Geht es nach dem türkischen Europa-Minister Volkan Bozkir möchte die Türkei in zwei Jahren reif für den Beitritt zur EU sein. Geht es nach den Menschen in vielen EU-Ländern, wird die Türkei wohl nie der EU beitreten. Warum eigentlich nicht? Gefühlter Hauptgrund: Weil das Verhältnis zwischen vielen hier lebenden Menschen mit türkischen Wurzeln und ihren alteingesessenen Nachbarn nicht unbedingt das Beste ist. Misstrauen, keine gegenseitige Wertschätzung und kein Miteinander. Und vor allem wenig gemeinsame Wertvorstellungen, welche das alltägliche Zusammenleben harmonischer und damit auch angenehmer gestalten würden. Wer ist Schuld daran? Wie immer wahrscheinlich beide Seiten. Stark anzunehmen, dass die meisten der Beteiligten wissen dass es nötig ist aufeinander zuzugehen. Das Problem dabei: Zwischen Wissen und Tun, zwischen theoretischem Anspruch und praktischer Realität klafft ein Unterschied in der Breite des Bosporus. Also eine Spaltung, die nur mit relativ hohem Aufwand und nicht von heute auf morgen überbrückt werden kann. Wie es aussieht wird es noch Jahrzehnte dauern, bis sich das Verhältnis zwischen einer türkischen Minderheit und der einheimischen Mehrheit harmonisch gestaltet - und bis die breite Mehrheit der türkischen Einwanderer und ihre Nachkommen das österreichische Gesellschaftssystem verinnerlicht hat und sich dadurch endgültig zu Hause fühlen kann. Was dies alles mit dem EU-Beitritt der Türkei zu tun hat? Offenbar hat die Türkei starken politischen und religiösen Einfluss auf die in Europa lebenden Türken und macht auch keine Anstalten, auf diesen Einfluss zu verzichten. Die Türkei mag eine aufstrebende Wirtschaftsmacht sein, Istanbul eine der aufregendsten Städte der Welt und Reisende begeistert von der Gastfreundschaft der Menschen in der Türkei sein. Solange es hinsichtlich der alltäglichen Wertvorstellungen keine tragfähige gemeinsame Basis zwischen den meisten alteingesessenen Österreichern und ihren Nachbarn mit türkischen Wurzeln gibt liegt auch die Zustimmung der Österreicher zu einem EU-Beitritt der Türkei in weiter Ferne. Europa ist vor allem eine Wertegemeinschaft und europäische Werte sollten tief in den Gesellschaften der jeweiligen Länder verankert sein. Vielleicht sollten sich die EU und die Türkei bei ihrer Annäherung etwas mehr Zeit geben. Durch eine enge Partnerschaft können die Türkei und die EU ungemein voneinander profitieren. Die zentrale Frage im Hinblick auf eine Voll-Mitgliedschaft der Türkei in einer demokratischen EU wird sein, ob die Mehrheit der EU-Bürger und die Mehrheit der Türken in absehbarer Zeit gemeinsame Werte teilen wollen.