Radhabinod Pal war einer der 11 Richter bei den Tokioter Kriegsverbrecherprozessen der späten 1940er Jahre, nach dem Zweiten Weltkrieg.
Er war Inder, der in Calcutta studiert hatte (Mathematik und Rechtswissenschaft), und später Rechts-Professor an der Universität Kalkutta wurde.
Da Indien einer der 11 Staaten waren, denen gegenüber Japan im August 1945 nach den Atombombenabwürfen die Kapitulation erklärte, war Indien einer der Staaten, der einen Richter für diesen Prozess entsenden durfte, und die indische Wahl für diesen Posten fiel auf Pal.
Pal war einer der 3 Richter, die eine dissenting opinion abgab, also eine abweichende Meinung.
Pals Kritik an den Tokioter Kriegsverbrecherprozessen umfasste ca. 1250 Seiten, darunter Siegerjustiz, Verstoss gegen Rechtsstaatsprinzip (nulla poena sine lege, Man kann niemanden verurteilen für etwas, was zum Tatzeitpunkt legal, bzw. nicht verboten war), Doppelmoral / Double Standards, Straffreiheit für die Atombombenabwürfe, Einstufung von unbewiesenen Gerüchten als Beweise und zahlreiche andere Punkte.
Die Veröffentlichung der Position von Pal wurde von den Siegermächten (die gleichzeitig Besatzungsmächten in Japan waren) verboten.
https://de.wikipedia.org/wiki/Radhabinod_Pal
CC / Blue Lotus https://de.wikipedia.org/wiki/Radhabinod_Pal#/media/Datei:Radha_Binod_Pal_Yasukuni_112135010_24372cdf47_o.jpg
Gedenkstein für Radhabinod Pal am Yasukuni-Schrein
Während Pal im Westen oft lächerlich gemacht wird (oder überhaupt verboten) finde ich, man sollte die Kritik von Pal an Kriegsverbrecherprozessen ernst nehmen und auch andere Kriegsverbrecherprozesse in ähnlichem Lichte kritisch betrachten, wie zum Beispiel das ICTY, das Kriegsverbrechertribunal betreffend das frühere Jugoslawien.
Die Doppelmoral bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen bestant zum Beispiel darin, dass
erstens trotz des gemeinsamen Hitler-Stalin-Pakt und des Zusatzprotokolls zur Teilung Polens die Nazielite wegen Angriffskrieg auf Polen verurteilt wurde, die Sowjetelite aber nicht,
zweitens zahlreiche Kriegsverbrechen der Sowjetunion (wie zum Beispiel das Katyn-Massaker an entwaffneten polnischen Soldaten) nicht behandelt wurden,
drittens die späten und von vielen als militärisch nutzlos eingestuften Bombardements wie das von Dresden durch die Westalliierten nicht behandelt wurden.
Eine weitere Problematik vieler Kriegsverbrecherprozesse besteht in der gruppenweise Abhandlung vieler Themen, bei der die individuelle Beweiswürdigung außer Kraft gesetzt wurde.
Ein Charakteristikum aller drei dieser Kriegsverbrecherprozesse ist der Charakter des ad-hoc-Tribunals: der Untersuchungsbereich wurde künstlich eingeschränkt; historische Zusammenhänge und Dinge, die geografische Überschreitungen des Untersuchungsgegenstands darstellten, wurden nicht zugelassen.
Damit wurde das Recht der Angeklagten, sich zu verteidigen, substanziell eingeschränkt.
Auffallend ist auch eine Dominanz des englischsprachigen Raum bei den Anklägern: von den 11 Anklägern sind je einer aus USA, Australien, Canada, GB, Neuseeland. Britisch-Indien und die Philippinen als Ex-US-Kolonie können ebenfalls diesem Kulturkreis zugerechnet werden, sodaß sieben der elf Ankläger aus einem einzigen Kulturkreis (protestantisch-dominiert, englischsprachig) kamen.
Siehe auch: