DEMOKRATIE versus "arrogante Eliten" und "populistische Rattenfänger" - was sagen Liessmann und Müller.

DEMOKRATIE:

Philosoph Liessmann schreibt in der NZZ über den modernen Typus des Protestwählers, der keine unumstößlichen politischen Präferenzen mehr hat, sondern nur großes Unbehagen gegenüber den etablierten Politik empfindet und sich von ihnen nicht mehr ernst genommen fühlt.

RECHTSPOPULISMUS:

Ein Gespenst geht um in Europa und der Welt: der Rechtspopulismus. Dass Trump die amerikanischen, Hofer die österreichischen Präsidentschaftswahlen gewinnen könnte, dass Grossbritannien die EU verlässt und die AfD in einem kleinen deutschen Bundesland die CDU überholen konnte, gilt vielen nicht nur als Indiz für den Vormarsch neonationaler, xenophober und autoritärer Ideologien, sondern auch als Anzeichen einer Krise der Demokratie.

Die Verführbarkeit der Menschen durch politische Rattenfänger ist die eine Seite, sie soll nicht unterschätzt werden. Es gibt noch eine andere Seite, die Arroganz und Habgier der Eliten.

ELITEN-Kritik:

Die andere Seite aber sind die Gier, die Arroganz und die Skrupellosigkeit der politischen, ökonomischen und intellektuellen Eliten. Die Demokratie muss gleichsam vor dem Volk vermeintlich in Schutz genommen werden, das ist der Seufzer der Eliten. Demokratie würde nur mit informierten und gebildeten Bürgern funktionieren. Diese auch undemokratische Haltung der Eliten sollte nicht vergessen werden, wenn wieder einmal auf Gespensterjagd gegangen wird.

Kritik generell:

Eliten und Rechtspopulisten würden am liebsten das Volk von Bürgerbeteiligungen fernhalten und die wirklich wichtigen Fragen immer nur selbst entscheiden, auch wenn sie Gegenteiliges bekunden.

Vorhin genannte Vorstellungen beschädigen die Wurzeln einer Demokratie, wo ja die Stimme jedes Bürgers gleich viel zählt, unabhängig von seiner sozialen Lage oder intellektuellen Ausstattung ("One man, one vote" ). Nur in diesem Prinzip kommt die politische Gleichheit der Bürger zum Ausdruck. Und das Risiko, das man dabei eingehen muss, ist so gross nicht. Manchmal ist das Volk klüger, als die Gebildeten glauben.

Die Gefahr, die von den Populisten ausgehen kann, wird gerne mit dem Hinweis auf die Geschichte unterstrichen. Die Erfahrungen des 20. Jahrhunderts zeigen aber, dass faschistische Gruppierungen weitgehend nicht durch freie Wahlen an die Macht gekommen sind. Mussolini musste putschen, Franco einen Bürgerkrieg führen, und in Deutschland gaben bei der letzten regulären Wahl im November 1932 gerade 33 Prozent ihre Stimme der NSDAP. Erst das Bündnis mit grossen Teilen der Industrie, des Militärs, der Kirchen und auch der Wissenschaft brachte Hitler an die Macht.

Was ist Populismus:

Die Politik muss die Sorgen und Ängste der Bevölkerung ernst nehmen, Standardsatz jedes Politikers.

Die Sorgen ernst zu nehmen ist ja ok, aber warum nicht den Bürger selbst ernst nehmen? Die vorgetäuschte Nähe des Vertreters zu seinen Wählern erweist sich als Distanz, die bloss rhetorisch überbrückt wird.

Ist jetzt derjenige, der sich dieser Rhetorik bedient, ein Populist? Oder ist derjenige ein Populist, der diese Kluft nicht überspielt sondern geradezu emotionell ausschlachtet und sich dabei "gegen die da oben" in Stellung bringt, die an allem Schuld sind.?

Eigenfoto

Princeton-Professor Jan-Werner Müller in seinem lesenswerten Essay "Was ist Populismus?".

Ob jemand populistisch agiert, ist für Müller keine Frage der Rhetorik, und es ist auch keine Frage der politischen Inhalte. Über die EU herzuziehen, ist per se ebenso wenig populistisch, wie für ein bedingungsloses Grundeinkommen zu plädieren oder für neue nationale Grenzkontrollen angesichts einer stolzen Zahl von Einwanderungswilligen. Der Populist stellt weder einen Problembewirtschafter noch einen terrible simplificateur (Weltvereinfacher) dar, der Scheinlösungen für komplexe Probleme propagiert.

Nein, Populismus ist nach Müller eine politische Denkungsart mit einer ganz bestimmten Logik.

Der Kernanspruch des Populisten lautet: «WIR – und NUR WIR – vertreten das Volk (Alleinvertretungsanspruch)»

Mit Volk meint er nicht eine Gruppe unterschiedlicher Menschen, deren Interessen er in der politischen Auseinandersetzung mehr Gehör verschaffen will.Der Populist geht von einem homogen gedachten Wir aus, das sind zB. "die Patrioten", "die Vergessenen", "die Fleissigen", "die Anständigen", etc...

Jedoch alle anderen sind die Feinde, die da oben oder eben die anderen (Feindbildrhetorik beherrschen Populisten perfekt)

Der Populist agiert fundamental apolitisch – er sieht sich nicht als harten Verhandler im demokratischen Prozess, sondern als moralischen Akteur mit Alleinvertretungsanspruch. Seine Politik reduziert sich folgerichtig auf Identitätspolitik, die weder Streit noch Kompromissbereitschaft kennt. Wer sie nicht teilt, gehört einfach nicht dazu.

Wenn der Populist mit anderen Volksvertretern streitet, dann nur, weil er sie nicht als legitime Repräsentanten anerkennt. Wenn er nicht an der Macht ist, dann nur, weil ihn die korrupten Eliten und Institutionen daran hindern. Wenn er nicht die Mehrheit des Volkes hinter sich hat, dann nur, weil die schweigende Mehrheit von den Urnen fernblieb. Wenn sie nicht wählen ging, dann nur, weil sie manipuliert wurde. Der Populist mit seiner eigenen Rheorik hat so gesehen immer Recht.

Zur Populismus-Keule greifen all jene, die vor den Sachproblemen wenig Ahnung haben oder sich gar nicht damit beschäftigen wollen. Statt sich die Hände schmutzig zu machen, zeigen sie lieber mit dem Finger auf die anderen. Populisten sollen vom politischen Gegner gefürchtet wird und populistische Bewegungen verzeichnen regen Zulauf. Und die etablierten Politiker versichern noch immer, die Sorge ihrer Wähler ernst zu nehmen, aber das Volk hat sich von ihnen (SPÖ/ÖVP-Koalition und bürgerferne EU-Elite) verabschiedet.

Andere Beiträge zum Populismus:

Meine Kernaussage wurde in meinem Leserbrief der Kleinen Zeitung eliminiert:

"Wer jedoch die rechtspopulistischen Rattenfänger wählt, leistet der Zerstörung der Demokratie Vorschub" .....offensichtlich in der Deutlichkeit nicht mehr "political correct"

https://www.fischundfleisch.com/ebgraz/havard-oekonom-rogoff-mit-der-wut-der-buerger-machen-populisten-karriere-22770

https://www.fischundfleisch.com/ebgraz/der-teich-ist-trueb-geworden-die-stunde-der-populisten-westlicher-demokratien-15807

https://www.fischundfleisch.com/ebgraz/fluechtlingsproblem-die-wiederkehr-nationalistischer-und-populistischer-bewegungen-sind-dabei-die-13683

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