Für ein Matussekverbot an Karfreitag!

Wenn Matthias Matussek am Karfreitag einen Meinungsaufsatz in der Welt veröffentlicht, dann hat man Schlimmes zu befürchten. Neben dem weinerlichen Unterton des Titels "Was ist denn so schlecht an christlichen Werten?" fällt zunächst auf: Er kann gar nicht argumentieren, sondern nur behaupten. Es geht bereits los mit einer Pathologisierung von Gesellschaften, in denen Religion nicht ernst genommen wird. Abgesehen davon, dass eine Religion, je ernster sie in einer Gesellschaft genommen wird, einen umso größeren Zwangscharakter für den Einzelnen entfaltet, bleibt er jegliche Erklärung seiner These schuldig, warum eine Gesellschaft, in der Religion nicht ernst genommen wird, "krank" sein soll. Vielleicht ist ihm das auch selber nicht völlig klar und er will einfach nur gleich zu Beginn des Artikels mit möglichst provozierendem Vokabular auf den Putz hauen.

Im Anschluß daran wird es aber wieder eine Nummer kleiner. Der Aufhänger seines Artikels ist nicht mehr und nicht weniger als eine Pressemitteilung der JuLi-Ortsgruppe in der Kleinstadt Gießen. Man mag der Jugendorganisation der FDP vieles vorwerfen, aber in diesem konkreten Fall kann man den Gießener JuLis einfach nur beipflichten:

Matusseks Gegenposition, die von individuellen Entscheidungen nichts wissen will, baut schließlich auf dem abenteuerlichen Versuch auf, Deutschland zu einem nach wie vor tiefreligiösen christlichen Land zu erklären. Dabei st bereits die Einschätzung, 2/3 der deutschen Bevölkerung seien Kirchensteuerzahler, etwas übertrieben. Realistischer dürfte eine Zahl knapp unter 60% sein, da die katholische und die evangelische Kirche zusammen auf 58% kommen (Stand 2011) und die meisten anderen christlichen Konfessionen auf den Einzug einer Kirchensteuer verzichten. Vollkommen absurd wird es dann aber als Matussek unterstellt, dass alle Kirchensteuerzahler quasi kollektiv den Tod Jesu am Kreuz betrauern. Matussek würde wohl vom Glauben abfallen, wenn er wüsste, wieviele Leute, die Kirchensteuer zahlen, heute Fleisch gegessen haben und sich darauf freuen, Ostereier zu bemalen.

Von dort aus ist es dann auch nicht mehr weit zur Beschwörung christlicher Traditionen als Bollwerk gegen die drohende Islamisierung des Abendlandes. Dazu wird sogar die irrsinnige These aufgestellt, dass die Emanzipation von Frauen und Homosexuellen und die Aufklärung überhaupt (die Matussek bei Thomas von Aquin im 13. Jahrhundert beginnen lässt) christliche Entwicklungen seien. Man muss kein Geschichtsstudium absolviert haben, um zu wissen, dass die moderne westliche Welt sich nur entwickeln konnte im Konflikt mit dem Christentum und sich nur dort wirklich durchgesetzt hat, wo das Christentum tatsächlich nur eine Religionsgemeinschaft unter anderen ist, was Matussek so sehr bejammert. Da ist es nur folgerichtig, wenn er darauf verweist, dass die Islamverbände angeblich über die Karfreitagsdebatte lachen und Muslime in aller Welt sie nicht verstehen. In das Gefühl der Bedrohung mischt sich dabei unverhohlener Neid. Er hätte auch einfach schreiben können: "Schaut euch mal die Muslime an, die nehmen ihre Religion wenigstens noch ernst!" Die Geschichte bietet reichlich Anschauungsmaterial, wohin es führt, wenn man Religionen, Nationen, Völker und andere Kollektivsubjekte ernst nimmt. Wieso nimmt man zur Abwechslung nicht einmal den einzelnen Menschen und seine freie persönliche Entfaltung ernst?

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Herbert Erregger

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mr_mir@live.de

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Silvia Jelincic

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fischundfleisch

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Dominic

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