In jedem Kind steckt ein Genie. Die meisten Lehrer wissen nur nicht, wie sie das Genie aus ihren Schülern herauslocken sollen. (Hirnforscher Dr. Gerald Hüther)
Es ist 9.05 Uhr am zweiten Tag. Wir sitzen zu fünfzehnt wieder in derselben Runde, die wir gestern abends verlassen haben. Ganz wach bin ich trotz meiner zwei Morgenespressi noch nicht. Und so wie die anderen dreinschauen, geht es ihnen nicht sonderlich besser. „Was ist jetzt?“ fragt unsere Seminarleiterin - die Feedbackrunde beginnt.
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"Ich habe gestern Abend noch mit Lernen verbracht“, kommt Melanie an die Reihe, mit ihren 16 Jahren eindeutig das Kücken der Gruppe, „vier Stunden habe ich gebraucht, um eine Seite auswendig zu lernen. Als mich mein Freund später gefragt hat, was ich da gelernt habe, habe ich versucht, alles so runterzusagen wie es im Buch steht. Doch dann habe ich es mir anders überlegt und den Stoff in meinen Worten erzählt. So habe ich das Ganze zum ersten Mal verstanden.“ Ein Raunen geht durch die Runde. A schau, in eigene Worte fassen und so verstehen – haben wir gestern nicht gemeinsam festgestellt, dass das ein Bestandteil von Lernen, von natürlichem Lernen, ist?!
Nicht das viele Wissen, nicht die auswendig gelernten Lehrsätze, nicht die vielen gelesenen Ratgeber und Lehrbücher, sondern die Vorstellungen, die inneren Überzeugungen, die Welt- und Menschenbilder, mit denen wir herumlaufen, bestimmen unser Denken und Handeln. (Hirnforscher Dr. Gerald Hüther)
"Was ist denn natürliches Lernen?“ Mit dieser Frage hat gestern nicht nur das Seminar begonnen, zu dem wir uns in einem Demeter-Hof im tiefsten Waldviertel zusammengefunden haben. Um diese Thematik dreht es sich an den nächsten zwei Wochenenden.
Als ich vor kurzem bei einem Treffen mit Bekannten gleich von zwei Leuten unabhängig voneinander gefragt wurde, ob ich denn LAISING kenne, musste ich verneinen. Eine neue Form des Lernens sei es, eine Methode, die bereits an einer eigenen LAIS-Schule in Kärnten angewandt wird, andere Schulen seien im Entstehen. Wie neugierig mich das Thema gemacht hat, muss ich wohl nicht extra erwähnen. Schließlich sitze ich jetzt hier in einem solchen LAIS-Seminar.
Nachforschend, nachspürend, Raum gebend, mit Leichtigkeit, erfolgend und gemeinschaftlich. (laising.at)
Spaß darf natürliches Lernen machen! Frei sein, aber doch in einem geordneten Umfeld stattfinden. Gemeinsam und im Austausch mit anderen. Ein ständiges Probieren, bei dem Fehlermachen erlaubt, nein, sogar erwünscht ist. Sinn soll es machen, lebendig sein und inspirieren, sich zu entwickeln. Bei natürlichem Lernen entsteht etwas Neues, etwas Eigenes, das begeistert, auf das man stolz ist und das man gern weitergibt. Und dieses Lernen findet überall und jederzeit statt. „Das ist so wie damals als Kind, als wir laufen lernten“, höre ich immer wieder als Antwort darauf, was denn natürliches Lernen sei.
Ja, unsere Vorstellungen davon sind klar. Und sie haben wenig damit zu tun, was wir aus unserer Schulzeit oder von den aktuellen Erfahrungen unserer Kinder kennen. Sie haben auch wenig mit der Herkunft des Worts „lernen“ zu tun und dessen ursprünglicher Bedeutung des „einer Spur nachgehen, nachspüren, schnüffeln“. Das gotische Wort für „Ich habe nachgespürt“, „ich weiß“ ist „lais“ und die indogermanische Wurzel *lais-bedeutet nicht Anderes als „Spur, Bahn, Furche“. (Wikipedia: Lernen) Dieses Nachspüren und Nachgehen, von dem WAS JETZT IST, dieses natürliche Lernen tragen wir alle in uns. Nur haben wir es in unserem heutigen Bildungs- und Schulssytem vergessen: Da geht es primär darum, starren, bekannten „Stoff“ weiterzugeben - am besten noch von oben herab. Grundsätzlich wäre an diesem Wissen nichts verkehrt, hätte es nicht überhand genommen und das lebendige Probieren komplett verdrängt. Soviele Menschen wie möglich daran wieder zu erinnern, wie natürliches Lernen funktioniert – genau das hat sich LAISING zum Ziel gesetzt.
Ein Kind hat drei Lehrer: Der erste Lehrer sind die anderen Kinder. Der zweite Lehrer ist der Lehrer. Der dritte Lehrer ist der Raum. (Sprichwort aus Schwede)
In Seminaren und Workshops zum Beispiel wie dem, das ich zurzeit besuche. Vor allem aber auch in eigenen Schulen: Die erste LAIS-Schule bzw. Kindergruppe für Kinder zwischen 3 und 19 Jahren wurde letzten Herbst in Klagenfurt gegründet, an weiteren Schulen wir gerade gearbeitet. Aber davon lasse ich am besten die erzählen, die hautnah dabei waren: Alexandra Liehmann und Marie Luise Sickl-Gritzner erzählten im Rahmen des Gaia - Kongresses vom Prozess:
Für alle, die jetzt Feuer gefangen haben, gibt’s im nachfolgenden Interview mit Alexandra Liehmann, Karin Graf und Marie-Luise Sickl-Gritzner weitere Details:
Lehren heißt zeigen, dass es möglich ist. (Paolo Coelho, Auf dem Jakobsweg)
PS: Das Bild vom Blogpost zeigt übrigens, wie unsere Gruppe zeichnerisch "Natürliches Lernen" dargestellt hat. Und was ists jetzt für dich?