Ich bin jetzt schon viele Jahrzehnte lang politischer Beobachter, und ich bin der Nachrichten irgendwie müde. Die Krisen wiederholen sich, ohne dass irgendjemand etwas zu lernen scheint. Der Westen beharrt auf etwas, das auf den ersten Blick wie ultrahumanistische Prinzipien aussieht, die allzuoft nur einen "klitzekleinen" Haken haben: sie funktionieren in der Praxis nicht.
Die heutige Syrien-Krise ist irgendwie ein Dejavu, eine Wiederholung der Bosnien-Krise der 1990er Jahre, und bereits die Bosnien-Krise war eine Wiederholung der Libanon-Krise der 1980er Jahre. Syrien, Bosnien und der Libanon hatten eine Gemeinsamkeit: sie waren "multikulturelle Gesellschaften". Wie wunderbar für politisch korrekte Idealisten in der Theorie, wie tödlich und katastrophal in der Wirklichkeit, die so garstig ist, sich überhaupt nicht an die weltfremden Theorien der politischen Idealisten zu halten.
Vielleicht liegt die Weltgemeinschaft komplett falsch. Vielleicht muß man die Wahrheit und die Lösung tief in der Vergangenheit suchen: 1923 wurden im Zuge des Lausanne-Vertrags Zwangsumsiedlungen (von Griechen und Türken) beschlossen, die im ersten Moment grausam waren, aber langfristig stabile Verhältnisse schufen.
Wir angeblich Moderne machen´s gerne umgekehrt: wir beschliessen oberflächlich human aussehende Lösungen, die langfristig grausam sind.
Zwangsumsiedlungen und Teilung von Syrien könnte einheitliche Gebiete schaffen, ohne interne Streitigkeiten. Und anstelle des jetzigen Streits rund um die Kontrolle ganz Syriens könnte dann eine Teilung beschlossen werden. Russland, China oder Iran könnten intensive Beziehungen zu einem "ethnisch gesäuberten" alawitischen Westen unterhalten. USA, Türkei oder Saudi-Arabien könnten Beziehungen zu einem "ethnisch gesäuberten" sunnitischen Osten unterhalten. (Das ist eine sehr vereinfachte Darstellung, die Zahlreiches ausklammert, wie beispielsweise die Kurden)
Realpolitisch gesehen könnte Folgendes gelten:
ZWANGSUMSIEDLUNGEN SIND BESSER ALS MASSENMORDE.
In Verbindung damit könnte auch Geburtenbegrenzung beschlossen werden, die verhindert, dass Geburtenüberschüsse zu jahrzehntelangen Flüchtlingswellen führen.
Die Zustände in Aleppo sind schlimm für jemanden, der Frieden gewohnt ist, aber für jemanden, der die Kriegsgeschichte kennt, ist vielleicht das Ärgerlichste, wie wenig die Staatengemeinschaft aus ähnlichen Ereignissen in der Vergangenheit lernte.
Nicht nur zwischen Türkei und Griechenland, sondern auch zwischen Pakistan/Bangla Desh und Indien gab es Zwangsumsiedlungen/Bevölkerungsaustausche.
Es geht nicht darum, wie grausam derartige Maßnahmen sind, sondern es geht um die Frage, ob diese Maßnahmen weniger grausam sind als die realpolitisch erreichbaren Alternativen.
Eine Alternative zu Zwangsumsiedlungen wären natürlich riskante Evakuierungen. Eine weitere mögliche Alternative wäre vielleicht eine Reform der UNO, z.B. des UNO-Sicherheitsrats, beispielsweise auch in der Form, dass die Untersuchung und Bestrafung von Kriegsverbrechen in Zukunft nicht mehr von Vetomächten blockiert werden können.
Die politischen Eliten aller Staaten wußten wohl, dass Syrien aufgrund seiner ethnischen und religiösen Zusammensetzung ein Pulverfass ist, das explodieren kann; ein potenzieller Konfliktherd. Dennoch haben sie (auch Deutschland, Österreich, etc.) nichts getan.
Man kann das als billigende Inkaufnahme des heutigen Krieges betrachten.
Hinterher Moralisieren ist leicht. Aber vor einer absehbaren und vorhersehbaren Katastrophe nichts zu tun, und hinterher den Moralapostel zu spielen, halte ich für keine besonders moralische Position.