Betroffene von Frauenhandel und Gewalt: Schwitzen für mehr Lebensfreude

Im internationalen Menschenhandel gilt Österreich als beliebtes Ziel- und Transitland. 80% der Betroffenen sind Frauen, so das Bundeskriminalamt. Sie werden zwangsprostitutiert, in der Ehe sexuell ausgebeutet oder als moderne Sklavinnen im Haushalt beziehungsweise anderen Tätigkeiten wie Landwirtschaft, Reinigung oder Tourismusindustrie gehalten. Über 7.000 Zwangsprostituierte arbeiten in rund 400 Wiener „Etablissements“. Über 90% der Betroffenen sind Ausländerinnen. So die offiziellen Zahlen, wie viele Frauen tatsächlich Opfer von Menschenhandel sind, das weiß niemand.

Schockierend sind die Zahlen allemal. Genauso erschreckend wie die Tatsache, dass laut einer Umfrage der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte FRA aus dem Jahr 2014 20 % aller Frauen in Österreich körperlicher und/oder sexueller Gewalt ausgesetzt sind. Jede Dritte davon im eigenen Haushalt.

„Bei Migrantinnen ist beides oft nicht voneinander zu trennen“, weiß die studierte Afrikanistin und Sozialmanagerin Mag. Hannah Gasser, „Betroffene von Menschenhandel werden größtenteils auch Opfer von Gewalt und körperlichem wie seelischem Missbrauch.“ Es sind Delikte, die immer noch mit großem Scham, Angst und Bagatellisierung der Betroffenen verbunden sind. Melden laut FRA nur 27% der Österreicherinnen den schwerwiegendsten Vorfall von (Partner-)Gewalt in einem Krankenhaus oder einer ärztlichen Ordination, wissen sich Zwangsprostituierte oder ausgebeutete Migrantinnen noch weniger zu helfen.

„Die meisten Betroffenen sind so verschreckt und traumatisiert, dass sie Hilfe gar nicht in Anspruch nehmen“, erklärt Gasser, „es fehlt ihnen schlicht und einfach das Vertrauen, ihre Geschichte zu erzählen.“ Um dieses aufzubauen und die Frauen Schritt für Schritt in die Gesellschaft zu integrieren, braucht es „niederschwellige“ Angebote. Das hat die ehemalige Waldorf-Schülerin im Rahmen ihrer Diplomarbeit rund um Zwangsprostitution afrikanischer Migrantinnen in Österreich erkannt. „Sehr viele der Angebote in Non-Profit-Organisationen, Frauen- und Schutzhäusern sind aber Opfer bezogen. Den Frauen wird ein Hilfsangebot förmlich aufgedrückt. Das mag für viele passen, für viele aber auch nicht“, berichtet die 27-Jährige, „es gab keinen Ort, wo die Frauen einfach nur hingehen konnten – um einen Kaffee oder Tee zu trinken. Einen Ort, an dem nicht sofort ein spezielles Angebot vorhanden war. Ein Ort, wo sie sich die Sorgen von der Seele tanzen konnten, ohne sofort ein Therapieangebot bekommen zu haben. Wie ein Jugendzentrum.“

Aus lauter Wut gegen dieses bestehende System gründete die zierliche Blondine vor dreieinhalb Jahren FOOTPRINT. Die Räumlichkeiten des Vereins im 3. Wiener Gemeindebezirk sind für die Opfer von Menschenhandel und Gewalt nicht nur eine Anlaufstelle, wo die Frauen von Montag bis Donnerstag zwischen 9.00 und 20.30 Uhr bei Kaffee und Leckereien Zeit verbringen, mit den MitarbeiterInnen tratschen oder Sachspenden abholen können. Viele kommen auch anfangs zu einem der Gratis-Deutschkurse – und lassen sich später, wenn sie einmal Vertrauen zu Hannah und ihrem Team gefasst haben, auf eine Sozialberatung ein. Außerdem finden öffentlich zugängliche Sport- und Tanzkurse wie Yoga oder Zumba statt: Die Gebühr jeder externen Teilnehmerin macht es möglich, dass Betroffene an den Bewegungskursen teilnehmen und so ihre Probleme nicht nur „rausschwitzen“, sondern auch in Kontakt mit Nicht-Betroffenen treten können.

Mit diesem ungewöhnlichen Angebot, das betroffenen Mädchen und Frauen Wege in dieSelbstständigkeit zeigen möchte, stießen Hannah und ihr Team aus durchschnittlich 25 bis 30 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht immer auf offene Ohren. „Wir haben lange gekämpft, im Sozialbereich anerkannt zu werden“, berichtet die ehemalige Waldorf-Schülerin, „anfangs wird man schräg angeschaut und muss sich beweisen. Gerade, wenn man ein junges Team hat, neue Methoden einsetzt und andere Ideen verwirklicht wie unsere Mitgliedschaften oder Charity-Dinners.“ Für Diskussion sorgte auch die Tatsache, dass von Anfang an Männer mitarbeiteten. Etwas, das in diesem „Frauenbereich“ nicht üblich ist, sind die Missbrauchten doch oft gerade durch Männer traumatisiert. Doch bei FOOTPRINT möchte man keine Parallelwelt schaffen, sondern bei den Frauen gerade auch durch den Umgang mit Männern Vertrauen zum anderen Geschlecht aufbauen.

Dass dieser Weg richtig war, zeigt der Erfolg. „Mittlerweile haben andere Organisationen erkannt, dass wir seriös arbeiten“, freut sich Hannah, die seit kurzem Mama einer eineinhalbjährigen Pflegetochter ist, und fügt hinzu: „Bei allen Schwierigkeiten war und ist das Wichtigste, nicht aufzugeben.“ Auch wenn so mancher Plan nicht aufgeht, wie Gasser immer wieder feststellen musste. Nicht nur, was die Finanzierung betrifft, das Angebot an die Frauen musste ebenfalls ständig gemeinsam überdacht und adaptiert werden. So stießen die offerierten Selbstverteidigungskurse bei den Frauen anfangs auf großen Widerstand: Sie wollten mit Gewalt nichts zu tun haben. „Lustigerweise fragen jetzt, drei Jahre später, einige der Frauen nach solchen Kursen“, meint die 27-Jährige schmunzelnd.

Letztendlich ist es die Zielgruppe, die entscheidet, ob eine Idee erfolgreich ist oder nicht. “Quantitativ messbare Ziele haben wir keine – das wäre wohl auch zu frustrierend”, bestätigt Hannah, die wie alle anderen zum Brotverdienen bis Dezember ihrem Beruf im Sozialmanagement nachging, „für uns ist es ein Erfolg, wenn das Lächeln der Frauen breiter wird oder ihre Lebensqualität spürbar steigt. Oder wenn sie einfach nicht mehr zu uns kommen, weil sie uns nicht mehr brauchen.”

UNTERSTÜTZUNG: Unterstützen kann man FOOTPRINT einerseits über Mitgliedschaften (ab € 5 im Monat). Andererseits über den Besuch von Sport-, Tanz- und Mutter-Kind-Kursen (10er Block um € 97,-, 10er Block für StudentInnen um € 72,-, 5er-Block um € 55,- und Schnupperstunde um € 7,-). Oder man besucht ein Charity-Dinner oder andere Aktivitäten.

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