Nein, Herr Bundeskanzler, Muslime sind nicht die neuen Juden

Es ist nicht allzu lange her, da hatten sich Bundespräsident Van der Bellen und Papst Franziskus in unpassenden Vergleichen der Gegenwart zur Zeit des Nationalsozialismus verstiegen. Und nun auch unser Bundeskanzler Christian Kern. Jetzt ist Christian Kern zwar mit Sicherheit über jeden Verdacht erhaben, ein unklares Verhältnis zur Geschichte Österreichs zu haben. Weit mehr, man kann zurecht davon ausgehen, dass er sich sehr wohl der historischen Verantwortung Österreichs in hohem Maße bewusst ist.

Umso mehr verwundert es dann, wenn er - wie gestern Abend in seiner Rede zum Iftar-Empfang der Islamischen Glaubensgemeinschaft - einen historisch falschen und politisch unpassenden Vergleich zwischen der Situation der Muslime im Österreich des Jahres 2017 zu jener der Juden in den 1930er Jahren zieht. Wie die APA berichtet, verurteilte Kern "politische Tendenzen, die zunehmend Platz greifen" und Muslime als Menschen zweiter Klasse sehen würden. Denn auch vor 70 Jahren sei der Gewalt der Worte die Gewalt der Taten entsprungen.

Bei allem Respekt: nein, Herr Bundeskanzler, nein. Die Muslime sind nicht die neuen Juden. Denn: anders als vor 70 Jahren geht die Gewalt, die wir heute in Europa erleben, mit Sicherheit nicht von der Mehrheitsbevölkerung aus. Vielmehr - und diese Tatsache muss man nüchtern ansprechen - ist der Terror von heute ein Phänomen, das im Islam seine Legitimation sucht und findet. Damit ist nicht jeder Muslim ein Terrorist. Allerdings ist jeder Muslim gefordert, sich deutlich und kritisch mit der Tatsache auseinander zu setzen, dass im Namen seiner Religion gemordet wird. Die Katholische Kirche hat das für ihren Teil getan. Und um schließlich auf die Juden zurück zu kommen, sei schon der Hinweis gestattet, dass es in den 1930er Jahren unter Berufung auf das Judentum weder zu Terroranschlägen gekommen ist, noch zum Versuch einer jüdischen Missionierung Europas.

Islamophobie ist vor diesem Hintergrund auch nicht mit Antisemitismus gleichzusetzen. Furcht vor Terror und Sorge gegenüber einem reaktionären und den Werten der Aufklärung zuwiderlaufenden Islam mit diesem Begriff brandmarken zu wollen, erscheint geradezu absurd. Phobien, so schreibt der Wiener Psychoanalytiker Martin Engelberg in seiner Presse-Kolumne, seien "exzessive Angstreaktionen beim Fehlen einer akuten äußeren Gefahr oder Bedrohung." Nach Charlie Hebdo, Bataclan, Nizza*, dem Berliner Weihnachtsmarkt sowie vergangene Woche dem Anschlag an der London Bridge erscheint zumindest mir diese Bedrohung als ziemlich real... zu real jedenfalls, um sie mit unpassenden Vergleichen zu verharmlosen.

*) Korrektur auf Hinweis von "isabella": ursprünglich "Marseille" geschrieben. Richtig: "Nizza" - Danke für den Hinweis

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