielen dienen sollten.
Körner hat im Zusammenhang mit der „Unbesiegbarkeit der Sowjetunion“-These seine Russisch-Kenntnisse verbessert, was auch einen Aufschluss geben kann über das wirkliche Ziel. Allerdings wusste Körner bescheid, dass es lebensgefährlich sein kann, eine Intrige gegen Stalin zu machen. Ich weiß nicht, ob Körner schon vor der Ermordung Trotzkis 1940, die Stalin zuzuschreiben ist, mit Lebensgefahr rechnete oder erst danach. Auf jeden Fall war Körner wegen seiner „Überlegenheit der Sowjetunion“-These quasi zu Lobhudelei gegenüber Stalin verpflichtet, die ihn viel Glaubwürdigkeit als Militärexperten kostete und die Tausende oder Zehntausende SPÖ-nahe Soldaten und Polizisten Richtung ÖVP und VdU/FPÖ vertrieb. Aber für Körner was das eben der logischerweise zu bezahlende Preis für eine übergeordnete geopolitische Notwendigkeit.
Körners Plan ging auf: durch die schweren Niederlagen der Sowjetunion in der ersten Phase des „Unternehmens Barbarossa“ war Stalin und die Stalinisten beschädigt, was im Anschluss an Stalins Tod 1953 dem gemäßigten Flügel innerhalb der KPdSU rund um Nikita Chrushtschow ermöglichte, die Stalinisten zu entmachten und eine Entstalinisierung einzuleiten. Allerdings war Körners Intrige wohl auch mitverantwortlich dafür, dass Stalin fähige russische Offiziere in großer Zahl ermorden ließ, was Körner geschadet haben könnte. Die Passivität Stalins in der ersten Phase des deutschen Angriffs, Stalins Fehleinschätzung, es für Provokationen, für Täuschungsmanöver zu halten, könnten mit Körners Intrige von der „unbesiegbaren Sowjetunion“ zusammenhängen.
Ich möchte betonen: Körner wollte wahrscheinlich nie, dass die Nazis den Weltkrieg gewinnen, er ist wohl von Anfang an davon ausgegangen, dass die USA die Sowjetunion knapp vor dem totalen Zusammenbruch auffangen und unterstützen werden, was durch die Lend-Lease-Lieferungen dann fünf Jahre später auch Realität wurde. Natürlich war das alles eine Hochrisikostrategie (und zwar eine über 16 Jahre gehende), aber als Frontsoldat war er Hochrisikostrategien gewohnt.
Allerdings hatte Körner einen enormen Preis dafür zu bezahlen gehabt: neben dem Ansehensverlust unter Militärexperten, neben dem Misstrauen des linken Parteiflügels der SPÖ und der nachhaltig üblen Nachrede (intrigenunfähig, zuwenig SPÖ-tauglich, zu ÖVP-nah, etc.) hatte er vielleicht auch sein Privatleben geopfert. Es gab Gerüchte und Theorien, Körner sei homosexuell, die aber allesamt falsch waren, Körner hatte kurze und oberflächliche Beziehungen zu Frauen, wohl auch sexueller Natur gehabt. Körner hätte vielleicht gerne geheiratet, aber eine Ehefrau wäre ein Sicherheitsrisiko gewesen: sie hätte wahrscheinlich von Körners Intrige gegen Stalin erfahren und sich möglicherweise einmal bei einem Gespräch mit einer Freundin verplaudert, was zu Stalin hätte durchsickern können, der eben deswegen wahrscheinlich Körner ermorden lassen hätte. Für Körner, der als Frontsoldat Frauenlosigkeit gewohnt war, war der Verzicht auf eine Ehefrau möglicherweise kein großer, und nachdem Stalin 1953 starb, war Körner mit 80 Jahren wahrscheinlich neben einer möglichen altersbedingten Sexualtriebsschwäche zu alt, um eine Frau zu suchen, zu finden und zu heiraten. Außerdem war Körner möglicherweise ein Savant, eine Inselbegabung, und die sind des öfteren ewige Junggesellen trotz Heterosexualität.
Wenn in der Kubakrise von 1962 ein Stalinist Sowjetchef gewesen wäre und nicht Chrushtschow, dann wäre es wahrscheinlich zu einem Atomkrieg (wie begrenzt auch immer) gekommen. D.h. Körner hat durch seine Politintrige nicht nur die Sowjetunion entstalinisiert, sondern auch einen Atomkrieg verhindert. Dafür hätte er eigentlich einen Friedensnobelpreis verdient gehabt, allerdings hätte das Nobelpreiskomitee einem Intriganten den Nobelpreis verleihen müssen, was auch ein seltsames Signal gewesen wäre. Genauso wie es Propheten- und Prophetinnenschicksal ist, a la Kassandra mit ihren Warnungen vor dem Trojanischen Pferd nicht ernst genommen zu werden, so ist es wohl Realpolitikerschicksal, unerkannt und unzureichend gewürdigt sterben zu müssen.
Es hat meiner Meinung nach in den letzten 230 Jahren nur zwei Österreicher gegeben, die Weltgeschichte gemacht haben: Metternich und Theodor Körner. Kreisky, egal, welche personenkulthafte Verehrung er in der SPÖ genießen mag, war so gesehen ein Zwerg in Vergleich zu Körner, der ein unerkannter bzw. fast unerkannter Titan war. Ich schätze, dass einige wenige Vertreter der ÖVP die Leistung Körners eher erkannt haben, aber Lob von ÖVP-Seite hätte Körner wahrscheinlich innerparteilich schwer geschadet. Nachdem Körner bereits in der ersten Republik abfällige Bemerkung über die SPÖ und den republikanischen Schutzbund gemacht hatte („Mit einer Armee von Pazifisten kann man keinen Krieg gewinnen“), war er innerhalb der eigenen Partei vielfach isoliert und misstrauisch beäugt worden; oft waren ihm wegen der „Vertrauensunwürdigkeit“ von der eigenen Partei Aufpasser zur Seite gestellt worden, oft konnte er Aufgaben nicht so erfüllen, wie er sie hätte erfüllen wollen. Körner hatte immer etwas Einzelgängerisches gehabt, möglicherweise war er ein Savant, eine Inselbegabung, möglicherweise hat ihm dieses Einzelgängerische auch erleichtert, zahlreiche geschätzte Berufskollegen indirekt zu opfern, bzw. ihre Opferung in Kauf zu nehmen. Eben wegen des zwiespältigen Verhältnisses zur eigenen Partei, sie gleichzeitig zu lieben und zu verachten, und wegen seinem Improvisationstalent als Frontoffizier konnte Körner blitzschnell die Politik wechseln.
Wie auch immer: ich schätze, Körner ist glücklich gestorben, und er war oft stolz auf sich, wenn er in den Spiegel blickte, auch wenn kaum jemand seine wahrscheinliche welthistorische Leistung würdigte. Mir ist weltweit kein auch nur annähernd vergleichbarer Fall bekannt, dass ein Kleinstaatenpolitiker auf diese Art Weltpolitik macht; „einen Körner machen“, „to make a Koerner“ wird möglicherweise als Bezeichnung für alle total ausgefallenen, genialen oder selbstaufopferungsstrotzenden Maverick-Strategien in die Geschichts- oder Politikwissenschaft eingehen. Allerdings können derartige Maverick-Strategien eher entweder nur von Sehr Nahestehenden oder von ähnlich gearteten Mavericks erkannt werden, so dass es möglich ist, dass es noch mehrere derartige unerkannte historische Mavericks gibt. Dass die SPÖ so wenige bis Null Experten, die sowohl außenpolitische als auch historische als auch militärische Kenntnisse kombinieren, hat, mag die Entdeckung erschwert haben.
Samuel Augustus Maverick war ein US-amerikanischer Viehzüchter, der im Unterschied zu allen anderen seine Rinder nicht brandmarkte, was extrem hohe Gefahr des Gestohlenwerdens bedeutet. Rinder ohne Brandzeichen werden daher als Mavericks bezeichnet; aber man kann es auch als ohne klassische Parteibindung sehen. Im englischen Sprachgebrauch ist ein Maverick eine Person, die Unabhängigkeit im Denken und Handeln zeigt, ein Nonkonformist, Rebell oder Außenseiter. Maverick war neben seiner Tätigkeit als Viehzüchter übrigens auch Politiker.
Körner kann betrachtet werden als eines der bedeutendsten Mitglieder der österreichischen Schule der Realpolitik: „Tue das Notwendige, egal, wie unangenehm es ist.“
Theodor Körner kann absolut mitspielen in einer Art Champions League welthistorisch bedeutender Politiker-Generäle: Churchill, De Gaulle, Eisenhower, Kemal, Sadat oder Rabin sind nicht besser als er.
Ich frage mich, ob Chrushtschow davon wusste, dass er seinen Aufstieg Körner verdankte; Chrushtschow hatte sich bei Stalin bzw. den Stalinisten jahrelang auf eine ähnliche Art eingeschleimt, wie Körner das auch gemacht hatte. Die Tatsache, dass Körner Bundespräsident war, machte den Staatsvertrag und den Abzug der Roten Armee wahrscheinlicher. Und ich frage mich, ob die ÖVP die Bundespräsidentenwahl 1951 absichtlich an Körner/SPÖ verloren hat, weil dadurch der Staatsvertragabschluss wahrscheinlicher wurde. Und ich gehe davon aus, dass es Körner innerlich freute, wenn bei vielen Veranstaltungen ÖVP-Politiker Leopold Figl nach Körners lebensrettenden Lobhudeleien Reden hielt, die das genaue Gegenteil behaupteten. Gotthold Ephraim Lessings Spruch „Es ist so traurig, sich alleine zu freuen“ aus „Minna von Barnhelm“ stimmt in diesem Fall nicht. Körner agierte nach der Devise „Besser das Gute tun und sich alleine freuen müssen, als das Gute nicht tun“. Aber Körner war wohl ein extremer, fast außerirdischer Ausnahmefall.
Auf eine gewisse Weise war das alles Große Koalition at ist best; im selben Zeitraum haben SPÖ und ÖVP Hintertürchen und Ambivalenzen in Neutralitätsgesetz und Verbotsgesetz eingebaut; möglicherweise nichts bewirkt bessere Zusammenarbeit als ein gemeinsamer Feind, in diesem Fall Stalin.
Ich halte im Unterschied zu dieser beschönigenden Tafel Schönbrunner Schlossstrasse, die Stalin´s Schrift „Marxismus und nationale Frage“ als „bedeutend“ lobt, für überhaupt nicht bedeutend: Stalin hat von den Problemen, die die Umsetzung des Selbstbestimmungsrecht in der Wirklichkeit macht, kein einziges erkannt. Körner als damaliger Wiener Bürgermeister hat diese Tafel aus zwei Gründen montiert: erstens weil er fürchtete, dass ansonsten die Wahrscheinlichkeit, wie Trotzki von Stalin ermordet zu werden, steigt, eben wegen seiner Intrige aus dem Jahr 1937; und zweitens, weil er damit einen dritten Weltkrieg verhinderte. Körner ging davon aus, dass die Hoffnung, auf friedlichem Weg Westeuropa zu bekommen, in Kombination mit der Stärke westeuropäischer Armeen Stalin davon abhielt, einen Krieg zu beginnen. Und gerade die sehr weit links stehende SPÖ mit ihrem Bauer´schen Austromarxismus war ideal dafür geeignet, Stalin zu suggerieren, auf friedlichem Weg Westeuropa bekommen zu können. Körner und Renner hatten es jahrzehntelang mit Ehrlichkeit in der Politik probiert, und waren damit politisch gescheitert; irgendwann waren sie zur Überzeugung gelangt, dass man als Kleinstaatenpolitiker anders Politik machen muss, mit großem Erfolg. Wir brauchen meiner Meinung nach eine Zusatztafel, die genau diese zwei Motive Körners, diese Tafel zu montieren, erwähnt.
Der von Müller geäußerten Idee, die Stalin-Tafeln am Schwarzenberg-Denkmal zu demontieren, stehe ich im Prinzip durchaus positiv gegenüber, eine Verletzung des Staatsvertrags erblicke ich darin nicht. Ich habe mich intensiv mit dem Denkmal und seiner Geschichte beschäftigt. Allerdings ist der Zeitpunkt dafür im Moment denkbar schlecht. Eine derartige Demontage hätte man entweder vor der Krimkrise machen sollen oder nach Bereinigung derselben in der Zukunft.
Und eines der Probleme darin ist, dass sie als gegen Russland gerichtet betrachtet werden kann. Ich denke seit längerem darüber nach, den Staatsvertrag anzufechten, als Zustellbevollmächtigter der RSD und angeblicher Geschädigter durch den Staatsvertrag wäre ich möglicherweise berechtigt dazu.
Der Staatsvertrag von 1955 hat eine hohe Ähnlichkeit mit dem Versailles-Vertrag und dem St. Germain-Vertrag. Der von Großbritannien und Frankreich betriebene, aber vom US-Kongress abgelehnte Versailles-Vertrag beflügelte den Aufstieg der Nazis, und die anti-deutschen Passagen im 1955-Staatsvertrag verschaffen dem Deutsch-Nationalen bzw. dem Rechts-Außen-Flügel der FPÖ einen Vorteil und Märtyrerbonus: „Wie ungerecht: der Kauf deutscher Zivilflugzeuge ist verboten, der Kauf aller anderer Zivilflugzeuge, wie problematisch die Erzeugerstaaten auch sein mögen, nicht.“
Ich bin nicht bereit, die Anti-Siegermächte-Rhetorik des rechten Rands der FPÖ in dieser Härte zu machen, daher ist meine Partei wegen des Staatsvertrags benachteiligt, und meine Partei und die FPÖ haben bzw. hätten teilweise überlappende Segmente. Die Argumentation zur Anfechtung von Teilen des Staatsvertrags wäre, dass der Staatsvertrag von 1955 unvereinbar ist mit dem Demokratieprinzip des §1: „Österreich ist eine demokratische Republik.“
Ich habe keine Ahnung, wie Großbritannien, Frankreich, die USA und Russland darauf reagieren würden. Die britischen Tories mit ihrem manchmal seltsam erscheinenden Pragmatismus würden sich vielleicht sogar freuen, weil damit die BNP endgültig chancenlos sein dürfte; aber Hollande könnte möglicherweise Probleme bekommen: der Vorwurf, der von Frankreich mitgetragene Staatsvertrag habe den Aufstieg der FPÖ beflügelt, und die französische Regierung habe nichts dagegen unternommen, kann für ihn ein schweres innenpolitisches und innerparteiliches Problem werden. Allerdings kann er auch sagen, dass er in Geheimdiplomatie eine Änderung versucht hätte, aber insbesondere wegen der Krimkrise und der zerstörten Beziehung zu Russland gescheitert wäre. Frankreich ist so wie Großbritannien im Vergleich zu USA und ehemaliger Sowjetunion eine vielleicht eher zweitrangige Macht, die Staatsvertragsänderungen nicht alleine bewirken kann.
P.S.: Viele werden jetzt wahrscheinlich denken: „Das kann doch Alles gar nicht stimmen; wenn es stimmen würde, dann hätte das doch schon viel früher jemand entdeckt.“ Das ist so nicht ganz richtig. Die Grundsatzentscheidung der österreichischen Politik (und zwar aller Parteien) war: Österreich ist jetzt neutral, es ist ein Kleinstaat und es wurde später ein UNO-Sitz. Viele Formen der militärischen oder noch mehr der militärisch-politisch-interdisziplinären Analyse werden dann gar nicht mehr gebraucht, sie können sogar schädlich sein; hegemoniale politische Parteien verbreiten dann vielmehr ein gesellschaftliches Klima, das Kompetenzen verkümmern lässt. Die Stigmatisierung von Huntington und „Clash of Civilizations“ als politisch unkorrekt in Österreich ist vor diesem Hintergrund zu sehen. Im Prinzip wäre Österreich mit seiner Balkan-Expertise prädestiniert dafür gewesen, als erster westlicher (auch die Russen sind vielfach erstklassige Serbenversteher mit viel Balkanexpertise) Staat zu entdecken, dass bei vielen Kriegsverbrechen serbischer Truppen in allen Balkankriegen des 20. Jahrhunderts die hohe Geburtenrate der Moslems eine Rolle spielte. Allerdings war auch diese These politisch unkorrekt und hätte möglicherweise der FPÖ genutzt. Dazu kommt eine Art katholische Prägung: die „Index librorum prohibitorum“-Denke des Katholizismus kann schädlich sein. Die „Unverletzlichkeit der Grenzen“-Denke, die angeblich gegen Putin und seine angebliche „Krim-Annexion“ spricht, kann man auch staatenintern gelten lassen: alle Teilungspläne in Kantone oder Entitäten, wie sie Teilungspläne a la Vance-Owen oder Dayton vorsahen bzw. vorsehen, beruhen langfristig auf der Voraussetzung, dass alle Volksgruppen dieselbe Geburtenrate haben; wenn eine Volksgruppe eine signifikant höhere Geburtenrate hat, dann ist das eine Infragestellung der Unverletzlichkeit der Grenzen. Verschiedene Koransuren sprechen davon, dass die Männer den Frauen überlegen sind, und dass Frauen Saatfelder bzw. Äcker sind. Laut welt.de/Politik/ausland/ article142756110/Muslime-Die-Gewinner-des-demokratischen-Wandels.html werden Moslems die Christen als größte Religionsgruppe ablösen: der Artikel verwendet auch Begriffe wie „Geburten-Dschihad“.
Laut der Masterarbeit „Demografischer Wandel in Bosnien und Herzegowina in den Jahren 1945-2010 Mikro- und makroökonomische Implikationen“ von Zlata Hadzalic-Saljic (Karl-Franzens-Universität Graz) stieg der Anteil der Bosniaken (bosnische Muslime) an der Gesamtbevölkerung Bosnien-Herzegowinas von 26% (1961) über 39% (1971,1981) und 42% (1991) auf 48% (2013). Inwieweit daran Migrationsverluste beteiligt sind, müsste man klären. Es kann auch überlagert sein von einem Einkommenseffekt. Vor allem die Jungen wandern aus, wobei hier Daten über Unterschiede zwischen den 3 ethnischen Gruppen schwer zu bekommen sind. Die Gesamtbevölkerung Bosniens dürfte nicht nur durch den Krieg 1991-1995, sondern auch durch die schlechte wirtschaftliche Lage und die politische Lähmung gesunken sein. In der FBiH (der muslimisch-kroatischen Hälfte Bosnien-Herzegowinas) stieg der Anteil der Moslems von 1991 bis 2011 von 52.5% auf 76%. In der Republika Srpska stieg der Anteil der Serben im gleichen Zeitraum von 55% auf 89%. Während die internationale Gemeinschaft Vermischung und Koexistenz anstrebt, passiert das Gegenteil: Trennung. Die gegenständliche Masterarbeit ist sehr mit Vorsicht zu genießen. Einige schwere Fehler und ein möglicherweise absichtlicher Spin sind darin enthalten. Die Ursachen dafür könnten interessant sein, Abhängigkeit und Indoktrination können hier nicht ausgeschlossen werden.
Geburtenfragen werden oft von Frauen wissenschaftlich bearbeitet; sowohl Zlata Hadzalic-Saljic (Uni Graz) als auch Ewa Tabeau (Den Haager Tribunal) sind Beispiele dafür; allerdings gibt es praktisch keine Frauen unter den Militärexperten; bei Männern gilt eher das Umgekehrte. Zusammenhänge zwischen Geburtenrate und Kriegsverbrechen sind wohl daher ein blinder Fleck der Wissenschaft.
Der auf den ersten Blick cool klingende Spruch „No historical bullshit“ des US-Verhandlers Richard Holbrooke zeigt eine Oberflächlichkeit des Denkens, mit dem selbst Supermächte scheitern können. Lord John Acton´s „Macht korrumpiert, und absolute Macht korrumpiert absolut“ trifft auch auf Supermächte zu.
Huntington´s „Culture matters“ oder Kreisky´s „Lernen´S Geschichte“ stehen zum Holbrooke-Statement in einem Widerspruch; auch wenn es beim Kreisky-Statement im Detail problematisch war, weil 10% Arbeitslosigkeit bei einem schlecht ausgebauten Sozialstaat etwas anderes sind als 10% Arbeitslosigkeit bei einem gut ausgebauten Sozialstaat, so kann es dennoch im Prinzip sinnvoll sein, Geschichte zu lernen.
Es stellt sich die Frage, inwieweit der Vertreter der bosnischen Muslime 1970-1995, Alija Izetbegovic (selbst Kriegsteilnehmer im Zweiten Weltkrieg) davon wusste, dass es bereits in zahlreichen vorangegangenen Kriegen (Balkankriegen 1912-1913, Erster Weltkrieg, Zweiter Weltkrieg) serbische Kriegsverbrechen wegen hohen moslemischen Geburtenraten gegeben hatte. Und es stellt sich die Frage, ob Adil Zulfikarpasic oder Fikret Abdic, die seine innerislamischen bzw. innerparteilichen Gegenspieler waren, davon wussten. Zulfikarpasic suchte den Ausgleich mit Belgrad, insbesondere Milosevic. Alija Izetbegovic hätte eigentlich wegen des Verdachts der billigenden Inkaufnahme von Kriegsverbrechen angeklagt sollen bei den Den Haag-Kriegsverbrecherprozessen, während für serbische Offiziere wie Ratko Mladic der möglicherweise mildernde Umstand der hohen moslemischen Geburtenraten, die das gesamte 20. Jahrhundert eine Mitursache für serbische Kriegsverbrechen waren, erwähnt oder berücksichtigt hätte werden sollen.
Alija Izetbegovic´s Sohn Bakir Izetbegovic erklomm auch bedeutende politische Positionen, er hat allerdings nur eine Tochter.
Die Den Haag´sche Siegerjustiz ist wie jede Siegerjustiz problematisch; bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen wurden alle SS-Männer als Kriegsverbrecher eingestuft, unabhängig davon, ob der einzelne SS-Mann individuell Kriegsverbrechen begangen hatte oder nicht, was eine Kollektivschuldthese war, die der Sippenhaftung der Nazis entsprach (wenn ein Mitglied sich anti-nazistisch betätigte, wurde die gesamte Familie bestraft). Es stellt sich die Frage, welche der Siegermächte die treibende Kraft bei differenzierungslosen Einstufung der gesamten SS als verbrecherischer Organisation war. Wenn man die französische, britische, US-amerikanische und sowjetische Literatur vergleicht und an die differenzierungslose Antikulakenkampagne denkt, dann sieht bzw. sah es so aus, als wäre am ehesten die Sowjetunion die treibende Kraft hinter der Einstufung der gesamten SS als verbrecherische Organisation gestanden. Es stellt sich auch die Frage, ob dieser Teil des Nürnberger Prozesses ein Teil der Stärke der FPÖ ist. Der Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 wäre eine Möglichkeit gewesen, diese Sache neu anzusprechen, diese wurde aber versäumt.
Anders gesagt: es wurde möglicherweise auf Druck von USA und EU/EG in der zweiten Hälfte des Bosnienkrieges das falsche Bündnis gebildet, nämlich ein muslimisch-kroatisches, ein serbisch-kroatisches wäre eher in der Lage gewesen, eine Geburtenkontrollvereinbarung mit den Muslimen zu erzwingen, die langfristige Stabilität gesichert hätte. Dabei hätte man wohl auch auf die implizite Unterstützung vieler islamischer Frauen bauen können, die die Mühen des Gebärens tragen, ohne in der islamischen Gesellschaft viel Einfluss zu haben. Wenn man die US-Präsidentschaftswahl rein außenpolitisch betrachtet, so spricht die Geburtenkontrollfrage eher für Hillary Clinton als US-Präsidentin, die militärische Kompetenz für Trump.
P.S.2: ich habe schon in einem früheren Blog die Vermutung aufgestellt, dass im Fall Alen R., dessen erstinstanzliches Urteil gerade bekannt wurde, möglicherweise ein Zusammenhang zum Bosnien-Krieg besteht, aber vielleicht bin ich professionell deformiert, und vielleicht gibt es übergeordnete Interessen.