Irgendwie ist die Sache ja so absurd, dass ich selber es noch gar nicht richtig glauben kann.
Ich verlor meine Wohnung und bin jetzt wohnungslos, und das, weil ich vermutlich zuviel Miete bezahlte.
Und das kam so: ich war Untermieter, und der Eigentümer nahm die vermutlich zu hohe Untermiete, die der Hauptmieter von mir verlangte und erhielt, als Anlass bzw. als einen der Anlässe, den Hauptmieter zu kündigen, womit dann auch ich als Untermieter ohne Einspruchsrecht auf der Strasse stehe. Das österreichische Mietrechtsgesetz (MRG) räumt dem Untermieter eine sehr schlechte Stellung ein, eine Stellung und noch dazu ohne Begleitmaßnahmen (wie beispielsweise Info-Pflicht), die so schlecht ist , dass sich die Frage stellt, ob das MRG wegen Gleichheitswidrigkeit verfassungswidrig ist.
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Aber immerhin: es ist September, nicht die Gluthitze eines Juli, nicht die Winterkälte eines Jänner oder Februar. So gesehen eine recht angenehme Zeit, wegen zuviel bezahlter Miete wohnungslos zu sein.
Aber immerhin: dieses neue Leben als Wohnungsloser hat mir einige interessante Einsichten in das Leben von Obdachlosen und einige interessante Bekanntschaften eröffnet:
Auf diesen Bänken zu schlafen, habe ich auch probiert, hat aber nur schlecht funktioniert, ich bin ein knochiger Typ, und diese Bänke sind ziemlich hart. Vielleicht sollte ich eine dieser Unterlegematten kaufen und einen Schlafsack. Manche Obdachlose haben echte High-Tech-Matten, die sich selbst aufblasen wegen der Schaumfüllung. Schlafen im Sitzen habe ich auch probiert, ist aber irgendwie auch nicht das Wahre: wenn man den ganzen Tag sein ganzes Zeug mit sich schleppt, dann kann man eine Schlafnacht im Liegen gut gebrauchen, um die Wirbelsäule zu entlasten. Womit sich die Frage stellt, ob Krummer Rücken eine Folge der Obdachlosigkeit oder Obdachlosigkeit eine Folge des krummen Rückens ist, weil man dann schwerer einen Job oder eine Wohnung bekommt. Das Schleppen geht bei Leichtgewichten wie mir auch auf die Füsse.
Mc Donalds ist sehr beliebt bei Obdachlosen: billige Lebensmittel, gemessen an Restaurant-Standards, Freitags und Samstag bis 5.30 Uhr offen, und sie werfen keine Obdachlosen raus, nicht einmal schlafende Obdachlose, es sei denn, es ist Sperrstunde.
Entschuldigung für die schlechte Bildqualität: um morgens um drei Uhr zu fotografieren, sind extrem lange Belichtungszeiten nötig, da kann schon Verwackeln passieren.
Die hier abgebildeten Fälle sind eh noch die mit den besseren Umständen, nämlich regengeschützt, was gerade bei diesem Septemberanfang mit Gewittern wichtig sein konnte. Härter haben es die, die auf Parkbänken übernachten und nicht vor dem Regen geschützt sind. Soll bei Männern aus Osteuropa vorkommen, die eigentlich hierher kamen, um einen Arbeitsplatz zu finden, aber nun betteln oder Sexdienstleistungen anbieten, ganz ohne Kontrolle (gerade in diesen Fällen ist Verbreitung von Geschlechtskrankheiten häufig).
Laut einer deutschen Studie sind 90% der Obdachlosen Männer, nur 10% Frauen. Vermutlich, weil Frauen bessere Chancen haben, Sozialwohnungen zu bekommen, und weil Männer eher so eine machistische (Feministinnen würden sagen, männlichkeitswahnsinnige) Art haben, sich selbst durchzuschlagen. Ich nenne das "die stolze männliche Armut" und habe gewisse Sympathien dafür. Ich kannte mal einen, der hat - damals als die Winter noch kälter waren - sich in der Nacht um die Abwärmerohre von Bäckereien gekauert, um nicht zu frieren und um schlafen zu können. Apropos Sozialwohnungen: ich habe noch im September einen Nachreichtermin in Zusammenhang mit Sozialwohnungen, und die Wohnungslosigkeit ist in diesem Fall vielleicht begrenzt.
Es gibt zahlreiche Obdachlose, die Raucher sind; die Zigarette ist in diesem fall so eine Art Heizungsersatz.
Als Obdachloser hat man auch Handicaps bei der Wohnungssuche, weil man sein ganzes Zeug immer mitschleppen muss. Umso ärgerlicher ist es natürlich, wenn man den weiten Weg (Obdachlose haben kein Verkehrsmittel, und auch in den Öffis werden Obdachlose neuerdings stärker als Geruchsbelästigung eingestuft und gemobbt, wegen des Verbots des intensiv riechenden Essens und der Verteilung von Deodorant durch Politikerinnen) auf sich nimmt, nur um dann hinterher gesagt zu bekommen, es finde keine Besichtigung statt, weil der Makler den falschen Schlüssel erhalten habe.
Kein Wunder, dass die Leute dann irgendwann aufgeben, weil sie zuwenig marktkonform sind.
Ich gehöre irgendwie immer noch zu den Privilegierten unter den Wohnungslosen, und bin vom Erscheinungsbild eher Tourist als Obdachloser, was es z.B. möglich macht, in Hotel-Lounges ein paar Stunden zu schlafen, obwohl man da oft geweckt und rausgeworfen wird.
Aber wer weiss, wie lange mein Erscheinungsbild noch so intakt bleibt?
Vorgestern war nachts noch unversperrt, die U-Bahn-Gänge sind regengeschützt und warm, wären gute Schlafplätze, aber gestern war versperrt.
Stillleben eines Wohnungslosenhaushalts
P.S.: ich kann übrigens seit (oder wegen) der Veröffentlichung der Erstversion dieses Blogs ORF (oder seit/wegen einigen heutigen Tweets) nicht mehr online hören, siehe Screenshot:
Copyright aller Bilder: D. Knoflach