Da es mich als Enkel eines SS-Mannes massiv betrifft, und ich zum betreffenden Thema geblockt bzw. gelöscht wurde, obwohl ich meinem Empfinden nach absolut richtig lag, möchte ich noch einmal Position beziehen erstmal zu den Aussagen von Gudenus senior und zum Prozess gegen ihn und danach zur angeblichen Erblichkeit des Nationalsozialismus.
Er hatte sich einerseits für eine Aufhebung des Verbotsgesetzes ausgesprochen, andererseits Zweifel an der offiziellen "Doktrin" angemeldet, und dritterseits behauptet, der Holocaust habe nicht im "dritten Reich" stattgefunden, sondern in Polen.
Dabei unterschlug, bzw. verschwieg er ein sehr wesentliches Faktum: dass das sogenannte "Generalgouvernement Polen" damals kein eigenständiger Staat war, wie es die Gudenus-Formulierung "Polen" suggeriert, sondern ein Satellitenstaat von Nazideutschland war, nicht unabhängig war.
Angeklagt war er wegen Leugnung des Holocaust, gröblicher Verharmlosung des Holocaust und NS-Wiederbetätigung.
Leugnung des Holocaust ist das mMn im Unterschied zu anderen "Meinungen" hier nicht, zu sagen, der Holocaust habe in Polen stattgefunden, aber nicht im "Dritten Reich".
Aber es ist NS-Verharmlosung bzw. NS-Wiederbetätigung, und er wurde dafür auch verurteilt, für ein Jahr bedingt, was am unteren Rand des Strafrahmens liegt.
Doch jetzt zurück zum eigentlichen Kern des Themas: zur These, dass es sowas wie eine Art genetischen Nationalsozialismus in Österreich und Deutschland gäbe, so etwas wie eine quasi-genetische Erblichkeit der Nazi-Ideologie.
Und als Beispiel dafür wird oft, auch hier, die Familie Gudenus, also Vater und Sohn Gudenus gebracht. Diese sind allerdings keine normale Familie, sondern eine Politiker-Familie, sodass die Möglichkeit besteht, dass sie ihre Positionen gar nicht von sich gaben, weil sie sie glaubten, sondern aus populistischen Gründen, um eben weit rechte Wähler (und in geringerem Umfang wohl Wählerinnen) zu gewinnen.
Ein gewisser sehr geringer Prozentsatz von Rechtsextremen ist global zu finden, daher ist es auch sehr unplausibel zu behaupten, der Nationalsozialismus habe Deutschland und Österreich ein spezifisches rechtsextremes Denkschema eingebrannt, das diese Länder nun angeblich präge aus linksextremer Sicht.
Noch dazu, wo die nationalsozialistische Herrschaft relativ kurz dauerte: in Deutschland zwölf Jahre (1933-1945), in Österreich sieben Jahre (1938-1945). Im Vergleich dazu herrschte der Sowjetkommunismus in Russland von 1917-1991, also 74 Jahre, was mehr als das sechsfache der Dauer des Deutschen und mehr als das Zehnfache der Dauer des Österreichischen Nationalsozialismus ist.
Also, wenn man die These der Prägung von Gesellschaft durch herrschende Ideologien vertritt, dann müsste das doch auch mit der Dauer der Herrschaft zusammenhängen und damit in Russland viel stärker sein als in Deutschland oder Österreich.
Auch der italienische Faschismus dauerte länger, von 1924-1945 (bzw. von 1922-1945), also 21 (bzw. 23) Jahre.
Obwohl daher die These von der Prägung durch herrschende Ideologien bzgl. Russland und Italien wegen der Herrschaftslänge viel plausibler wäre als in Deutschland oder gar in Österreich, so ist das, was hierzulande behauptet wird, das genau umgekehrte: die schlimmste Prägung der Gesellschaft sei die durch den Nationalsozialismus, und zwar in Österreich und Deutschland.
Auch übersehen werden zum Beispiel pubertäre Phasen der Ablehnung der Eltern, der Rebellion und Ablösung von den Eltern, die auch durch Ablehnung ihrer Ideologie erfolgt.
Gerade die 68er-Generation kann man als die Antithese zum Nationalsozialismus betrachten und daher als die Widerlegung der These von der unvermeidlichen Prägung von Familien, Milieus und Ländern.
Dabei außer acht gelassen wird immer der übertriebene Antifaschismus, der oft die Ursache für die Stabilisierung der nazinahen Milieus ist.
Eine Linke, bzw. extreme Linke, die ansonsten das Resozialisierungsideal zu vertreten behauptet, vertritt in der Frage des Nationalsozialismus und der postfaschistischen Milieus genau die gegenteilige These, die der absoluten Unvergänglichkeit , der absoluten Unbelehrbarkeit und der absoluten Unresozialisierbarkeit der postfaschistischen Milieus. Eben dadurch bleiben vielen Kindern aus postfaschistischen Milieus ja wieder nur die postfaschistischen Milieus, weil sie im linken, im antifaschistischen Milieu keine Aufnahme finden, selbst wenn sie ideologisch dazu passen würden.
Die extreme Linke erzeugt also durch ihre Totalablehnung dieser Familien genau das, was aussieht wie eine Erblichkeit einer Art Nazi-Tradition, frei nach Karl Kraus´ Bonmot "Die Psychoanalyse ist die Krankheit, für deren Heilung sie sich hält" könnte man sagen, der Antifaschismus, der vielen Kindern aus postfaschistischen Milieus jede Existenz verweigert ausser der im faschistischen Milieu, schafft genau die phänotypisch-faschistische Über-Generationen-Kontinuität, die sie zu bekämpfen fälschlicherweise vorgibt.
Was dazukommt, ist, dass es abgeschlossenen Nazi-Milieus nicht gibt, sondern dass Kinder aus post-faschistischen Milieus gesamtgesellschaftlich eingebunden sind, z.B. in Kindergarten, Schule, Universität, Lehre, etc. Und da es diese vom pervertierten Antifaschismus behaupteten Nazi-Milieus gar nicht gibt, bestehen vielfältige Entwicklungsmöglichkeiten.
Auf eine paradoxe Weise bestätigt die extreme Linke mit ihrer "Nazi-Kontinuitätstheorie über die Generationen hinweg" das, was sie behaupten, allerdings sind es dann die Linksextremen und "Antifaschisten", die in einer Denkweise, die frappant an die "Sippenhaftung" der Nazis erinnert, die Nationalsozialistische Ideologie fortsetzt, die sie dem anderen Lager vorwirft. Mit anderen Worten: die von der extremen Linken behauptete Nazi-Tradition findet ihre Bestätigung darin, dass sie selbst, die extreme Linke die "Sippenhaftungs"-Ideologie der Nazis übernimmt und auf die postfaschistischen Familien anwendet.
Dem italienischen Schriftsteller Ignazio Silone wird der Ausspruch zugeschrieben "Der neue Faschismus wird nicht sagen: ´Ich bin der Faschismus´, sondern er wird sagen ´Ich bin der Antifaschismus´ "
Und auch in diesem Sinne kann man diesen Spruch interpretieren.
Ignazio Silone war ein ZK-Mitglied der KPI, also des Zentralkomitees der italienischen kommunistischen Partei gewesen, bevor er sich wegen Stalinismus und den mörderischen Intrigen innerhalb der KPDSU abwandte vom Kommunismus.
Weitergehende Theorien über die Vertretung der offensichtlich fragwürdigen Familientradition-Denke sind:
.) sie diene nur Wahlkampfzwecken und benutze ein Schuldgefühl. Nur durch Wählen von Linksparteien könnten Kinder und Enkel von Nazis eine Sündenfreisprechung erhalten wie durch den Ablasshandel.
.) die extreme Linke brauche ein möglichst erschreckendes Feindbild, um von ihren nicht mehrheitsfähigen Konzepten abzulenken, und dies sei eben der Nationalsozialismus, und wo kein wirklicher Nationalsozialismus existiere, da müsse man eben einen erfinden, z.B durch die These von der Kontinuität und Unaufbrechlichkeit von Nazi-Milieus.
.) Wie viele "Anti-"-Ideologien neige der Antifaschismus bei Feindesmangel dazu, die Feinddefinition zu ändern und zu erweitern, und nicht mehr nur die wirklichen Vertreter der Nazis als "Nazis" zu bezeichnen, sondern auch die Kinder und Enkel der Nazis, unabhängig davon, ob sie die Nazi-Ideologie ablehnen oder nicht.
Der österreichische Philosoph Rudolf Burger, der auch Rektor der Universität für Angewandte Kunst Wien war, schreib ein paar Bücher zu ähnlichen Themen: "Im Namen der Geschichte - vom Mißbrauch der historischen Vernunft"
und den Essay "Die Irrtümer der Gedenkpolitik. Ein Plädoyer für das Vergessen" in der Europäischen Rundschau, den er später auch zu einem Buch erweiterte.
Wenn die sogenannte Vergangenheitsbewältigung wirklich nur mehr missbrauchend oder überwiegend missbrauchend geschieht, unseriös, mit falschen Mitteln und falschen Argumenten, mit mehr Kollateralschaden als Nutzen, dann ist es vielleicht wirklich besser, die Geschichte zu vergessen, besser, den Nationalsozialismus zu vergessen.
Es stellt sich auch die Frage, ob dieses Zerrbild des Antifaschismus nicht letztlich genau jenen Parteien nutzt, denen es schaden sollte. Jörg Haider, der frühere FPÖ-Vorsitzende, antwortete einmal auf die Frage, was er seinen Gegnern ins Stammbuch schreiben würde: "Gar nix, weil die lernen´s sowieso nie ..... oder doch: Bleibt so, wie Ihr seid, Ihr habt uns genutzt, Danke, Euer Jörg".
Auch wenn der Versuch, die Geschichte wahltaktisch zu missbrauchen, auf der extremen Linken sehr plausibel erscheint, so scheint er in der politischen Mitte doch den Rechtsruck auszulösen, den die extreme Linke dann immer wieder beklagt. Ich verwende hier den Begriff der extremen Linken, um sie von der moderaten Linken zu unterscheiden, wie z.B. dem früheren SPD-Kanzler Helmut Schmidt, der Ähnliches nie versuchte.
Der (in vielen Fällen unzutreffende) Nazi-Vorwurf ist nun nicht irgendeine Kleinigkeit, sondern kann auch als üble Nachrede, als Rufschädigung, als Geschäftsschädigung oder als Vorwurf der NS-Wiederbetätigung gesehen werden, bzw. u.U. sein. Und als solcher ist der Nazi-Vorwurf in vielen Fällen strafbar. Bzw. wäre es. Gerade bei der üblen Nachrede in dieser Form besteht in vielen Fällen keine Klagbarkeit, entweder wegen Anonymität des Tätigers, wegen Verklausuliertheit, wegen zahlreichen anderen Gründen.
CC / Bundesarchiv https://de.wikipedia.org/wiki/Adolf_Hitler#/media/Datei:Bundesarchiv_Bild_183-H1216-0500-002,_Adolf_Hitler.jpg
Einer der schlimmsten Diktatoren Adolf Hitler: zu wirksamkeitsversprechend, als dass die extreme Linken nicht versuchen würde, ihn zu missbrauchen ?
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Baby oder Nazi ? Wie sinnvoll ist es, alle Kinder aus postfaschistischen Milieus von Vornherein mit dem Nazi-Vorwurf zu stigmatisieren, z.B. weil sie blaue Kleidung tragen, die hierzulande mit der FPÖ assoziiert wird, weil das die Parteifarbe der FPÖ ist ? Die aber auch als die Bubenfarbe gilt ... im Unterschied zu dem Rosa als der Mädchenfarbe ...