“Ich bin eine ganz Böse”, meint meine Freundin Marie mit einem Grinser und greift auf ein schwarzes Etwas neben sich auf der Couch. Ich muss dreimal hinschauen, bis ich die Plastiktasche in ihren Händen erkenne. “Das ist wohl eines der einzigen Plastiksackerl, die du hier in Kigali findest”, deutet sie meinen verständnislosen Blick richtig, “schließlich wird man sogar bei der Einreise am Flughafen nach Ruanda auf Plastiktüten untersucht.” Sie spricht aus Erfahrung, kam sie doch erst vor Kurzem vom Großeinkauf (Champagner, versteht sich. Marie ist Französin.) aus Dubai in ihre Wahlheimat Ruanda zurück. Und wurde prompt mehr als deutlich gebeten,  ihre Einkäufe gefälligst in einer Papiertasche zu transportieren.

Dass Ruanda bereits 2008 ein Herstellungs- wie Vertriebsverbot von Plastiktüten verabschiedet und es im Gegensatz zu anderen Ländern auch umzusetzen geschafft hat, das ist mir nicht neu. Dass es aber sogar solche “Leibesvisiten” auf Plastiksackerl gibt, sehr wohl. Mit  radikalen Methoden wie diesen katapultiert sich der 12 Millionen Einwohner zählende Staat an die erste Stelle der Plastiktüten-Bekämpfer-Liga.

Drastische Schritte wie diese sind zwar umstritten und funktionieren wohl nur in kontrollierten Systemen wie in Ruanda. Notwendig wären sie aber durchaus, wird doch  Minute für Minute weltweit eine Million Plastiktüten verteilt - und praktisch gleich wieder weggeworfen. Gut 200 Plastiksackerl gehen im Schnitt jährlich durch die Hände eines EU-Bürgers. 51 sind es in Österreich, 45 laut EU-Kommission nur einmal. Österreichs Händler bringen 350 Millionen Stück jährlich in Umlauf, schätzt die Umweltorganisation Global 2000. Ein Abfall, der vor allem als Restmüll verbrannt wird und für unsere Umwelt von großer Belastung ist: In Europa landen acht Milliarden Stück auf den Müllbergen. Mehr als sieben Millionen Tonnen Plastik werden in die Weltmeere geworfen – und bleiben dort bis zu 450 Jahre.

Gerade in sich entwickelnden Ländern sind die Folgen überall sichtbar: Auf den stundenlangen Busfahrten durch die südamerikanische Pampa fällt der Blick längst nicht mehr auf die Hügel- und Tälerlandschaft, sondern auf die Plastikberge davor. In der jordanischen Wüste hinterlassen Beduinen beim Weiterziehen statt Kameldreck nur noch Spuren von Plastikabfall. Und beim Bau des Lehmhauses in Uganda kamen wir mit dem Entfernen der Plastikreste aus den Böden und Wänden des Hauses kaum nach. Kurz: Plastikflaschen, -tüten, -fetzen finden sich auf Straßen, Feldern, in Flüssen, lassen Tiere verenden, verstopfen die Kanalisation und führen so zu Überschwemmungen. In Ruanda kann das nicht mehr passieren.

Tatsächlich ist der afrikanische Staat im Vergleich zu Uganda, aus dem ich vor Kurzem in den Kleinstaat gekommen bin, unglaublich sauber und wirkt mancherorts fast schon blank geputzt. Dabei ist schon der Nachbar im ostafrikanischen wie internationalen Vergleich ein Prachtexemplar in Sachen Reinheit und hat es vor einigen Wochen ebenfalls geschafft, die Plastiktaschen-Ausgabe in Supermärkten zu verbieten. Was in Europa nach langen Beschlüssen erst 2018 (und dann mit Einschränkungen) möglich wird, das ist in Ostafrika sang- und klanglos innerhalb weniger Tage über die Bühne gegangen. Was in Österreich Schlagzeilen in allen Medien gemacht hat, das wurde in Uganda bloß mit Flyern der Öffentlichkeit präsentiert – nachdem es bereits keine Plastiksackerl mehr in den Supermärkten gab, wohlgemerkt.

Damit reiht sich Uganda in die Riga der afrikanischen Plastiktüten-Bekämpfer. Rund zwanzig Länder - von Eritrea über Tansania, die Elfenbeinküste und Mauretanien bis nach Südafrika - haben sowohl die Herstellung als auch den Vertrieb von Plastiktaschen bereits verboten ... mehr oder weniger erfolgreich. Denn aufgrund oft fehlender Sanktionen, mangelnder Bildung der breiten Öffentlichkeit und der politischen Instabilität in den afrikanischen Ländern hapert es des Öfteren an der Umsetzung. Trotzdem hat Afrika eines geschafft, zu dem wir uns in Europa - noch immer - nicht durchgerungen haben: Es hat Plastiktaschen den Kampf erklärt.

Nicht irgendwann, sondern jetzt.

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