Naives Tagebuch,
eine wilde und doch plausible Theorie, die mir viele schlaflose Nächte bereitet hatte und die es jetzt zu beweisen gilt, hat mich nach Wien geführt. Dort sitze ich jetzt im Café eines namhaften Hotels und warte auf einen fachkundigen Kellner, der mir womöglich weiterhelfen kann.
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Nach einer schier endlosen und sehr emotionalen Diskussion mit dem Kellner, einer durchaus aufschlussreichen Vorführung mit Handpuppen seitens des Putzpersonals und einem Diavortrag im Büro des Hoteldirektors, bei dem auch Sippie der Hausmeister anwesend war, bin ich jetzt überzeugt, dass es unmöglich ist, Süßspeisen dazu zu bringen, von selbst nachzuwachsen. Obwohl ich meine Theorie von wachsenden Torten nicht bestätigen konnte, bin ich doch froh, in diesem traditionsreichen Kaffeehaus in Wien gewesen zu sein, denn ich habe hier Freunde fürs Leben gewonnen. Sippie erzählte mir sogar sein, wie er sagte, größtes Geheimnis. Und obwohl ich seiner Behauptung skeptisch gegenüberstehe, dass er tatsächlich ganz Wien und Teile von Graz mit einem weit verzweigten Tunnelsystem untergraben hat, finde ich es schön, wenn man mir so viel Vertrauen entgegenbringt. Um alle Zweifel zu zerstreuen, hat er mir sogar angeboten, mich in seine unterirdische Welt mitzunehmen. Ich bin gespannt.
Drei Tage sind vergangen, bis man mich gefunden hat. Das Tunnelsystem stellte sich als Abstellkammer im Keller des Hauses heraus und die Angestellten sagten mir, dass sie von einem gewissen Sippie noch nie etwas gehört hätten. So schnell gehen Freundschaften wohl zu Ende. Vielleicht war es die Ruhe in dieser kleinen Kammer, vielleicht auch der Sauerstoffmangel, aber ich fühle mich wie neugeboren und bin bereit, meine Wienreise fortzusetzen.
Da ich mir die Kosten für eine Unterkunft erspart hatte und sowieso schon in der Nähe war, nahm ich mir die Zeit und besichtigte auch den Stephansdom. Schade nur, dass sich in all den Jahren noch immer keiner die Mühe gemacht hat, das Ding endlich fertigzubauen. Beim Eingang geriet ich in eine japanische Reisegruppe. Ich habe mich noch nie in meinen Leben so groß gefühlt. Eine ältere Frau wich mir während der ganzen Führung nicht von der Seite und redete immer lauter werdend auf mich ein. Ich glaube, sie wollte mich mit ihrer Tochter verheiraten, es könnte aber auch ein Rezept für eine Bohnensuppe gewesen sein. Sie wurde bei ihrem unverständlichen Monolog immer aggressiver, sprang mich schließlich wutentbrannt an und riss mir büschelweise die Haare vom Kopf. Der Mann vom Sicherheitsdienst benötigte drei Dosen Pfefferspray und einen Elektroschocker, um die wildgewordene Frau dazu zu bringen, von mir abzulassen. Trotz des Zwischenfalls lud mich der Reiseleiter ein, beim Gruppenfoto der Reisegruppe dabei zu sein. Ich konnte schlecht ablehnen, da die aggressive Frau neben ihm stand und mich mit ihrem Blick spüren ließ, dass sie ein Nein nicht akzeptieren würde. Wir tauschten Nummern aus, versprachen uns, in Kontakt zu bleiben und schließlich verabschiedete ich mich von meinen asiatischen Freunden, denn ich musste noch meinen Zug erwischen.
Ich verlasse Wien wieder, naives Tagebuch. Ich sitze bereits im Zug, doch fühle ich mich noch immer unbehaglich, da mir die japanische Touristin bis zum Bahnhof gefolgt ist und mich jetzt durch das Fenster des Zuges hindurch anstarrt. Ich wollte sie ignorieren und auf meinem Handy die Fotos meiner Reise ansehen, doch waren diese von dem Mann, der sich selbst Sippie nennt, gelöscht und durch Selfies von ihm ersetzt worden. Sollte ich ihm je wieder begegnen, werde ich ihm sagen müssen, dass ihm Lippenstift nicht sonderlich steht. Dafür sind Freunde schließlich da.
Bis bald, naives Tagebuch!