"Crazy America" - ein faszinierendes und zugleich verstörendes Land

Zwischen West- und Ostküste entfaltet dieses Land eine imposante Vielfalt. Millionenstädte, Industrie, aber vor allem Felder, Wüsten und Wälder. Riesige, nur dünn besiedelte Gebiete. Provinz.

Make America great again – damit wirbt Präsidentschaftskandidat Donald Trump, dabei sind die USA rein geografisch unbestreitbar groß, doppelt so groß wie die EU. Der kleine US-Bundesstaat Main entspricht der Größe Österreichs.

Rassenkonflikte, Waffenliebe, Megareiche: Warum sind die Amerikaner so crazy. Jeder hat eine Vorstellung von diesem Land, egal ob er schon einmal dort war oder nicht. Amerika ist nach wie vor die Projektionsfläche der Träume, Wünsche oder Ängste vieler Menschen weltweit. Die Realität aber sieht oft ganz anders aus.

Die Politik der USA und ihr neu zu wählender Präsident beeinflusst das Geschehen weltweit. Wir Europäer kommen nicht weit, wenn wir versuchen, von unseren Werten und Vorstellungen auf die der Amerikaner zu schließen. Dieses Land hat seine eigenen Gesetzmäßigkeiten.

Welche Spannungen, Konflikte und Widersprüche haben Amerika dorthin gebracht, wo es heute ist? Welche Fliehkräfte wirken auf die US-Gesellschaft ein? Es sind vor allem soziale, ethnische und politische Kontraste, die dieses Land bestimmen. Das Versprechen des American Dream, des amerikanischen Traums, war stets:

"Jeder kann in diesem Land einmal groß werden". Dazu kommt die Erzählung vom "pursuit of happiness" (Streben nach Glück). Doch viele Amerikaner zweifeln heute an diesen Versprechen, denn der Reichtum im Land ist auf einige wenige konzentriert und die Mittelschicht schrumpft.

Wieviel verdienten die Amerikaner 2015?

Von den Bruttogehältern müssen sich viele Amerikaner noch privat versichern im Vergleich zu unseren.

Das Durchschmittseinkommen lag 2008 bei 16.000.- und 2015 bei 18.000.- (ca. +1,5% p.a.), bei Abzug der Inflationsrate eine Einkommensstagnation. Bei nachstehendem Chart handelt es sich um das Familieneinkommen gesamt.

Nur noch etwa die Hälfte der Amerikaner hält ihr Wirtschaftssystem für fair, das zeigen aktuelle Umfragen. Kein Wunder, denn viele Menschen in den USA besitzen weniger als nichts – sie sind verschuldet. Wer zehn Dollar und keine Schulden hat, ist reicher als ein Viertel der Amerikaner. Schon im College sind viele US-Bürger im Soll, Absolventen starten mit großen Schulden ins Berufsleben. Wer nach dem College an einer Graduate School einen Master oder Doktor anstrebt, muss sich noch einmal Geld leihen. Allerdings steigen damit auch die Chancen auf ein höheres Gehalt. MBA-Studenten am Massachusetts Institute of Technology (MIT) zum Beispiel häufen bis zu ihrem Abschluss mehr als 100.000 US-Dollar an Schulden an. Obwohl die Brutto-Einstiegsgehälter für MIT-Absolventen hoch sind, vergehen viele Jahre, bis die Studienkredite abbezahlt sind.

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Prägend für die USA ist nicht nur der Unterschied zwischen Arm und Reich, sondern auch der zwischen Bevölkerungsgruppen unterschiedlicher Herkunft. Auch 50 Jahre nach dem Ende der Rassentrennung (Segregation) noch deutlich sichtbar.Baltimore 2015: Schwarzenproteste gegen Polizeigewalt, Auslöser war der Tod eines Schwarzen in Polizeigewahrsam. Viele Menschen tragen ihre Wut gegen die Ungleichheit zwischen der weißen Bevölkerung und den bisherigen Minderheiten auf die Straße. Aus Protest gegen Polizeigewalt gegenüber Schwarzen ist die Bewegung "Black Lives Matter" (Schwarze Leben zählen) entstanden.

Nicht nur im Verhältnis zur Polizei spielt die ethnische Herkunft eine entscheidende Rolle. In den USA ist es üblich, die Bevölkerung in verschiedene ethnische Gruppen einzuteilen und statistisch gesondert auszuweisen. Die größten dieser Gruppen werden als Weiße, Schwarze, Hispanics und Asiaten bezeichnet.

Die Statistik zeigt, welche Kluft sich zwischen den verschiedenen Gruppen auftut. Von Chancengleichheit für seine Bürger, egal welcher Herkunft, ist Amerika weit entfernt. Schwarze und Hispanics stehen gesellschaftlich und wirtschaftlich im Schnitt schlechter da, als Weiße und Asiaten.

In 30 Jahren wird die weiße Bevölkerung den heutigen Minderheiten zahlenmäßig unterlegen sein. Die Weißen werden zur Minderheit. Schon heute unterrichten amerikanische Schulen mehr Kinder von Minderheiten als von weißen Familien.

Ethnische Herkunft, sozialer Status – das sind entscheidende Faktoren für die Gesellschaft der USA heute. Aber auch der Glaube spielt für viele Amerikaner eine wichtige Rolle. Für Millionen Christen ist Religion in den vergangen 20 Jahren zu einem Massenerlebnis geworden: Die Zahl der sogenannten Megachurches (Riesenkirchen) ist drastisch gestiegen.

Die Lakewood Church ist die größte Megachurch der USA. Sie steht in Houston im US-Bundesstaat Texas, mehr als 43.000 Menschen besuchen jede Woche den Gottesdienst. Was aussieht wie eine spirituelle Show, ist auch politisch: Die Wertvorstellungen vieler Menschen in den USA prägt die Sonntagspredigt.

Gleichzeitig ist dieses Land im steten Wandel. Amerikaner gelten als besonders mobil, sie verlassen ihren Wohnort, wenn sich 3.000 Kilometer entfernt eine Möglichkeit für sie auftut. Viele Regionen gerade in städtischen Ballungsgebieten sind in den vergangenen Jahrzehnten rasant gewachsen. Das zeigen Zeitrafferaufnahmen mit Satellitenbildern von 1985 bis 2016.

Der "republikanische" Bundesstaat Texas wird oft als rückständig verspottet, doch er zählt zu den Regionen, die stark expandieren. Fünf der elf am schnellsten wachsenden Großstädte in den USA liegen in Texas. Ehemalige Industriezentren wie Detroit hingegen leiden darunter, dass die Menschen sie verlassen.

Ob Stadt oder Land, ob arm oder reich, ob schwarz oder weiß – eines ist für fast jeden in Amerika stets in Reichweite: eine Waffe. In manchen Gegenden ist es sogar schwieriger, bei Starbucks einen Cappuccino zu bekommen, als eine Schrotflinte im nächsten Waffenladen. In den USA gibt es rd. 11.000 Starbucks und rd. 77.000 Waffenläden. Viele Waffen beheimatet dieses Land, ob in den Schränken seiner Bürger oder in den Kasernen der mächtigsten Armee der Welt. Die USA und seine Bürger definieren sich auch über ihre Waffenstärke. Das Militär, seine Veteranen, die Verteidigungspolitik – all das prägt die US-Gesellschaft. Diese Gesellschaft ist bereit, große Summen für seine Streitkräfte auszugeben, nämlich 2015 rd. 600 Mrd.

Die restlichen Großstaaten geben zusammen weniger als die USA für Rüstung aus, nämlich 567 Mrd. USD (= Japan + Frankreich + Indien + GB + Russland + Saudis + China).

Die USA sind anders als Europa: groß und mächtig, unterschiedlich und verletzlich, faszinierend und beängstigend. Die US-Amerikaner setzen in ihren Leben häufig andere Akzente als die Menschen auf der anderen Seite des Atlantik's. Doch nichts daran ist mysteriös, es lässt sich erklären und verstehen.

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Margaretha G

Margaretha G bewertete diesen Eintrag 05.11.2016 14:35:13

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