USA 2025: Kein Verbrechen, kein Richter, alle legalen Papiere... aber ab ins Konzentrationslager!

Unsere Fallakte 102: Der Junge, der kein Verbrechen beging

Es war ein gewöhnlicher Tag im März, einer dieser Tage, an dem das Licht über dem Bronx-Himmel flach und unscheinbar liegt, als die Tür zur amerikanischen Freiheit sich für Merwil Gutiérrez lautlos schloss. Ohne Anklage. Ohne Haftbefehl. Ohne Erklärung.

Der neunzehnjährige Asylbewerber aus Venezuela war gerade auf dem Heimweg, als ihn ein Beamter der U.S. Immigration and Customs Enforcement (ICE) auf der Treppe seines Wohnhauses in New York abfing. „Das ist nicht der Richtige“, sagte einer der Männer in Uniform. Ein anderer jedoch entgegnete mit einem Satz, der sich in das Gedächtnis seiner Familie eingebrannt hat: „Nimm ihn trotzdem mit.“

So beginnt die Chronik eines Verschwindens.

Merwil hatte keine Vorstrafen. Er hatte keine Tattoos. Er war kein Gangmitglied. Er war kein illegaler Einwanderer. Er hatte einen Gerichtstermin für Februar 2027 – einen offiziellen, legalen Anhörungstermin, ausgestellt von einem amerikanischen Gericht. Er war das, was man in den Worten des Gesetzes einen „rechtschaffenen Antragsteller“ nennt. Doch kein Gesetz hielt ICE davon ab, ihn zu verschleppen. Kein Richter schritt ein. Kein Beamter widersprach laut.

Es war, als hätte jemand das System auf „Ausnahmezustand“ gestellt – und das System gehorchte.

Sein Vater, Wilmer Gutiérrez, ein schmaler Mann mit stillen Schultern und einem Telefon voller Erinnerungen, blättert heute durch Bilder aus der Vergangenheit: ein Vater und sein Sohn im dichten Grün der kolumbianischen Grenze. Zwei Hände, die sich gegenseitig stützen auf einem Weg, der Hoffnung hieß. Der Weg, der sie zu Fuß von Venezuela bis zur Grenze bei Ciudad Juárez geführt hatte. Die legale Einreise, die Dokumente, die Arbeitserlaubnis, die Sozialversicherungsnummer. Alles, was man tun sollte, hatte Merwil getan.

Und doch wurde er abgeschoben – nicht zurück in sein Herkunftsland, sondern in das Terrorgefängnis CECOT in El Salvador. Ein Ort, von dem Menschenrechtsorganisationen sagen, dass er eher einem Konzentrationslager als einem rechtsstaatlichen Gefängnis gleicht. Dort sitzt er nun, nach Recherchen, im Sektor Área Roja ein.

Der Alien Enemies Act von 1798 – ein Fossil aus den Tagen vor der französischen Revolution – wurde durch Präsident Donald Trump reaktiviert, als sei die Verfassung selbst ein Werkzeugkasten für willkürliche Rache. Der Präsident sprach von einer „Invasion“, von „Gangs“, von „nationaler Bedrohung“. Merwil war keine Bedrohung. Aber er war jung, er war Venezolaner, und er war greifbar.

Also nahm man ihn.

Die Regierung gab keine Dokumente heraus. Sein Vater irrte von Dienststelle zu Dienststelle, klopfte an Türen, erhielt nichts als Schulterzucken. Der Online-ICE-Locator listete seinen Sohn zuletzt in Pennsylvania. Dann verschwand sein Name. Und tauchte – wie durch ein Leck – auf einer Deportationsliste für El Salvador auf.

Dort sitzt er nun, in Zelle 3 oder 30 oder 3000, in Bukeles Betonfestung, gebaut für Terroristen, befüllt mit Unschuldigen, 75 % der Deportierten haben keine Vorstrafen. Der Staat schweigt. Die Beamten schweigen. Die Mitverantwortlichen sagen: „Uns sind die Hände gebunden.“

Aber wessen Hände schnürten die Fesseln?

Kilmar Abrego Garcia, ein anderer Venezolaner, wurde „aus Versehen“ deportiert. Der Oberste Gerichtshof urteilte einstimmig: Er muss zurückgeholt werden. Trump erklärte öffentlich: Er würde es tun, „wenn das Gericht es sagt“. Nun hat das Gericht gesprochen – und Trump schweigt. Bukele sagt, er könne nicht. Zwei Männer, die sich als Macher inszenieren, als Lenker des Schicksals, strecken die Hände in die Luft und sagen: „Was können wir schon tun?“

Es ist ein Schauspiel. Aber es ist kein Theater. Es ist Realität.

Die Vereinigten Staaten finanzieren ein Konzentrationslager. Sie entführen legale Migranten von den Straßen amerikanischer Städte, deportieren sie ohne Anklage, ohne Prozess, ohne Urteil. Und sie sperren sie ein. In Länder, mit denen sie Abkommen treffen. In Gefängnisse, die sie mit Geld versorgen. In Schweigen, das sie selbst erzeugen.

Und wir? Wir erzählen diese Geschichten nicht, um Angst zu schüren. Wir erzählen sie, um ein Bewusstsein zu schaffen. Denn eines Tages, vielleicht bald, werden sie auch uns etwas befehlen, das Unrecht ist - und wieder geht die Reise nach El Salvador.

Dann müssen wir bereit sein, zu sagen: Nein.

Dann müssen Beamte ihre Masken ablegen. Anwälte ihre Mandate verweigern. Fluggesellschaften wie Avelo ihre Verträge kündigen. Dann müssen Bürger sich erheben, Nachbarn beschützen, für Recht eintreten, wo der Staat Unrecht verordnet.

Denn ein Junge, der alles richtig gemacht hat, sitzt jetzt irgendwo in El Salvador in einem Käfig.

Sein Name ist Merwil Gutiérrez.

Er ist 19 Jahre alt.

Und er hätte nie verschwinden dürfen.

Fallakte 102

Ein Name unter Hunderten.

Ein Symbol für das, was grade passiert – und wir alle nicht sehen wollen.

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Gott

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