Sie mögen sich untereinander bekriegen, verachten oder nicht einmal ignorieren. Und trotzdem: Irgendwie sind alle Vollbartträger gleich. Ob ironisch verspielt oder mit Scheuklappen-behafteter Inbrunst: Sie beziehen aufrecht Position gegen die bartlos-beliebige Masse, nehmen dabei einiges auf sich und zeigen vor allem rein optisch keine Gnade gegenüber ihren Mitmenschen. Machte ein ausgewachsener Vollbart für Seebären, Holzfäller oder Leute, die ihren Glauben anderen mit Feuer und Schwert aufdrückten noch Sinn, weil sie beim Kämpfen, Holzhacken tief im Wald oder beim herumschippern auf den Weltmeeren ohnehin wenig Gelegenheit zum rasieren hatten, kommt heute kaum ein Vollbart-Träger ohne langwierige Bartpflege-Prozeduren aus.
Vor allem auch deshalb, weil sich der hippe Bartträger von heute im Gegensatz zu seinen wilderen Artgenossen aus vergangenen Jahrhunderten nicht mehr hauptsächlich unter Seinesgleichen aufhält, sondern auch andere Menschen dauerhaft mit seinem Antlitz konfrontiert. Fragt sich nur, ob sich der ganze Aufwand für das bisschen Symbolik auch lohnt. Denn das Risiko einer Verwechslung ist nicht gerade gering. Und welcher echte kanadische Holzfäller möchte schon mit einem Wiener Hipster in denselben Topf geworfen werden? Oder welcher ernsthaft von sich überzeugte Islamist bzw. welche orthodoxe Geistliche möchte so aussehen, wie Concita Wurst im Morgenmantel? Welcher Hipster möchte so aussehen wie Con… naja, lassen wir das. Wir haben schon vieles überstanden, und auch dieser (aufstrebende) Trend wird irgendwann einmal vorübergehen. Wenn Sie mich fragen, sollte das Leben eher ein Strand als ein kanadisches oder sibirisches Holzfäller-Lager sein. Vielleicht wird’s ja irgendwann wieder, wenn sich die Wirtschaft einmal dauerhaft erholt und sich damit auch das soziale Klima wieder erwärmt – damit sich weniger Menschen warm anziehen müssen und auch auf die Haare im Gesicht verzichten können.
