Heute waren die österreichischen Bundespräsidentenwahlen, bzw. das, was eigentlich österreichische Bundespräsidentenwahlen hätten sein sollen.

Weder die SPÖ (Sozialdemokraten), noch die ÖVP (Konservative), noch die NEOS (Liberale) hatten Kandidaten oder Kandidatinnen nominiert, vermutlich wegen der Chancenlosigkeit, weil noch nie in der österreichischen Geschichte ein amtierender Präsident abgewählt wurde, und wegen der hohen Wahlkampfkosten, wenn man eine ernsthafte Kandidatur gemacht hätte.

Und diese Regel, dass bei der Kandidatur eines amtierenden Präsidenten es eigentlich keine Wahl gibt, sondern nur eine Bestätigung, bestätigte sich auch diesmal wieder.

Der amtierende Präsident Van der Bellen, der auch der einzige zu sein schien, der wirklich Präsident werden wollte, erhielt lt. Hochrechnung 56.1% der Stimmen.

Rosenkranz (FPÖ) erhielt 17.9%.

Wlazny (Musikband, Bierpartei) erhielt 8.4%.

Wallentin (Kronenzeitung) erhielt 8.2%.

Grosz (BZÖ-Rest) erhielt 5.6%.

Brunner (Anti-Corona-Maßnahmen-Partei MFG) erhielt 2.2%

Staudinger (Schuhfabrik) erhielt 1.6 %.

Die Wahlbeteiligung war mit 65.8% niedrig, was auch logisch ist, wenn schon vorher feststeht, wer Präsident wird.

Das dürfte die erste "Wahl" in der österreichischen Geschichte sein, in der scheinbar ein einziger Kandidat Präsident werden wollte, während die anderen Kandidaten alle mehr oder weniger Eigenwerbung oder Werbung für irgendeines ihrer Projekte (darunter Musikband, Partei, Zeitung, Buch, Schuhfabrik) oder ihren Arbeitgeber zu machen schienen.

Man kann dieses Verhalten der anderen Kandidaten auch als Mißbrauch der Demokratie betrachten: für ein Amt nur deswegen zu kandidieren, um zu verlieren, aber um Publicity für sich selbst zu erhalten, oder für eines seiner Projekte oder für den eigenen Arbeitgeber, ist nicht das, was dem Geist des Verfassungsgebers oder dem Geist des Gesetzgebers entspricht.

So gesehen haben alle alternativen Kandidaten verfassungsrechtlich problematisch gehandelt, und vermutlich gegen den Geist der Verfassung verstossen, bzw. gegen den Geist des Gesetzgebers.

Mit diesem Demokratiemißbrauch und mit diesem Wahlmißbrauch haben die alternativen Kandidaten scheinbar auch die Demokratie in Österreich schwer beschädigt, und die Politikverdrossenheit vermutlich erhöht.

Man kann nur hoffen, dass sich die schlechte Reputation, die sich Österreich durch diese Scheinwahl und durch diesen Wahlmißbrauch einhandelte, in Grenzen halten wird.

Dieser Wahlmißbrauch dürfte auch ein großes Handicap für die Zukunft sein, in der unabhängigen Kandidaten großes Mißtrauen entgegenschlagen dürfte, dass sie es mit der Kandidatur nicht ernst meinen würden, sondern nur publicitygeil seien. Und dieses durch diese "Wahl" geweckte Misstrauen dürfte auch viele Leute abhalten bzw. abschrecken, zu kandidieren, was durchaus ein Verlust für die Demokratie sein kann. Ebenso waren die Positionen der alternativen Kandidaten vielfach absurd und in eines der beiden politischen Extreme tendierend, was auch der Politik insgesamt schaden kann und die Politikverdrossenheit erhöhen.

Auch wenn manche dieser alternativen Kandidaten fälschlicherweise behaupteten, gegen die traditionelle Polit-Elite zu sein, festigten sie durch diesen Wahlmißbrauch die traditionelle Polit-Elite und beschädigten die einfachen Bürger, in deren Namen sie fälschlicherweise zu handeln und zu kandidieren behaupteten.

Dass keiner der alternativen Kandidaten ernsthaft gewinnen wollte, erkennt man auch an der von Allen (mit Ausnahme von Staudinger) betriebenen "Ausgrenzeritis" (Copyright Jörg Haider): Wlazny als dezidiert Linker wollte ÖVP-Leute und Wirtschaftstreibende aus der Regierung ausschliessen und fernhalten (völlig egal, wie die Wahlen ausgehen), und die anderen Rechtskandidaten wollten alle die Regierung mit Grünbeteiligung entlassen und Neuwahlen. Ob es verfassungsrechtlich überhaupt zulässig ist, als Präsident die (demokratisch legitimierte) Regierung zu entlassen, eine neue Regierung einzusetzen mit dem einzigen Auftrag, den Bundespräsidenten mit dem Ansetzen von Neuwahlen zu beauftragen, ist in der österreichischen Verfassung wie so vieles nicht eindeutig geregelt. Allerdings sind die meisten Verfassungsrechtler der Meinung, dass es unzulässig sei.

Der frühere Bundespräsident Kirchschläger sprach immer davon, ein Bundespräsident für alle Österreicher und Österreicherinnen sein zu wollen. Aber keiner der alternativen Kandidaten betrieb den dafür nötigen zentristischen Wahlkampf; ihre Wahlkampflinien waren eigentlich für Nationalsratswahlen passend, wo man sich durchaus Linksaußen oder Rechtsaussen positionieren kann. Den Präsidentschaftswahlkampf einzig und alleine als Vorwahlkampf für die nächsten Parlamentswahlen zu betreiben, kann man auch als Wahlmißbrauch betrachten.

Generell gingen die Vorstellungen der alternativen Kandidaten in Richtung Putinistische Präsidialdiktatur, und waren eher eine Absage an die parlamentarische Demokratie.

Wlazny ist übrigens genauso wie der in einem Korruptionssumpf versunkene Sebastian Kurz im Jahr 1986 geboren, und war der Kandidat der Jungen, die durch die Wahlaltersenkung (ca. 2007) besonders zahlreich sich an Wahlen beteiligen können, mit teilweise negativen Folgen, die der frühere ORF-Generaldirektor Gerd Bacher die "Infantilisierung der Demokratie" nannte, ein Phänomen, das man auch bei dieser Wahl beobachten konnte.

Alles in Allem eine sauteure Wahl, die man sich besser hätte sparen sollen, insbesondere, weil das Ergebnis schon lange vor der Wahl feststand.

Es gibt weltweit auch völlig andere Systeme von Wahlen: zum Beispiel auf den Philippinen kam man nur eine einzige Periode lang Präsident sein und kann danach nicht wiedergewählt werden, was auch verhindert, dass ein amtierender Präsident seine Macht für die Wiederwahl mißbraucht, so wie das bei US-Präsident Trump der Fall war.

Auf den Philippinen tritt auch ein Team aus Präsidentschaftskandidat und Vizepräsidentschaftskandidat (welchen Geschlechts auch immer) an, und es besteht die Möglichkeit des Stimmensplitting, d.h. ein Wähler oder eine Wählerin kann z.B. den Präsidentschaftskandidaten der einen Partei und die Vizepräsidentschaftskandidatin der anderen Partei wählen.

Zum Glück bleibt Österreich ein zweiter Wahlgang dieser ziemlich verrückten Wahl erspart.

Und es sollte das österreichische Bundespräsidentenwahlgesetz in zahlreichen Aspekten geändert werden. Um derartig verrückte Wahlen mit Nicht-Wirklich-Kandidaten zu verhindern, ebenso wie die Möglichkeit von Wahlmanipulation durch manipulative Umfragen und manipulative Medien auszuschliessen, wie bei der 2016-Wahl, bei der vermutlich Irmgard Griss durch krass falsche Umfragen daran gehindert wurde, in den zweiten Wahlgang einzuziehen, weil durch die krass falschen Umfragen bei den taktischen Wählern und Wählerinnen der vermutlich falsche Eindruck geschaffen wurde, nur Van der Bellen könne Hofer besiegen, aber Griss nicht.

Fachdozent/pixabay https://pixabay.com/de/photos/%c3%b6sterreich-flagge-wind-patriotismus-3045568/

Charakteristisch für den starken Drall der alternativen Kandidaten ins Putinistisch-Präsidialdiktatorische: Rosenkranz´ "Kompromisslosigkeits"-Plakat.

Während Demokratie immer ein Kompromiss ist zwischen den Koalitionsparteien und internationale Politik ein Kompromiß zwischen Staaten, steht die Kompromißlosigkeit für Diktatur und Extremismus.

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