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Ich möchte Euch heute einen interessanten Vortrag auf TED.com empfehlen, der Bände spricht – "The rise of global super-rich". In dem Vortrag beleuchtet die kanadische Politikerin Chrystia Freeland eindrucksvoll das neue Zeitalter der wachsenden Ungleichheit zwischen Superreichen und dem Rest der Welt. Man spricht auch von "Plutokraten" oder "Oligarchen" in Russland, die sich nationales Vermögen im Zuge der Privatisierungswelle nach dem Zusammenbruch des Kommunismus unter den Nagel gerissen haben.
https://www.ted.com/talks/chrystia_freeland_the_rise_of_the_new_global_super_rich#t-37015
Zum Beginn des 21. Jahrhunderts zeichnete sich sowohl in den westlichen Industrieländern als auch in den Schwellenländern eine Ungleichheit in der Entwicklung der Einkommen ab, die seitdem ständig gewachsen ist und inzwischen den sozialen Frieden bedroht. Freeland will wissen, wer jeweils zur obersten Spitze gehört, woher das Geld stammt, wie die Geldbesitzer denken und welche Beziehungen sie zu den „übrigen“ Menschen, wenn nicht zum „Rest der Welt“ haben. Sie bietet keine (Boulevard-) Reportage über die „Reichen und Schönen“ an und legt auch keine Anklageschrift vor, mit der sie die „Schuldfrage“ klären will. Freeland betreibt in ihrem Buch auch keine kapitalistische Bilderstürmerei. Im Gegenteil: Die Autorin ist der Überzeugung, dass wir den Kapitalismus brauchen und dass er – wie die Demokratie – das beste System sei, auf das man bisher gekommen ist. Sie erkennt allerdings, dass es auch auf die Ergebnisse ankommt und dass die Abkoppelung der „Plutokraten“ von allen anderen eine Folge der heutigen Funktionsweise des Kapitalismus und eine neue Realität ist, die der Zukunft ihren Stempel aufdrücken wird.
Dieses neue Phänomen ist ein globales geworden, weil es in USA, China, Russland, Indien, Kanada und sogar in "cosy democracies" wie Schweden, Finnland, Deutschland, etc... zu beobachten ist.
Die Angehörigen dieser Klasse der Superreichen bereichert sich auf Kosten der Allgemeinheit in unverschämtem Ausmaß. Ihre Hypothese:
Fortschritt kann weder wahrhaftig noch nachhaltig sein, wenn all der aufgespeicherte Reichtum nur dazu dient, das Vermögen einzelner maßlos zu vergrößern, den Luxus zu steigern und den Gegensatz zwischen Besitz und Mangel zu verschärfen. Die Superreichen dieser Welt bedrohen das Lebensglück von unübersehbar vielen Menschen auf der Welt , die unter erbärmlichen Bedingungen buchstäblich ihre Haut zu Markte tragen müssen und dabei jenseits aller denkbaren Formen sozialer Gerechtigkeit entlohnt werden und so die ohnehin Reichen noch reicher machen. Es gelingt der Autorin auch, die Tür zum Haus der Superreichen aufzustoßen. Der Anblick, den sie so eröffnet, ist atemberaubend, gelegentlich sogar ekelerregend.
In den 70er-Jahren besaßen 1% der Superreichen etwa 10% des Weltvermögens und heute sind es bereits 20%!.Bereits rund 70% des Weltvermögens besitzen 10% der Vermögenden. In den USA besitzen 0,1% bereits über 8% des "National Income". Bill Gates und Warren Buffet sind Beispiele für Plutokraten, sie allein besitzen so viel, wie 40% der US-Bevölkerung, also 120 Mio. Amerikaner.
Die "FORBES-Liste" der 400 reichsten Amerikaner veröffentlichte 1992 deren Vermögen mit 300 Mrd. USD, inzwischen ist das Vermögen dieser 400 Reichsten auf 1.700 Mrd. USD gestiegen, es hat sich also mehr als verfünfacht in nicht ganz zweieinhalb Dekaden.
Warum werden diese Leute überhaupt von so vielen bewundert? Diese zunehmende Spreitzung zwischen arm und reich erzeugt in uns doch keine positiven Zukunftsgefühle. Die Lösung kann doch nur eine gesetzliche "redistribution" (=Neuverteilung) dieses Super-Vermögens zB. durch massive steuerliche Maßnahmen sein.
Was können wir noch tun gegen diese Entwicklung der extrem steigenden Vermögensungleichheit? Wir müssen uns gegen die Senkung der Unternehmenssteuern, Aushöhlung des Sozialsystems, die Privatisierung auch gemeinwirtschaftlicher Ressourcen (Energie, Wasser, etc..) wehren, gegen weitere Deregulierungen, Abschaffung der Erbschaftssteuer – wie es Trump fordert, Steuerprivilegien und Steuerflucht für Großkonzerne (Google, Apple, Amazon, Starbucks, etc..die Steuerdumpingländer mit 6% nutzen). All diese Maßnahmen zugunsten der Reichen müssen wir bekämpfen mit unserem Stimmrecht, Bürgerinitiativen und anderen Maßnahmen. Der Mittelstand ist heute die Melkkuh geworden.
Hinzu kommt der Kampf gegen Korruption, wie sie in hohem Maß in Russland, China und Indien stattfindet und der Kampf gegen die Deregulierung, die nur den Konzernkapitalismus begünstigt.
Multinationale Unternehmen dürfen ihre Profite und die Superreichen ihr Kapital nicht in Steuerparadiesen versteuern können. Die Globalisierung und IT-Revolution begünstigt noch dazu den Superreichen-Effekt. David Carp, der Erfinder des Tumblr.com Weblogs war 26 Jahre alt und hat ihn an Yahoo um 1,1 Milliarden USD verkauft, übrigens ein toller jedoch US-lastiger Weblog, den ich selbst einmal nutzte.
Dabei möchte ich natürlich nicht die positiven, phantastischen Erungenschaften der IT-Welt mit völlig neuen Kommunikationsplattformen schlecht reden.
Zu "Superreichen" wurden Superbroker, Superbanker mit Superboni, Superlawer, Supersportler, Filmstars, Superarchitekten, Super-Schönheitschirurgen, Superdentists, etc... Der Reichtum der Superstars geht natürlich auf Kosten des Restes und insbesondere jetzt auch auf Kosten des Mittelstandes. Die Superreichen sind auch schlau genug, dass sie möglichst viel in die Ausbildung ihrer Kinder investieren. Man spricht oft auch von der Vererbbarkeit der Bildung. So entsteht daneben auch eine Bildungsaristrokratie mit Havard/Camdridge/Oxford/Stanford/MIT etc...Abschlüssen, "Alpha Gigs" (Kosten für Studium, Wohnen und Exkursionen gegen die 70.000 € pro Jahr in Oxford, ein Managereinkommen!).
Freeland sprach auch vom "hollowing out of the middle class", das Aushöhlen des Mittelstandes findet auch bei uns statt und wird zu einer zunehmenden, politischen Destabilisierung führen begünstigt von den diesbezüglich satanischen Mühlen ("satanic mills" ) der 4. industriellen Revolution. Eines der Probleme der IT-Revolution: die größten IT-Unternehmen wie Facebook beschäftigen weniger als 10.000 Mitarbeiter, dagegen zB. General Motors mehrere Hunderttausend. Die Jobs für den Mittelstand gehen verloren, weil der Substitutionseffekt der "Digitalökonomie" so gering ist. Ein weiteres Thema sind die Folgen des Outsourcings....
Die Globalisierung hat anfangs viel Positives gebracht und in vielen Entwicklungsländern zu bescheidenem Wohlstand geführt. Inzwischen hat sich dieses System pervertiert und führte zu einer extremen Ungleichheit zwischen Arm und Reich und damit in absehbarer Zweit zu sozialen Spannungen. Die soziale Mobilität ist verloren gegangen, die Geschichte vom Tellerwäscher, der sich nach oben gearbeitet hat, gibt's nicht mehr.
Die Vortragende spricht von einer Chronifizierung der Plutokratie (=Herrschaft der Reichen).
Ein weiteres Phönomen der beiden letzten Dekaden ist die Entkoppelung des Lohnwachstumes vom allgemeinen Wirtschaftswachstum, insb. dem Produktivitätszuwachs. Die Effizienssteigerung schlug sich in den Profiten der Konzerne, jedoch nicht bei den Löhnen nieder.
Das was Hillary Clinton als Wahlversprechen anführt, aber dann nicht umsetzt, sollten wir uns für die Zukunft der EU überlegen - wir brauchen wieder einen "New Deal". Das Problem dabei ist jedoch die bereits bestehende, hohe Staats-Verschuldung vieler Länder. Der "New Deal" (= die Karten neu ausspielen) war eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik Roosevelts im Zuge der Weltwirtschaftskrise der 30er-Jahre.
Wir müssen unsere politische Macht zurückgewinnen und die Schlupflöcher der Plutokraten mit unseren Gesetzen stopfen.
Für alle, die sich das Video ansehen wollen:
Chrystia Freeland ist nicht nur Handelsministerin, sie ist auch Journalistin (freie Journalistin für Financial Times, The Washington Post und The Economist, in der Ukraine tätig und war sogar stellvertretende Herausgeberin der Financial Times in London und von The Globe and Mail, zuletzt Redakteurin bei Thomson Reuters, Colbert Report, etc...). Nach ihrem Studium erwarb sie in Harvard den Bachelor- und in Oxford den Mastergrad für Slawistik. Sie ist mit dem britischen Reporter und Autor Graham Bowley verheiratet und hat drei Kinder. Seit dem Sommer 2013 lebt sie in Toronto.