Pfingsten ist vorbei und der Eurovision Song Contest 2015 ist auch vorbei. Deutschland war mal wieder nicht besonders gut, wie schon häufiger, diesmal waren es aber, sage und schreibe, null Punkte. Nach kurzen lapidaren Analysen geht man wieder zur Tagesordnung über.
Aber, liebe deutschen Landsleute – nicht mit mir! Die Erklärungsversuche erscheinen mir doch ein bisschen hölzern und albern.
Die Rheinische Post aus Düsseldorf meint hier
es habe am deutschen Vorentscheid gelegen, nach dem ja der Sieger Andreas Kümmert seine Teilnahme zurückgezogen hat und Ann Sophie als Zweite zum ESC geschickt wurde. So sei ja klar, dass sie von vornherein nur die Ersatzlösung war. Entschuldigung, liebe Rheinische Post, wer weiß denn das überhaupt in Europa ? Weiß das ein Anrufer in, sagen wir mal, Island oder Portugal? Meint man bei der Rheinischen Post, dass sich alle für den deutschen Vorentscheid interessiert haben? Ist doch wohl an den Haaren herbei gezogen !
Der Focus gibt hier die Interpretation Peter Urbans, des erfahrenen deutschen ESC-Kommentators wieder:
Urban denkt, dass das System des Wettbewerbs die deutsche Teilnehmerin ungünstig bewertet hat. Nun – die Regeln des Wettbewerbs sind für alle gleich, das ist keine Erklärung. Das wäre so, als ob ich die Niederlage einer Fußballmannschaft mit der Abseitsregel erkläre.
Die Erklärungsversuche für die null Punkte Deutschlands sind mehr als dünn, gehen am wahren Hintergrund vorbei und sind in meinen Augen eigentlich nichts weiter als kollektive Verdrängung.
Es ist für mich auch keine Frage der Auswahl der Künstler wie der ESC-Experte (wie wird man das ? Nebenbei mal gefragt.) Irving Wolther im gleichen Focus-Artikel sagt.
Und die Bild fordert die Rückkehr von Stefan Raab ins ESC-Geschäft:
Ich behaupte mal: Stefan Raab, Nicole, Guildo Horn und Lena im Quartett hätten nicht viel mehr Punkte bekommen !
Wie der Kollege Stefan Schett hier
https://www.fischundfleisch.com/blogs/politik/wie-politisch-ist-der-song-contest.html
sehr gut und sehr richtig ausführt: der ESC ist politisch, war es immer und soll es auch ruhig sein.
George Orwell meinte einmal: „Sport is war minus shooting“. Ich denke mal, den ESC sollte man auch so sehen, auch das ist ein Feld auf dem man Konflikte austragen kann.
Wer sich also nicht traut, politische Erklärungen für das deutsche ESC-Desaster zu suchen, wird den Dingen nicht näherkommen.
Deutschland ist in Europa isoliert – das ist die Leehre aus dem ESC 2015 !
Deutschland ist in Südeuropa und Frankreich unbeliebt geworden, weil es diesen Teilen Europas sein Wirtschafts- und Sozialmodell und Austeritätspolitik vorschreiben will.
Der Umgang Deutschlands mit Griechenland führt nicht nur dort zu Ablehnung, sondern auch im ganzen orthodoxen Kulturkreis.
Die antirussische deutsche Politik stößt auf Widerstand in Russland selber und in den (wenigen) mit Russland verbündeten Ländern. Auch in den eigentlich westlich orientierten Ländern Osteuropas legt man wohl doch auch Wert auf gute Beziehungen zu Russland (der russische Beitrag bekam von dort sehr viele Punkte).
Die Sicht der meisten direkten Nachbarstaaten auf Deutschland ist eh traditionell kritisch (warum, das soll mir noch einen gesonderten Blogpost wert sein).
Tja, da bleiben Deutschland nicht mehr viele Freunde.
Zu allem Überfluss hat der deutsche BND der amerikanischen NSA nach Kräften beim Spionieren geholfen, sogar was das Ausspähen von Nachbarländern, zumindest was Österreich angeht.
Deutschland als bester Helfershelfer amerikanischer Interessen auf dem europäischen Kontinent, sozusagen das amerikanische trojanische Pferd. Leider konnten die Amerikaner nicht beim ESC mit abstimmen.
Bei den Europäern macht sich Deutschland zur Zeit eher Feinde – die Antwort lautet: null Punkte !
Wird mal Zeit, dass wir darüber nachdenken.
Viele Grüße
Dirk