Kürzlich hatten wir einen Blog darüber, dass die Caritas Reinigungskräfte auslagert und nicht mehr regulär anstellt. Wenn man von dem Sonderfall karititive Organisationen bzw. staatlichen und städtischen Fonds wie Fonds Soziales Wien absieht, dann sind Auslagerungen und Scheinselbständigkeit weit verbreitet, und manchmal durchaus mit gutem Grund.
(Unter Scheinselbständigkeit versteht man in etwa hauptsächlich diejenigen Einpersonenunternehmen, die nicht aus eigenem Antrieb selbständig wurden, sondern denen von Kooperationspartner, die früher reguläre Arbeitgeber gewesen wären, nahegelegt wird, selbständig zu werden)
Ähnlich wie das Entstehen eines Schwarzmarkts oft ein Anzeichen ist für das Versagen des weissen, regulären Markts (wie zum Beispiel im Ostblock die offiziellen Preise niedrig, aber die Regale leer waren, wodurch ein Schwarzmarkt mit Waren mit höheren, realistischeren Preisen entstand), so kann man die boomenden Auslagerungen und Scheinselbständigkeiten als Indiz für das Versagen des der offiziellen Politik und des offziellen Sozialstaats sehen.
Und der Mechanismus ist wie folgt:
Junge Leute sind im Durchschnitt gesunder und brauchen weniger Leistungen des Gesundheitssystems.
Einzahlen müssen sie aber als Arbeitnehmer in sozialstaatliche Gesundheitssystem in voller Höhe, wobei sie aber als Newcomer im Arbeitsmarkt, als Benachteiligte von Resten des Senioritätsprinzips (je älter man ist, um bessere Bezahlung bekommt man, unabhängig von der Leistung) und als Leute, die noch keinen Ruf und kein Renommee haben, negativ betroffen sind.
Daher kann es für junge Leute (wie zum Beispiel in der Fahrradbotenbranche üblich; Ex-Kanzler Kerns Fahrradbotenaktionismus hat da offensichtlich nchts gebracht) sinnvoll sein, sich in Scheinselbständigkeit zu bewegen, keine Gesundheitsversicherungsbeiträge zu zahlen, das Unfall- und Krankheitsrisiko selbst zu tragen, und die seltenen Fälle von Krankheit und Unfall selbst zu bezahlen; sich also aus dem Sozialstaat auszuklinken, oder dem, was die überalterten Polit- und Medienkader fälschlicherweise "Sozialstaat" nennen.
Dabei spielt auch die Moral Hazard-Problematik ein Rolle: wer versichert ist, verhält sich riskanter und verursacht mehr Unfälle als jemand, der wegen des Kostenrisikos vorsichtiger ist. Eine der Konsequenzen des Moral-Hazard-Problems ist das Bonus-Malus-System bei den Haftpflichtversicherungen für Autos, das man als teilweise Aufgabe des Versicherungsprinzips betrachten kann.
Auf jeden Fall ist die Frage interessant, ob Phänomene wie Auslagerungen und Scheinselbständigkeit geringer wären, wenn die Politik, der Sozialstaat und die Sozialpartnerschaft funktionieren würden.
Ein Problem der in Kammern und Gewerkschaften organisierten Sozialpartnerschaft, der Politik und des Sozialstaats ist, dass seine Funktionäre und -innen und Vertreter beiderlei Geschlechts im Durchschnitt älter, z.T. viel älter sind als der Durchschnitt der Vertretenen und dass sie eben wegen der eigenen Betroffenheit als Ältere die Älteren bevorzugen und die Jüngeren benachteiligen.
Es stellt sich die Frage, ob der Wahlerfolg von Sebastian Kurz als sehr jungem Politiker eine Art Wahlurnen-Revolte der Jungen gegen die überalterten Kader in Politik und Sozialpartnerschaft ist.
CC / kremlin.ru https://de.wikipedia.org/wiki/Sebastian_Kurz#/media/Datei:Sebastian_Kurz_%282018-02-28%29_%28cropped%29.jpg
Österreichs Ex- und Vielleicht-Bald-Schon-Wieder-Kanzler Sebastian Kurz: Profiteur einer Jugendrevolte gegen überalterte und versteinerte Sozialpartner, einer Männerrevolte gegen frauenbegünstigende Pensionsantrittsalterregelungen ? Zum Erfolg des jungen Mannes Kurz bei der Jugend und bei Männern könnten auch Pensionsregelungen beigetragen haben, die die Alten und die Frauen begünstigen: durch niedrigeres Pensionsantrittsalter (das die Jungen im Umlageverfahren durch ihre Pensionsversicherungsbeiträge bezahlen müssen), insbesondere bei Frauen, was in Hinsicht darauf, dass Frauen durchschnittlich länger leben als Männer besondern problematisch ist.
Auf jeden Fall erstaunlich ist, dass diese Theorie trotz Stimmigkeit in den Medien und in der Publizistik und in der Politikwissenschaft praktisch nicht erwogen wird, vielleicht deswegen, weil man Revolte und Jugendrevolte traditionell Links einstuft, wie beispielsweise die G20-Proteste, weil man die ÖVP als konservativ und nicht als revolutionär oder revoltenprofitierend einstuft, etc.
CC / kmhkmh https://de.wikipedia.org/wiki/Ostblock#/media/Datei:Ostblock_%28Europa%293.PNG
Österreich: das in den Karten vergessene letzte Land des Ostblocks, in dem Politik und Sozialpartnerschaft eine dysfunktionale Scheinwelt schaffen, gegen die die Jugend revoltiert ?
P.S.: die realitätsfremden Blogs zum Auslagerungsthema hier auf FUF haben mich dazu inspiriert, diese Theorie zu erforschen. Eben weil kleine Maxln oft Opfer der Propaganda der medial herrschenden Mächte sind, die aber sehr oft selbst realitätsfremd sind.
So gesehen kann man diesen Blog auch als Bestätigung dafür sehen, dass die offiziellen Medien erstens eher links und zweitens tatsächlich zumindest gelegentlich von einer FakeNews-Tendenz getragen sind.
Oder haben Sie schein einen Artikel "Die Asozialen Aspekte des Sozialstaats" gelesen ? Alleine schon die EU-Rhetorik und -Werbelinie, dass der Sozialstaat EU und USA unterscheide, liesse einen derartigen Artikel als antieuropäisch und politisch unkorrekt erscheinen, weshalb er nicht erscheinen kann.
CC / Foto AG Gymnasium Melle https://de.wikipedia.org/wiki/L%C3%A1szl%C3%B3_Andor#/media/Datei:Andor,_L%C3%A1szl%C3%B3-9469.jpg
Der frühere ungarische EU-Kommissar Laszlo Andor (ein Sozialdemokrat!) kritisierte ebenso wie der der verstorbene deutsche Ex-Kanzler Helmut Schmidt (SPD) das niedrige Pensionsantrittsalter in Österreich, das die Älteren begünstigt und die Jüngeren benachteiligt.
Profitiert von der Untätigkeit der österreichischen Politik und der österreichischen Sozialpartnerschaft in dieser Frage hat vor allem dem Anschein nach Sebastian Kurz.