Es sollte der Beginn einer großen Liebesgeschichte werden. Als ich im August 2014 endlich – nach monatelangem Warten und schier unfassbarer Vorfreude - mein Fairphone in Händen hielt, da tanzten die Schmetterlinge in meinem Bauch einen heißen Salsa.
Schon 2013, als ich zum ersten Mal von der geplanten Existenz des Fairphone gehört habe, wurde mir heiß und kalt gleichzeitig. Mein Herz klopfte bis zum Hals. Meine Gebete wurden erhört: Endlich, ein Mobiltelefon ohne den bitteren Beigeschmack, dass Rohstoffe wie Zinn und Tantal aus Krisengebieten wie der Republik Kongo stammen. Dass der Verkauf der Rohstoffe Bürgerkriege finanziert. Oder dass die Arbeiter unter schlechtesten Bedingungen ausgebeutet werden. Kurz, ein „nachhaltiges“ und „faires“ Smartphones, bei dem die gesamte Kette, von der Gewinnung der Rohstoffe bis zu hin den Arbeitsbedingungen bei der Produktion und nicht zuletzt das Recycling mitbedacht werden. Ich musste es haben!
Die Konkurrenz war allerdings groß – und ich zu langsam: Schon im November 2013 war die erste Charge des fairen Handys ausverkauft, im Januar konnten die ersten 25.000 KundInnen ihr Fairphone in Händen halten. Bei mir war es erst bei der zweiten Auflage so weit.
„Starte eine Bewegung!“… so lautete die Aufforderung jedes Mal, wenn ich ab August 2014 mein neues Fairphone einschaltete. Ja, ich will – rief ich ihm im Brustton der Überzeugung entgegen. Dabei nahm ich seine Ecken und Kanten in Kauf: Dass es sich dabei eher um ein mittelprächtiges Smartphone handelt zum Beispiel. Dass Kamera und GPS den Normen hinterherhinken. Dass es auf Android 4.2. hängen bleibt, wodurch ihm offizielle Android-Sicherheitsupdates und neue Features verwehrt sind.
All das war mir egal. Weil ich – und die 49.999 anderen - Teil einer Bewegung sein wollten, die Welt besser zu machen! Unser großes Ziel: Ein möglichst fair produziertes, langlebiges und damit nachhaltiges Smartphone zu machen. Noch ist das natürlich „work-in-progress“. Noch ist das Fairphone nicht wesentlich „fairer“ als viele andere Handys. Schließlich ist eine so hehre Vision genauso wenig von heute auf morgen umsetzbar wie die Produktion eines 100%ig „fairen“ Smartphones. Aber es wird daran gearbeitet: In Zukunft sollen noch verstärkt Recyclingmaterialien eingesetzt, die Arbeitsbedingungen von Minen- und Fabrikarbeitern werden weiter verbessert werden. Ein Teil der Einnahmen aus dem Verkauf des Fairphone geht seit Beginn der Initiative zu diesem Zweck an verschiedene Fördereinrichtungen. Immerhin gibt die Initiative endlich eine positive Richtung vor, an der sich früher oder später auch die großen Anbieter orientieren müssen. Und genau deshalb ist das Fairphone das Richtige für mich!
Einen Sommer lang. So lange hielt nämlich die Romanze – und wie so oft kam nach einer rauschenden Liebesnacht die Ernüchterung: Immer wieder unterbrach das Fairphone meine Telefonate. Legte einfach auf. Rief andere aus meiner Kontaktliste an. Anfangs konnte ich es noch verheimlichen. Konnte mich in meinen Geschäftsgesprächen noch auf unzuverlässige Verbindung oder Ähnliches „ausreden“. Doch nach ein paar Monaten waren alle meine Entschuldigungen aufgebraucht. Unendlich sinnlose Korrespondenz mit der Zentrale von Fairphone in den Niederlanden später, nutzte ich im November meine zweimonatige Uganda-Reise, um einen Schritt zu setzen: Ich schickte das Fairphone zur Reparatur nach Holland. Und wartete. Hoffte auf Veränderung! Leider vergeblich. „Wir können keinen Fehler entdecken“, so die Bescheinigung des Produzenten. Sie nicht, ich schon: Es hatte sich nichts geändert. Das Fairphone zeigte weiterhin dieselben Zicken. Meine Telefonpartner werden es bestätigen. Ich ergab mich der Situation, nahm diese Macke in Kauf. Schließlich war es ja die wahre, die große Liebe.
Eine, die im März 2015 auf einer weiteren Uganda-Reise ihr jähes Ende fand: Ohne Vorwarnung ließ sich das Fairphone über Nacht nicht mehr einschalten. Jeder Versuch, den Akku zu laden, war vergeblich: Null Reaktion! Ich war verzweifelt, musste ein Ersatztelefon für die kommenden drei Monate fern von zuhause kaufen. Die Liebe zum Fairphone war in der Zwischenzeit verpufft – und doch war meine Loyalität groß. Ich wollte es nicht glauben und gab ihm noch eine Chance: Der neue Akku, den mir Fairphone nach dem Ende meiner Reise zuschickte, ließ sich tatsächlich auch wieder laden.
Für unsere Beziehung war es aber mittlerweile zu spät. Es war einfach zu viel passiert. Ich wollte nicht mehr, mir reichte es! Vielleicht hat ja eine Andere/ ein Anderer mehr Glück mit ihm. Ich inserierte es, hatte bereits einen Käufer gefunden und wollte noch ein letztes Mal vor dem Verpacken prüfen, ob alle privaten Daten gelöscht waren. Ich drückte den Einschaltknopf. Nichts. Keine Reaktion! Der neue Akku hatte nicht einmal eine Woche gehalten. Das Traurige an dem Ganzen: Seit August 2014 habe ich drei Handys (das Fairphone mit eingerechnet) gekauft – so viele wie in keinem anderen Jahr zuvor. Nachhaltig sieht anders aus!
Aktuell ist das Fairphone wieder in den Niederlanden bei der Reparatur: Hoffnung auf ein Happy End habe ich keines mehr. Sollte Fairphone – diesmal – einen Fehler finden, werde ich wohl dafür finanziell aufkommen müssen: Obwohl ich das Telefon nur ein Jahr besessen und davon keine sechs Monate in Verwendung hatte, hatte ich es drei Tage in Uganda im Einsatz. Grund genug, dass bei einem außereuropäischen Einsatz die Garantie verfällt (was ist in Afrika in Sachen Handy-Nutzung anders als in Österreich?). Selbst wenn sie es reparieren und mir zurückschicken, habe ich Angst, dass im Fall eines Verkaufs der Nächst-Besitzer ähnliche Scherereien hat und es auf mich zurückfällt. Ich habe Fairphone angeboten, das Telefon zurückzugeben und mir einen Teil des Kaufwerts rückzuerstatten. Doch das macht man – fairerweise? - nicht.
Mittlerweile scharrt Fairphone 2 in den Startlöchern: Es wird mit einem Preis von € 525,- fast doppelt so teuer sein, aber dementsprechend auch besser, vor allem aber noch fairer produziert werden. So sehr ich ihm auch glauben möchte, eine weitere Chance wird das Fairphone im Moment bei mir nicht erhalten. Dafür hat es mich zu oft im Stich gelassen. Dafür hat es mir zu viele graue Haare beschert. Dafür ist es mir einfach nicht gut genug.
Liebes Fairphone, ich war verrückt nach dir, aber jetzt ist Schluss!