Im Kalten Krieg machte der Westen die Propaganda, dass die Demokratie perfekt sei, und die demokratischen Politiker ebenso.
Und im Vergleich zu Ostblockpolitikern, die wie der alte, senile Sowjetchef Breschnjew und zahlreiche seiner ähnlichen alten und gerontokratischen Kollegen weder frei sprechen noch sinnerfassend lesen konnten (Breschnjew sprach den vom Blatt gelesenen Rede-Text "Liebe Genossen ! Imperialisten wollen ...." so aus, als würde er "Liebe Genossen Imperialisten !" sagen), erschienen westliche Politiker tatsächlich viel besser.
Aber offensichtlich hat mit dem Untergang des Ostblocks auch der Westen sein Feindbild verloren, das die Mängel des Westens so lange aus der Wahrnehmung verdrängte.
Und die Krisen nach dem Ende des Ostblocks, wie zum Beispiel die Finanzkrise und die Flüchtlingskrise scheinen zu einer größeren Bedrohung für die Demokratie insgesamt zu werden, als es vergleichbare Krisen vor 1990 taten.
Es entstand ein neues Wutbürgertum, es entstanden neue Parteien (wie die AfD) und alte radikalisierten sich, in verschiedenste Richtungen.
Mit dem Feindbild des Ostblockkommunismus ist offensichtlich auch das Gemeinschaftsgefühl verloren gegangen, das ein Gemeinwesen wie eine Demokratie offensichtlich braucht.
Das bedeutet: eine seriöse Verfassung zu haben, ist wahrscheinlich nicht genug, damit eine Demokratie funktionieren kann.
Es besteht die Gefahr, dass mit dem Wutbürgertum eine politikunfähige, zornige Masse entsteht, die weder politisch steuerbar noch vernünftigen Argumenten zugänglich ist.
Die Finanzkrise von 2008 hatte Nullzinsen, also unter Berücksichtigung der Inflation Negativrealzinsen zur Folge, die als "finanzielle Repression" bezeichnet werden.
Die Opfer der Finanzkrise sind also die Sparer, die nicht nur keine Zinsen für ihr Erspartes mehr bekommen, sondern auch mit Kaufkraftverlusten durch Sparen wegen der Inflation rechnen müssen. Das ist eine Basis für Wut über das politische System, das durch Regulierungsmängel die Finanzkrise verursachte.
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Der deutsche Bundespräsident Steinmeyer rief in seiner Weihnachtsansprache dazu auf, miteinander zu reden ohne Schaum vor dem Mund.
Er verwendete auch die Formulierungen des "Gifteln in den sozialen Medien".
Er warnte vor dem Rückzug in die "Soziale Blase", und vor dem Auseinanderdriften der Gesellschaft in Lager die durch tiefe politische Gräben zerrissen sind. Und er verwendete auch den Begriff der "Wut".
Auf diese Rede wurde ich (als Österreicher) übrigens aufmerksam durch ein Interview mit einem AfD-Politiker, der diese Rede des Bundespräsidenten lobte.