Eine exklusive SZ-Magazin-Recherche ergab, unter welch schweren, psychischen Bedingungen 600 Facebook-Mitarbeiter problematische Inhalte löschen müssen. Es geht um Hasskommentare, Kinderpornos und Fake News im Wahlkampf auf Facebook.
600 Mann starkes Löschteam in Berlin verrichten eine belastende Arbeit, angestellt beim Dienstleister Arvato (Bertelsmanntochter) fühlen sie sich nicht ausreichend unterstützt und geben Einblicke in einen grauenvollen Job und die streng geheimen Lösch-Regeln, obwohl ihnen das verboten ist. Es geht um die 1,8 Mrd. Facebook-User, wo Meldungen über verbotene Inhalte überprüft und gelöscht werden müssen. Die Lösch-Regeln hat Facebook bislang unter Verschluss gehalten und seit Herbst 2015 lässt Facebook in Berlin Beiträge löschen. Details zu den genauen Löschregeln oder zu Qualifikation und Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter, die dort jeden gemeldeten Beitrag überprüfen, hat das Unternehmen selbst auf Druck des Bundesjustizministeriums nicht öffentlich gemacht. Reportern des SZ-Magazins ist es in monatelanger Recherche gelungen, mit vielen derzeitigen und ehemaligen Mitarbeitern der Berliner Löschtruppe zu sprechen.
Mitarbeiter klagen über schwere psychische Probleme:
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Den vom SZ-Magazin befragten Mitarbeitern ist es eigentlich verboten, mit Journalisten oder Behördenvertretern zu reden. Doch sie wollen ihre Arbeitsbedingungen öffentlich machen. Stress, Überlastung und unübersichtlichen Vorgaben, welche Inhalte gelöscht werden müssen und welche nicht und viele klagen auch über schwere psychische Probleme, die durch das Sichten von oftmals schockierenden Inhalten wie Folter, Mord oder Kindsmissbrauch hervorgerufen werden. Mit ihren Problemen fühlen sich die Mitarbeiter alleingelassen - professionelle Hilfe stehe ihnen nicht ausreichend zur Verfügung. Die Vorgabe sind 2000 Beiträge pro Tag zu prüfen
Aussagen von Mitarbeitern:
"Ich habe Sachen gesehen, die mich ernsthaft am Guten im Menschen zweifeln lassen. Folter und Sex mit Tieren."
"Seit ich die Kinderpornovideos gesehen habe, könnte ich eigentlich Nonne werden - an Sex ist nicht mehr zu denken. Seit über einem Jahr kann ich mit meinem Partner nicht mehr intim werden. Sobald er mich berührt, fange ich an zu zittern."
"Ich weiß, dass jemand diesen Job machen muss. Aber es sollten Leute sein, die dafür trainiert werden, denen geholfen wird und die man nicht einfach vor die Hunde gehen lässt wie uns."
"Die Regeln waren kaum zu verstehen. Ich habe meinem Teamleiter gesagt: Das gibt's doch nicht, das Bild ist total blutig und brutal, das sollte kein Mensch sehen müssen. Aber er meinte nur: Das ist deine Meinung. Aber du musst versuchen, so zu denken, wie Facebook es will. Wir sollten denken wie Maschinen."
Mehr als 600 Menschen aus verschiedenen Ländern arbeiten also in Berlin für Arvato im Auftrag von Facebook. Teams für Arabisch, Türkisch, Italienisch, Französisch. Viele der Angestellten sprechen kein Deutsch.Das Gehalt liegt nur knapp über Mindestlohn.
Im arabischen Team arbeiten auch Flüchtlinge, die dem Krieg in Syrien entkommen sind und nun in Deutschland in Schichtarbeit Enthauptungsvideos und Terrorpropaganda sichten müssen.
Höher gestellte Mitarbeiter, die auch Videos begutachten, haben nur etwa acht Sekunden Zeit für ihre Löschentscheidung.
Die geheimen Löschregeln liegen dem SZ-Magazin in großen Teilen vor, es handelt sich um eine Art firmenintern definierte Form der Meinungsfreiheit, in dem der Konzern genau vorschreibt, was zensiert wird und was zirkulieren darf.
Was auf dem Bild zu sehen ist, spiele keine Rolle, sondern nur die Kombination von Bild und Text. Als Beispiel werden Kommentare aufgezählt, die Gewalt bejubeln. Wenn jemand unter ein Foto eines Sterbenden schreibt: "Seht euch das an - so cool" oder "Fuck yeah" - nur dann müssen solche Bilder gelöscht werden.
Stehen bleiben können etwa Sätze, die Migranten als "dreckige Diebe" bezeichnen, da nur die Zuschreibungen "Terrorist, Mörder oder Sexualstraftäter" von Facebook entfernt werden. Gelöscht werden müssen hingegen Sätze, die Migranten mit Dreck oder Ungeziefer vergleichen, aber nur, wenn dieser Vergleich als Substantiv erfolgt ("Migranten sind Dreck").
Das SZ-Magazin hat Arvato einen schriftlichen Katalog mit 19 Fragen vorgelegt. Arvato erklärt dazu nur: "Unser Auftraggeber Facebook hat sich vorbehalten, alle Presseanfragen zu der Zusammenarbeit mit Arvato selbst zu bearbeiten."
Facebook Deutschland antwortet auf schriftliche Anfragen nur unkonkret mit: "Dazu machen wir keine Angaben."
Wer sich für diese Thematik näher interessiert, siehe "Süddeutsche Zeitung Magazin".