BESCHLEUNIGUNG:
Nicht die Technik sondern der wettbewerbsorientierte Kapitalismus ist primär verantwortlich für die Beschleunigung, die aus uns zunehmend unfreie Menschen macht, Gefangene im sich immer schneller drehenden Hamsterrad. Wer NEIN sagt, fällt zurück.Die moderne Technik hätte uns von der Arbeit entlasten sollen, weil immer mehr Aufgaben von ihr übernommen werden. Das Gegenteil war jedoch der Fall.
Bei kritischer Betrachtung könnte man zur Auffassung gelangen, dass beim menschlichen Design irgendetwas nicht optimal gelaufen zu sein scheint oder die Evolution sich wieder einmal einen Schubs für eine Richtungsänderung geben sollte, weg von der Steuerungslogik der Moderne.
Schenk uns bitte ein Like auf Facebook! #meinungsfreiheit #pressefreiheit
Danke!
Viele Menschen, sagt der Soziologe aus Jena, Hartmut Rosa, stecken so viel Zeit und Energie in die Anhäufung von Ressourcen, dass sie nicht dazu kommen, sich ihre Wünsche zu erfüllen. Sie kaufen permanent Neues, immer mehr Bücher, lesen aber immer weniger. Sie machen viermal pro Woche Achtsamkeitsmeditation oder Fitnesstraining, erleiden dann aber trotzdem ein Burn-out. Sie haben scheinbar alles, was sie brauchen, fühlen sich aber trotzdem entfremdet. Sie wollen mehr Zeit mit der Familie verbringen und warten damit bis zur Rente. Sie wollen Neues entdecken, sind aber in Routinen gefangen. Das ist die Diagnose der beschleunigten Gesellschaft.
Bist du mit deinem Leben zufrieden?
"Wir beantworten das in der Regel mit einem Blick auf unsere Ressourcenlage", sagt Rosa. "Man sagt: Ich habe einen guten Job, ein nettes Haus, eine glückliche und gesunde Familie, es geht mir gut, ich bin zufrieden".
Und trotzdem, wer kennt das Gefühl einer inneren Leere nicht. Es kann auch zum Vorboten eines Burnout werden.
Vor einigen Jahren anlässlich eines Besuches in Kalifornien wohnte ich bei einer Hispanics-Familie. Es gab keine Zeitungen, Bücher, Zeitschriften im Haus. Die Hostlady saß am Abend immer einige Stunden vor der Haustür und blickte zu den Sternen, ins Universum. Ich habe das damals nicht verstanden. Wer hätte für eine Meditation mit den Sternen heute überhaupt noch Zeit?
RESONANZ:
Resonanz heißt in der Akustik, dass zwei schwingungsfähige Körper miteinander in Beziehung treten. "Die Körper bleiben unabhängig", sagt Rosa, "sie sprechen sozusagen mit eigener Stimme und fangen an, aufeinander zu antworten. Sie sind hinreichend offen, um sich berühren zu lassen von den Klangwellen, die vom anderen ausgehen, aber gleichzeitig geschlossen genug, um selber tönen zu können." Er sagt: "Resonanz ist ein menschliches Grundbedürfnis und auch eine Grundfähigkeit."
Tiefe Freundschaften ermöglichen Resonanzerfahrungen ("Wir sind auf einer Wellenlänge"). Resonanz kann sich auf einer Wanderung einstellen ("Der Berg ruft"), auf einem Konzertabend, beim Europafinale, etc.
Der Mensch kann mit anderen Menschen resonant sein, mit Dingen, mit der Natur, der Kunst, der Religion. Außerdem ist Resonanz unverfügbar, unkontrollierbar und nicht im Vorverkauf zu haben. Wer seine Lieblingsmusik in Dauerschleife hört, kann sie bald nicht mehr leiden.
Wer Freitag nach Feierabend ins Theater hetzt oder noch lustlos eine Walking-Einheit abreißt, weil der Schritt- und Kalorienzähler des iPhones es einfordert, hat keine Schwingungsgarantie.
Wir müssen uns und das Leben wieder spüren. Die Suche nach dem guten Leben kreist um ein paar Begriffe, die durchaus ihre Berechtigung hatten. Selbstentfaltung und Selbstverwirklichung gehören dazu, Autonomie, Authentizität, Achtsamkeit, Flow.
Worauf kommt es im guten Leben wirklich an?
Es kommt darauf an, dass wir uns in der Welt aufgehoben und nicht in die (quasi existenzialistisch) Welt geworfen fühlen. Es kommt darauf an, etwas zu geben und etwas zurückzubekommen. So wie eine Stimmgabel, die eine andere Stimmgabel zum Schwingen bringt und von dieser wiederum zum Schwingen angeregt wird.
Rosa nennt unseren Draht zur Welt, wenn die Stimmgabel zu schwingen beginnt: Resonanz.
Seine These und Lösung pointiert gesagt:
"Wenn Beschleunigung das Problem ist, dann ist Resonanz vielleicht die Lösung."
Kreativität:
Irgendwo drin im Menschen steckt demnach sein innerer Wesenskern, und der kommt am besten durch Selbstverwirklichung zum Vorschein. Man soll sich finden, sich treu bleiben, authentisch und autonom und achtsam sein, dann wird sich auch das Lebensglück wieder einstellen.
Der selbstbestimmte Kreative, der im Flow seine Ideen verwirklicht, wurde zum Gegenentwurf des spießigen Angestellten, der um fünf Uhr nachmittags die Stechuhr ansteuert. Kreativ sein hieß Mensch sein. Aber dann kaperte die neoliberale Ideologie das Projekt, und damit begann das Missverständnis. Kreativ sein diente nun nicht mehr nur dem privaten Glück, sondern auch der Innovationskraft des Arbeitgebers.Im VW-Skandal kann man gut beobachten, wie Ingenieure gezwungen wurden, Vorgaben zu erfüllen, die sie nicht kreativ lösen konnten. Die Folge waren krumme Touren und der milliardenschwere Abgasskandal.