Wie ich heute telefonisch und indirekt erfahren habe, sei ich seit Juli 2019 nicht polizeilich gemeldet gewesen.

Allerdings habe ich bei der Wiener Landtagswahl/Gemeinderatswahl im am 11. Oktober 2020 gewählt.

Das Wahlrecht ist aber eng gekoppelt mit der Meldung, und Leute ohne Meldung dürften normalerweise gar nicht wählen.

Somit scheint es nach derzeitigem Stand so zu sein, dass die Wien-Wahl bzw. Teile derselben ungültig sein könnten und wiederholt werden müssten, falls die Fristen das noch erlauben.

Im konkreten Fall betrifft es den Bezirk Wieden, also den vierten Wiener Bezirk. Der Bezirk Wieden ist laut Wiener Gemeindewahlordnung §2 (1) Teil des Wahlkreises Zentrum, der die Bezirke 1,4,5 und 6, umfasst also Innere Stadt, Wieden, Margareten, Mariahilf.

Und in diesem Wahlkreis müsste die Wahl wohl wiederholt werden, so wie es derzeit aussieht (falls die Fristen das zulassen, was sie eher nicht tun, wenn ich mich jetzt auf die Schnelle richtig erinnere).

Wenn auch in anderen Wahlkreisen vergleichbare Fälle auftreten würden, gilt das sinngemäß natürlich auch in diesen Wahlkreisen.

Der Fall erinnert an einen Fall im Jahr 1995, als die Tiroler Familienministerin Sonja Moser (heute verheiratete Stiegelbauer) im Bezirk Reutte/Tirol wählte, obwohl sie in Wien und nur in Wien gemeldet war.

Damals hat die FPÖ deswegen die Wahl angefochten, und gewann durch die Wahlwiederholung in Reutte und Donnerskirchen ein Mandat, das die ÖVP verlor.

Damals ergoß sich sehr viel Häme über Westösterreich, bzw. Tirol bzw. Reutte, dass solche Missstände möglich seien, und insbesondere in der ÖVP gab es sehr viel Kritik an Moser, dass sie sozusagen der ÖVP ein Mandat gekostet habe.

In meinem Fall war es ähnlich, aber ein bißchen anders: ich hatte keine Wahlinformation bekommen, und widersprüchliche Infos, was meine Meldeadresse betraf. Ich fuhr selbständig und ohne Wahlbenachrichtigung in das Wahllokal, das der Meldeadresse am nächsten lag und fragte nach, ob ich gemeldet sei und ob ich hier mein Wahlrecht ausüben könne.

Ein Mitglied der Wahlkommission bejahte das, und ich vertraute darauf (und die anderen Wahlbeisitzer und -innen auch).

Ich habe aber nicht überprüft, ob ich auf der Wahlliste stand, und ich habe auch nicht überprüft, ob mein Name in der selben Maschinenschrift wie alle anderen Einträge in der Wahlliste stand, oder ob mein Name handschriftlich hinzugefügt worden war, oder ob mein Name gar nicht auf der Wählerliste stand.

Und das wäre in dem Stau und in dem Andrang und in der Warteschlange, die auf das Wählen wartete, auch nicht gut angekommen, wenn ich zeitaufwändig genau alles überprüft hätte.

Auf jeden Fall zeigt dieser Fall, dass derartige Fehler oder Ungereimtheiten nicht nur in Tirol möglich sind, sondern in Wien genauso, sodass großstädtische Überheblichkeit über die angeblich "dumme Provinz" unangebracht erscheint.

Natürlich gibt es Missstände, die aber nichts mit der "Provinz" als solcher, sondern mit der derzeitigen Organisationsform der sogenannten "Provinz" zu tun haben.

In diesem Sinne unterstütze ich die Reformrichtung bzw. den Reformvorschlag der früheren steirischen Justizministerin Beatrix Karl zur Zusammenlegung von (insbesondere kleinen) Gerichtsbezirken am Land und zur Schaffung größerer Justizzentren, den sie leider nur teilweise durchsetzen konnte.

Ebenso überlegenswert ist gerade in Zusammenhang mit der scheinbaren Unmöglichkeit von Abschiebungen nach Afghanistan Karls Forderung nach einer härteren Strafvollzugspraxis, denn den generalpräventiven Effekt, der durch diesen Abschiebungsverlust verloren geht, kann man - zumindest teilweise - durch härteren Strafvollzug kompensieren. (Unter "generalpräventivem Effekt" versteht man in der Juristerei den Umstand, dass harte Strafen, die an Einzelnen vollzogen werden, auf Alle, die diese oder ähnliche Straftaten verüben könnten, eine abschreckende Wirkung haben, also diese Taten zumindest teilweise verhindern. Dieser generalpräventive Effekt kann je nach Tatart unterschiedlich sein, so gesehen Strafvollzugsexperten davon aus, dass er bei Vermögensdelikten höher sei als bei Sexualdelikten/Triebdelikten)

Beatrix Karl musste damals in einer Zeit vor den Flüchtlingswellen wegen ihres Andenkens eines härteren Strafvollzugs zurücktreten, aber aus heutiger Sicht scheint sie damit durchaus richtig gelegen zu haben.

https://www.parlament.gv.at/WWER/PAD_02872/index.shtml#

Ministerinnen Moser (heute Stiegelbauer), oben und Karl (unten): beide ÖVP-"Provinz"-Politikerinnen, beide politisch abgeschossen wegen verbreiteter geringfügiger Fehler (Moser), oder wegen kontroversiellen Vorschlägen, die sich im Nachhinein als richtig erwiesen (Karl) ?

CC / Thurm https://de.wikipedia.org/wiki/Beatrix_Karl#/media/Datei:Beatrix_Karl1.jpg

Im Falle von Karl ergäbe sich sogar eine Ähnlichkeit zur antik-mythologischen Kassandra, die die Trojaner vor dem trojanischen Pferd warnte und dafür gehasst und kritisiert wurde, obwohl sich die Warnungen im Nachhinein als berechtigt erwiesen.

https://pixabay.com/vectors/ballot-box-elections-vote-choice-5556723/

Abenteuer Wahl: wo Hunderttausende und Millionen von Menschen agieren, passieren immer ein paar Ungereimtheiten, Unklarheiten, etc.

Soll man deswegen Politikerinnen shitstormen und zum Rücktritt zwingen ?

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