Die Website hat ihr Sebastian aus Deutschland zum Geburtstag geschenkt. Er ist einer ihrer ältesten Freunde. Dass sie ihn noch nie persönlich getroffen hat spielt für sie dabei keine Rolle. Für ihn wohl auch nicht, denn er hat ihr nicht nur die Website und die dazugehörigen Flyer erstellt. Er ist darüber hinaus ihr Mentor in Sachen Business. Nicht der Einzige: Das Logo für ihr Unternehmen stammt von einem mexikanischen Facebook-Freund (auch ihn hat sie noch nie live gesehen), und das Geld für die Registrierung ihres Businesses kommt von einer Österreicherin. Dass Zulaika Birungi ihr Unternehmen "Lucky Zulaika Tours" genannt hat, trifft den Nagel auf den Kopf: "Ich habe das Glück, Freunde gefunden zu haben, die mich unterstützen, ganz ohne eine Gegenleistung zu verlangen", meint die Uganderin, die im nächsten Lonely Planet mit ihren "Kampala Walk Tours" gelistet sein wird.

Nicht nur in Sachen Business setzt sie auf die Unterstützung ihrer Freunde, die übrigens nicht nur, aber vor allem im Ausland anzutreffen sind. Von einem kanadischen Skype-Freund erwartet sie in Kürze einen Geldtransfer, um sich einen Flatscreen anzuschaffen, und ihr Kühlschrank steckt voller Leckereien aus dem nahen und fernen Ausland. Pakete mit Süßem, Filmen und sonstigem Kleinkram erhält sie am laufenden Band, hat sie doch über 15 Brieffreundinnen und -freunde in aller Welt. Dass sie sich finanziell von den - oft nur vermeintlich - reicheren Muzungus unter die Arme greifen lässt, damit stellt Zulaika keine Ausnahme hier in Uganda dar, sondern eher die Regel. Egal ob es sich dabei um fehlende Mittel für eine gute Schulausbildung des Kindes handelt oder um die "Spende von Luxusgütern" wie im Fall der 27jährigen, die für hiesige Verhältnisse durchaus erfolgreich für sich selbst sorgen könnte.

Man könnte kühles Kalkül und „Ausnutzeritis“ diagnostizieren. Tatsächlich ist das Annehmen von Geld- und Sachhilfen in Uganda selbstverständlich und gehört fast schon zum guten Ton. Doch nicht nur das: Es wird oft mit einer Natürlichkeit eingefordert, die mich oft bereits erschreckt hat. Das geht soweit, dass mir eine Nachbarin von ihrer neuen Geschäftsidee erzählt und dabei mehr als einmal erwähnt, dass sie alles hat – bis auf die fehlende Million, die sie für den Erwerb des Lokals braucht. Dass europäische Freiwillige beim Abschied aus ihrem Projekt Zettel mit Kontonummern zugesteckt bekommen. Dass man von einem Jugendlichen, den man bisher noch nicht mal gegrüßt hat, zum Geburtstagsfest eingeladen wird – und im gleichen Atemzug seine Wunschliste hört: Ein Smartphone und eine dicke Daunenjacke. Oder dass nach dem Waschen der aus Spanien mitgebrachte Pulli fehlt und irgendwann am Körper eines Einheimischen wieder auftaucht, der damit an einem ganz ohne schlechtes Gewissen vorbeimarschiert. Ein Vorgehen, das wohl erst durch das Verhalten von Muzungus entstehen konnte, die gönnerhaft den „big spender“ geben, ohne sich über die fatalen Auswirkungen im Klaren zu sein. Bei mir löst es aber genau das Gegenteil dessen aus, was die Bittsteller bezwecken. Meine allergische Reaktion darauf geht sogar soweit, dass ich mich schon öfters dabei ertappt habe, simple Bitten lieber bereits im Vorhinein abzuwürgen oder erst gar nicht äußern zu lassen. In vielen Fällen wohl auch als – ungerechtfertigte - Überreaktion.

Und doch ist es wohl auch eine Fähigkeit der Ugander, Hilfe nicht nur anzunehmen, sondern regelrecht einzufordern – nicht als bettelndes Opfer, sondern mit dem Stolz sowie Selbstbewusstsein, die in Afrika allgegegenwärtig sind. So kritisch ich diese Fähigkeit betrachte, ist es eine, die ich gerade lernen darf:

„Kannst du mir deinen Paypal-Account geben“, bittet mich ausgerechnet eine amerikanische Freundin, von der ich weiß, dass sie selbst mit ihrer Kunst nur von der Hand in den Mund lebt. „Ich könnte die Community zu einer Unterstützungsaktion aufrufen“, schreibt mir ein Unternehmer aus Wien, den ich einmal interviewt habe. Die Chefredakteurin eines Magazins, für das ich regelmäßig berichte, gibt mir überraschend ein paar Zusatzaufträge. Und Noah, Tourguide in der Eco Camp Lodge in Fort Portal, bietet mir doch tatsächlich sieben Tage kostenfreie Unterkunft und Verpflegung an. Von meinem Bekannten Rob ganz zu schweigen, der mich gestern gerettet hat und in dessen wundervoll sicherer Wohnung mitten in Kampala ich gerade arbeite. Auf seinem Computer. Mit funktionierendem Wifi. Gratis und ohne Hintergedanken.

Warum? Weil mir vor ein paar Tagen mein Computer, meine Kamera, zwei Daten-Sticks und meine Festplatte mit den Daten sowie Bildern der letzten Jahre gestohlen wurden und ich mich so hilflos sowie einsam gefühlt habe wie schon lange nicht mehr. Tu ich noch, der Schock sitzt in den Knochen. Dass ich das ganz und gar nicht bin, das zeigen die vielen Nachrichten, Anrufe und besorgten Mails, die ich erhalten habe. Das zeigen aber auch diese (und viele weitere) großzügige Geschenke. Ich habe nicht um sie gebeten, sie nicht eingefordert, kann sie oft nur schwer nehmen. Sprachlos machen sie mich in jedem Fall.

Aber vielleicht habe ich eines von Zulaika sowie anderen Ugander_innen gelernt: Manchmal geht es eben nur „with a little help from my friends“. Das ist nichts, wofür man sich schämen muss. Sondern vielmehr etwas, das man schon einmal stolz und dankbar annehmen darf!

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Silvia Jelincic

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Herbert Erregger

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fischundfleisch

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