Was auch über Tote gesagt werden muss

Günther Grass ist tot. Seine letzte Tinte ist nun endgültig aufgebraucht und so bleibt der Welt ein neues Gedicht erspart. Sein "mit letzter Tinte" geschriebenes Anti-Israel-Gedicht unter dem vielsagenden Titel "Was gesagt werden muss" liegt nun auch schon drei Jahre zurück. In einem Großteil der Nachrufe, die heute in der Presse erschienen nimmt dies, ebenso wie seine Zeit in der Waffen-SS nur eine Randposition ein. In der Bild heißt es sogar, er sei einer der "ganz großen Deutschen" gewesen, was auch nicht unzutreffend ist, denn Grass stand repräsentativ für das, worin so viele Deutsche groß waren bzw. sind, nämlich der eigenen Nazivergangenheit im Hass auf Israel weiterhin Ausdruck zu verleihen. In der Antisemitismusforschung gibt es dafür den Begriff des sekundären Antisemitismus.

Grass hat mit seinem Gedicht ein Musterbeispiel für sekundären Antisemitismus vorgelegt. Es beginnt bereits mit der Einleitung "Warum schweige ich, verschweige zu lange, was offensichtlich ist ...", die den vermeintlichen Tabubruch vorbereiten soll. Antisemiten und sogenannte "Israelkritiker" sehen sich nämlich als rebellische Tabubrecher, die etwas sagen, was sich sonst niemand zu sagen traut. Eine solche Einschätzung hat beinahe schon wahnhaften Charakter angesichts der Fixierung auf "Israelkritik" in deutschen Medien und an deutschen Stammtischen. Die übliche Klage, man dürfe ja gar nichts Kritisches über Israel sagen ohne als Antisemit zu gelten, findet sich, in bildungssprachlicher Formulierung, auch im Gedicht. Grass beklagte, er habe bislang geschwiegen aus Furcht vor dem "Verdikt"des Antisemitismus. Seine Unterstellung, Israel behaupte das Recht auf einen atomaren Erstschlag gegen den Iran und die Auslöschung des iranischen Volkes hielt er vermutlich für "legitime Israelkritik".

Nicht nur in seinem grauenhaften Gedicht, sondern bereits in einem Spiegel Online-Interview aus dem Jahr 2001 beharrte Grass darauf, dass Israel der Schuldige am Konflikt sei. Allerdings geht er da sogar noch einen Schritt weiter und fordert, dass Israel gänzlich verschwinden solle: "Israel muss aber nicht nur besetzte Gebiete räumen. Auch die Besitznahme palästinensischen Bodens und seine israelische Besiedlung ist eine kriminelle Handlung. Das muss nicht nur aufhören, sondern rückgängig gemacht werden. Sonst kehrt dort kein Frieden ein." In dieser Denkweise ist also nicht nur das Westjordanland und der Gazastreifen "palästinensischer Boden" sondern auch der Staat Israel. Unbegreiflich, wie Grass es unmittelbar danach noch schafft, sich als Freund Israels zu inszenieren. Genau dies war jedoch charakteristisch für Grass. Was er verkörperte, war eine Art Salon-Antisemitismus, einer, der sich nicht in wütendem Gebrülle äußerte, sondern im Gewande der aufrichtigen Sorge um den angeblich von Israel bedrohten "Weltfrieden". Seine SS-Vergangenheit konnte er nie ganz hinter sich lassen.

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Dieter Knoflach

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Jürgen Heimlich

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Claudia Braunstein

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