Die Identitären (neuen Rechten) sind intelligent, gebildet und brandgefährlich (exNZZ)

Die Identitären sind die Spontis der Neuen Rechten, denken völkisch, sind aber smart, subversiv, jugendlich und kennen die Codes der Pop-Kultur (exNZZ). Europa würden sie gerne zur Festung gegen Migranten machen. Als politische Randgruppe, die Aufmerksamkeit sucht, hatten die deutschen Identitären heuer kein schlechtes Jahr. Aktionen wie die Besteigung des Brandenburger Tores im August 2016 bescherten ihnen Schlagzeilen. Am symbolträchtigsten Ort in der Mitte Berlins, hoch oben vor der Quadriga, ein Spruchband gegen unkontrollierte Zuwanderung zu entrollen – das war doch für einmal ein Coup, der mithalten konnte mit den Auftritten der Kameraden in Österreich. Sie stören Aufführungen von Elfriede Jelineks Flüchtlings-Stück "Die Schutzbefohlenen" mit Publikumsbeschimpfungen ("Heuchler! Eure Dekadenz ist unser Untergang";), stapeln Ziegel vor der Tür der Parteizentrale der Grünen in Wien, errichten symbolische Zäune an der Grenze zu Ungarn. "Multikulti tötet" oder "Werde Grenzwächter" heissen ihre Kampfrufe. Generation "Reconquista"

Vereint ist die identitäre Bewegung im Zeichen des griechischen Buchstabens Lambda, stilisiert zu einem Winkel in einem Kreis, meist schwarz auf gelbem Grund. Kinogänger kennen das Signet aus dem Film "300", wo es die Schilder der Spartaner schmückt, die sich am Thermopylen-Pass heldenhaft einer Übermacht anstürmender Barbaren in den Weg stellen und damit zu Rettern des Abendlandes werden. Der spartanische König Leonidas siegte gegen die Übermacht der Perser unter Xerxes:

Xerxes schrie: "Unsere Pfeile werden die Sonne verdunkeln"

Leonidas antwortete darauf: "Dann werden wir im Schatten kämpfen"

Ein eigenes identitäres Modelabel bietet bedruckte T-Shirts und Kapuzenpullover an. Sieht so die Zukunft des Rechtsextremismus aus: smart, subversiv, jugendlich, aktionistisch in bester Sponti-Manier, heimisch in der Pop-Kultur und bewandert im Spiel cooler Codes?

Reaktionär zu sein, ja, dazu bekennen sich die Identitären, die, von Frankreich ausgehend, seit 2012 auch im deutschsprachigen Raum Anhänger sammeln. Aber vom Verfassungsschutz beobachtet zu werden, finden sie ungerechtfertigt. Und schon gar nicht möchten sie mit der "Nazikeule" traktiert werden. Nazis und Neonazis, das seien die "alten Rechten" – die Rassisten, die expansiven Nationalisten, die Herrenrasse-Denker.

Die identitäre Bewegung "verstehe sich als metapolitischer und aktivistischer Arm der Neuen Rechten". Statt Rassismus propagiert die IB Ethnopluralismus, statt strammer Aufmärsche bevorzugt sie "ästhetische Interventionen".

Ihr Widerstand soll gewaltfrei sein, und vor die Eroberung der Parlamente setzen die Identitären die Eroberung der Köpfe. Eben das besagt ihre zur Metapolitik erhobene Strategie: kulturelle Hegemonie erlangen, den Zeitgeist bestimmen, die Begriffe beherrschen. Dazu gehört, Migration zu stigmatisieren, gegen die Vermischung von Ethnien und Kulturen ein "Eigenes" zu behaupten, eine intakte Heimat und Tradition hochzuhalten.

Wenn die Identitären an Demonstrationen ihr "Europa! Jugend! Reconquista!" skandieren, so steckt darin ein dramatisch-glorioses Selbstbild. Die IB begreift sich als die junge, frische, aber eben auch letzte Generation, die Europa von den Muslimen zurückerobern kann – was unterstellt, wir würden heute von islamischen Machthabern beherrscht wie die Spanier im Mittelalter (Maurische Andalusien).

Die Dramatisierung der Lage kulminiert in der Rede vom "grossen Austausch". In seinem Buch "Le grand remplacement" spricht der rechte Philosoph Renaud Camus (nicht Albert Camus!) von einer "Gegen-Kolonisierung", bei welcher vor allem nordafrikanische Gesellschaften ihren Geburtenüberschuss nach Europa verlagerten und dort die Alteingesessenen vertrieben und ersetzten. Nutzniesser sei das global agierende, an billigen Arbeitskräften interessierte Kapital. Regierung und kulturelle Eliten nähmen den Bevölkerungsaustausch in Kauf oder begrüssten ihn in stiller Verschwörung mit der Wirtschaft gar als Bereicherung. Hauptfeind ist der Islam.

"Verteidigung des Eigenen", eine Heimat, "in der man sich zurückziehen kann in das Vertraute, in der man die Spielregeln kennt".

Ihre Argumente:

Warum, so die suggestive Frage der Identitären, gestehen Multikulturalisten den muslimischen Einwanderern zu, dass sie an ihren Gebräuchen und Werten festhalten und sich in Parallelgesellschaften einrichten, dass sich die Lebenswelt vor ihrer Haustür in einen prekären, heruntergekommenen Orient verwandelt. "Wir sind doch auch noch da", "Jugend ohne Migrationshintergrund", die sich auf Flugblättern gern zu "Verlorenen" stilisiert, Mitgefühl bekommen.

"Ethnopluralistische Reconquista"

Mit der die Identitären ihre Probleme gern lösen würden, läuft auf eine Deportation der Fremden hinaus. Denn Ethnopluralismus meint: "Jede Kultur, jede Ethnie hat ihr eigenes Existenzrecht, aber sie soll auf ihrem angestammten Terrain verbleiben".

Vom "alten Rassismus" unterscheidet den "Ethnopluralismus", dass dieser keine Überlegenheit einer Kultur über eine andere kennt

(nicht die nationalsozialistische Herrenmensch-Ethik und Rassenwahn). Er predigt Vielfalt, die jedoch nicht das bunte multikulturalistische Kuddelmuddel sein dürfe, sondern in Einheiten gegliedert sein müsse: Deutschland den Deutschen, Frankreich den Franzosen, die Türkei den Türken und so fort.

Alle bleiben am besten da, wo sie "hingehören", und pflegen die Eigentümlichkeiten, die ihnen als Gruppe zukommen. Als Gruppe, nicht als Individuum. Der Einzelne, und das setzt die identitäre Bewegung in Gegensatz zum Liberalismus und zum Universalismus der Menschenrechte, ist nicht die Hauptsache. Das Ich bleibt stets verwiesen auf ein Wir. Aus dieser anthropologischen und soziologischen Grundtatsache zieht das antiliberale Denken normative und kulturalistische Konsequenzen. Eine normative, indem es den Einzelnen als Rechtssubjekt kollektiven Bedürfnissen notfalls unterordnet.

Identität sei eine "Frage auf Leben und Tod" heisst es mit existenzieller Dringlichkeit in identitären Kreisen. Gemeint ist stets die "ethnokulturelle", also gemeinschaftliche Identität, nicht der Selbstverwirklichungs-Individualismus im Gefolge von 1968. Die "68er Ideologie" soll ja gerade in den Orkus der Geschichte gestossen werden.

Konservative, die an der Heimatverbundenheit der Identitären Geschmack finden, sollten vor den völkischen Eskapaden der IB gewarnt sein. Was deren Gewährsmann Guillaume Faye über "Rassenchaos", "Ethnomasochismus" und die angeblich bedrohte biologisch-genetische Wurzel – das "Germen" – Europas zusammenfaselt, ist einfach nur gruselig. Der sogenannte Ethnopluralismus wird die Assoziation mit der ein für alle Mal diskreditierten Idee eines homogenen Volkskörpers nicht los.

Neurechte Zeitschrift dazu: "Sezession".

Lopatkas Sohn (Sohn von ÖVP-Politiker Reinhold Lopatka) beteiligte sich an Identitären-Demo, schreibt der STANDARD: http://derstandard.at/2000001724921/EU-entlaesst-Oesterreich-aus-Defizitverfahren

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