Bruno Kreisky kurz vor seinem Tod 1990: "Die Entwicklung der Sozialdemokratie ist die größte Enttäuschung seines Lebens"- ihr Niedergang heute.

Der Niedergang der Sozialdemokratie und auch der "Sozialistischen Internationale" mit den Genossen Faymann, Gabriel, Hollande. Das sozialdemokratische Führungspersonal Europas steckt insgesamt in der Krise, sie wirken desorientiert. In Deutschland trauen weniger als ein Drittel den Sozialisten noch Kompetenz in "sozialer Gerechtigkeit" zu, ein Alarmsignal. Die klassische Wählerschaft ist ihnen abhandengekommen und seit der Flüchtlingskrise hat die Stunde der Populisten geschlagen.

In Griechenland ist der korrupte Papandreu 2012 abgestürzt mit seiner sozialdemokratischen PASOK-Partei, er verlor auf einen Schlag 70 Prozent ihrer Wähler. Das klassisch-sozialdemokratische Wählerpotenzial – die "Arbeiterklasse" – stirbt aus, ob in den Bergbausiedlungen des Ruhrgebiets, in den englischen Kohlerevieren, in der "roten Toskana", in den Industriezentren Spaniens – es gibt sie nicht mehr, die Arbeitsplätzen sind verschwunden.

Auf die Probleme der Gegenwart (Prekariate, hohe Jugendarbeitslosigkeit, stagnierende Löhne, Ungleichheit, Neoliberalismus, degenerierter Kapitalismus, etc..) hat die Sozialdemokratie keine Antwort mehr gefunden.

Dafür hat die Stunde der Populisten und Nationalisten geschlagen, die mit der Angst der Bürger die "Flüchtlinge" betreffend punkten.

Die Fremden wollen unsere Jobs, belästigen unsere Frauen, trommelt ihre Propaganda seither. Es sind zu viele, wir haben nicht genug Platz, nicht genug Geld. Sie werden uns kulturell, religiös erst unterwandern, dann unterdrücken. Das sitzt bei den Bürgern und die Sozialdemokratie hat hier nichts entgegenzusetzen.

Die Sozialdemokratie hat bis heute kein Konzept dagegen. 17 Jahre ist es her, dass Jörg Haider mit seiner rechtsnationalistischen FPÖ den ersten Wahlerfolg in Österreich erzielte. Die ÖVP arrangierte sich zügig mit den radikalen Populisten, störte sich auch nicht daran, dass da eine Menge Altnazis mitspielten. Die Sozialdemokraten dagegen haben bis heute keine schlüssige Position als "dritten Weg" gefunden. Die einen schielen sehnsüchtig nach rechts, die andern drehen sich angewidert nach links.

Auch mit der "Sozialistischen Internationale"(SI) gings bergab nach ihrem Höhepunkt unter Brandt/Kreisky/Palme. Auch Namen wie Mitterand in Frankreich oder neben Willy Brandt auch Helmut Schmidt und Schröder – diese Persönlichkeiten fehlen heute.

SPD-Chef Gabriel beklagt den nachfolgenden SI-Niedergang wegen divergent und inhomogen gewordenen Mitgliedern der SI, weil diese „keine Stimme der Freiheit mehr“ sei und eine „völlige Reform – vielleicht sogar eine Neugründung – der SI“ deshalb „überfällig“ wäre. Der Spiegel berichtete 2012, dass die SPD die Zahlung des Mitgliedsbeitrages an die SI eingestellt habe, was de facto einem Austritt gleichkommt. Auch die britische Labour Party beschloss im Januar 2013, die Beteiligung der Partei auf Beobachterstatus zurückzustufen, auch die SPÖ hat sich weitgehend zurückgezogen.

Als Globalisierungskritiker stahl ihr Attack die Show.

Kreisky hat Recht behalten, in Wien 1911 als Sohn einer wohlhabenden jüdischen Familie geboren, hat wie kein anderer Politiker die Zweite Republik geprägt.

o Kreisky wurde 1936 von den "klerikalen Austrofaschisten" zu einem Jahr Gefängnis wegen Hochverrats (=Sozialistenprozesse) interniert.

o Kurz nach dem Anschluß 1938 wurde er von der GESTAPO gezwungen, Österreich zu verlassen und Kreisky emigrierte nach Schweden (Exil), war mit Olof Palme und Willy Brandt eng befreudet im "Club der Sozialistischen Internationale". Bis 1951 in Schweden kehrte er als Diplomat nach Österreich zurück und wurde 1956 Außenminister und von 1970-1983 Bundeskanzler.

Vorher war er als Staatssekretär bei den Staatsvertragsverhandlungen 1954/55 in Moskau dabei:

o 15.Mai 1955 Staatsvertrag (Gegenstand des Vertrages ist die Wiederherstellung der souveränen und demokratischen Republik Österreich nach der nationalsozialistischen Herrschaft in Österreich 1938 bis 1945).

o Am 26.Oktober 1955 Neutralitätserklärung (Gesetz im Verfassungsrang)

Im Moskauer Memorandum vom 15.April 1955 erklärte Österreich die rechtlich nicht verbindliche Absicht, nach Abschluss des Staatsvertrage seine “immerwährende Neutralität” zu erklären.

Ursache dieses Zeitfensters war der NATO-Beitritt Deutschlands und Chruschtschow wollte am Beispiel Österreich auch Deutschland die Neutralität als Keil in die Nord-Süd NATO-Flanke schmackhaft machen, was Adenauer ablehnte ("lieber eine kleine CDU als ein großes womöglich sozialistisches Deutschland war Adenauers inoffizielle Meinung";). Weil die österr. Neutralität “aus freien Stücken” erklärt werden sollte mit dem Neutralitätsgesetz im Verfassungsrang, ist die Neutralität im Staatsvertrag nicht enthalten!. Nur im Moskauer Memorandum vom 15.April 1955 ist sie als Absichtserklärung verankert.

o 1983 verlor die SPÖ die absolute Mehrheit (Mallorca-Steuerpaket/Quellensteuer auf Kapitalerträge, Zwentendorfabstimmung verlor Kreisky) und er trat zurück.

o Kreiskys großer Verdienst:

Die Modernisierung Österreichs nach sozialdemokratischen Grundsätzen geprägt von überfälligen Reformen und Internationalisierung als anerkannter Staatsmann.

Ölpreisschock und Rezession in den 70er-Jahren bekämpfte er mit "Austro-Keynsianismus"(deficit spending policy). Sein oberstes Ziel Vollbeschäftigung auch auf Kosten der Staatsverschuldung.

Zu Kreiskys Agenda gehörten auch das “Südtirolproblem”, “Nord/Süd-Dialog und Blockfreienbewegung”, “UNO-City”, “Nahost-Konflikt” - er machte Arafat hoffähig, “Bildungspolitik - gratis Schulbücher, Schulfreifahrt, etc..”, “Wohlfahrtsstaat”, “Abschaffung der Studiengebühren”, “Versöhnung mit der katholischen Kirche/Kardinal König”, “Wiesenthalaffäre/SS-Peter”, “Soziale Errungenschaften”, “Orttafelsturm gegen Kärntner Slowenen”, prominente Weggefährten Broda (Strafrechtsreform - Homosexualität und Ehebruch und Fristenlösung entkriminalisiert, Familienrechtsreformen), Firnberg (Hochschulreform-Drittelparität).

o Androsch (Hartwährungspolitik, Kreisky/Androsch-Konflikt...Androsch und ÖGB-Präs.Benya wollten Kreisky zur BP-Kanditatur überreden, was Kreisky zutiefst kränkte, er empfand dies als Loyalitätsbruch), Dohnal (Frauenrechtlerin), “Staatsschuldenexplosion”, “Verstaatlichten-Industrie VOEST, VEW im Visier”, Kreisky: „Mir sind ein paar Milliarden Schilling Schulden lieber als ein paar hunderttausend Arbeitslose.“

Diabetes , Dialyse , Erblindung linkes Auge, Schlaganfälle belasteten Kreisky's Gesundheit massiv, er gab es öffentlich nicht zu, kann aber auch einem Androsch nicht verborgen geblieben sein oder doch? behauptet er zumindest. Am 29.Juli 1990 starb Kreisky an Herzversagen.

Alle nachfolgenden Politiker reichten an Kreisky's Format nicht mehr her. Mit seinem Tod 1990 hat Österreich seinen Zenit erreicht und man gewinnt den Eindruck, dass es danach auch im Zuge der einsetzenden neoliberalen Globalisierung und Entsolidarisierung der Gesellschaft langsam bergab ging und mit Bk Faymann ist die Sozialdemokratie am Tiefpunkt angelangt.

Heutiger Nachtrag:

Würde mich auf einen Kommentar vom Präsidenten des Vereines der "Realen Sozialdemokraten", Herrn @Dieter Knoflach freuen, wie er die Sozialdemokratie heute sieht. Habe nachträglich im STANDARD ein Posting von Ihnen und einen Kommentar über den Zustand der österr. Sozialdemokratie gefunden, wonach "die Sozialdemokratische Partei 126 Jahre nach ihrer Gründung vor ihrer Auflösung stehe, es fehle ein schlüssiges Programm, der Zug zum Wahlgewinn, man wisse nicht, für welche Zielgruppe man stehe. Es droht die Zersplitterung, doch die Welt würde sich weiter drehen" - http://derstandard.at/2000024290562/Die-Zeit-der-Sozialdemokratie-ist-vorbei

.....Ich nehme an, Ihr Posting mit Ultrakonzepten und Ultrapersonal hat dazu geführt, dass Sie Präsident der "Realen Sozialdemokraten" geworden sind. Wie viele Mitglieder hat dieser Verein????

"In der Steiermark überlässt Voves als immerhin noch Vertreter der stimmenstärksten Partei der zweitstärksten Partei den Landeshauptmann.... In Salzburg verliert die SPÖ Gabi Burgstaller, ständig die Bundespartei konterkarierenden, nach einem unglaublichen Finanzskandal die Landeshauptfrauschaft ..... Im Burgenland macht Niessl - auf die Stimmung in Pensionistenheimen hörend - Politik gegen die Bundesparteilinie und rechtspopulistische die FPÖ zum Koalitionspartner...... In Vorarlberg, Tirol und Niederösterreich ist die SP eine unbedeutende Größe....... Kärnten ist ohnehin mit normalen Maßstäben nicht zu messen.... In Oberösterreich fährt die Landes-SP eine desaströse Niederlage ein,etc...."Wählt Häupl, sonst kommt der Strache" hat sich auch nicht gerade nach einem Programm angehört, die Wiener Sumpfokratie, schlimmer als Brüssel........Unter Viktor Adler war das Ziel klar: "Freiheit, Demokratie, soziale Sicherheit" - derstandard.at/2000024290562/Die-Zeit-der-Sozialdemokratie-ist-vorbei....Heute besitzt nicht mehr die Politik das Diktum, sondern die Wirtschaft. Industrie und internationale Großkonzerne diktieren die Politik. Das geht zwar allen Parteien so, aber die SP trifft es doppelt hart. - derstandard.at/2000024290562/Die-Zeit-der-Sozialdemokratie-ist-vorbei

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Silvia Jelincic

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