Wenn kommunistische Funktionäre dem als «reaktionär» bezeichneten Autor einst Nationalchauvinismus, Rassismus, Kriegshetzerei, religiösen Obskurantismus und pauschale Vernunftkritik vorgeworfen haben, so werden diese Kritikpunkte heute mehrheitlich ins Positive gewendet:
Man vereinnahmt Dostojewskis Werk – die grossen «Romantragödien» ("Schuld und Sühne" , "Der Idiot", " Brüder Karamasow") ebenso wie seine publizistischen Schriften – als Kernbestand der aktuell geltenden grossrussischen Ideologie.
Das literarische Werk beschreibt die politischen, sozialen und spirituellen Verhältnisse zur Zeit des Russischen Kaiserreiches, die sich im 19. Jahrhundert fundamental im Umbruch befanden.Dostojewski gilt als einer der herausragendsten Psychologen der Weltliteratur.Seine Bücher wurden in mehr als 170 Sprachen übersetzt. Ein Zeitgenosse war "Tolstoi" (= "Krieg und Frieden"; "Anna Karenina").
Wenn Dostojewski als Apologet des Zarentums und Propagandist der autokratischen Staatsdoktrin in den 1870er Jahren die orthodoxen Balkanstaaten als russisches Interessengebiet herausstellte und deren militärischen Schutz forderte; wenn er zur «Heimholung» Konstantinopels aufrief und gleichzeitig Russlands «Rettung» und all seine «Hoffnungen» auf Asien setzte – dann macht ihn dies zwar nicht zum Propheten, aber doch zu einem autoritativen Stichwortgeber heutiger russischer Expansionspolitik.
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Die Tatsache, dass alle neuzeitlichen Zaren und selbst Puschkin, der gemeinhin als der grösste unter den russischen Klassikern gilt, hinter Dostojewski zurücktreten müssen, unterstreicht dessen singuläre Sonderstellung als Ideologen der eurasischen Bewegung.
Der grosse Humanist und Antisemit Dostojewski, in dem schon Nietzsche einen der grössten Psychologen überhaupt zu erkennen glaubte, bediente sich damals sämtlicher Register antisemitischer Rhetorik und scheute kein Klischee, um die moralische und rassische Minderwertigkeit des Judentums anzuprangern – «Absonderung und Intoleranz gegenüber allem Nichtjüdischen», «Errichtung eines Staats im Staat», «Beherrschung des Kredits und damit der ganzen internationalen Politik», «Handel mit fremder Arbeit» und «das Bestreben, der Welt das eigene (jüdische) Antlitz und Wesen mitzuteilen».
Demgegenüber möchte Dostojewski das Russentum – leidgeprüft, glaubensstark, demutsvoll, uneigennützig, brüderlich – als weltumgreifendes «Allmenschentum» etabliert sehen, vereint in «Allresonanz» und «Allversöhnlichkeit»; doch ebendiese globale «All-Einheit» schränkt er gleichzeitig wieder ein, führt sie gar ad absurdum, indem er dem «Weltjudentum» die Zugehörigkeit zum «Allmenschentum» versagt.
Der angeblich wurzellose Jude kann weder den patriotischen Ansprüchen noch dem «Allmenschentum» entsprechen, wie Dostojewski es als globale Vision eines russisch fundierten Christentums in Aussicht gestellt hat, das berufen sei, die westeuropäische Idee einer aufgeklärten Zivilisation abzulösen, die – angekränkelt von liberalem Gedankengut und ausgepowert durch kapitalistische Ausbeutung – «einen Teil der Menschen zu Tieren werden lässt, damit der andere im Wohlstand lebe».
Liberalismus und Kapitalismus glaubt Dostojewski als Grundlage eines jüdischen Imperialismus zu erkennen, der immer ausgeprägter «zersetzende» Züge annehme und für den die Knechtung der Welt zum Programm geworden sei.
Die jüdische Sendungsidee und Heilandserwartung, aus unvordenklichen Zeiten tradiert und lebendig erhalten, bildet für Dostojewski und seinen grossrussischen Messianismus eine gewaltige, vielleicht übermächtige Herausforderung, die er nur als feindselige Konkurrenz und als ständige Bedrohung zu begreifen vermag: Der christliche und der jüdische Anspruch auf Auserwähltheit und damit auch zwei unvereinbare Messianismen stehen einander hier entgegen.
Womöglich sind also Dostojewskis antisemitische Invektiven Ausdruck einer tiefer liegenden, nicht eingestehbaren Bewunderung für eine religiöse Gemeinschaft, die trotz weltweiter Zerstreuung ihre eigene Geistes- und Glaubenswelt zu erhalten vermochte, derweil das kontinental aufgestellte Russentum im selbstmörderischen Konflikt mit seinen eigenen «Dämonen» befangen bleibt, statt endlich – wie Dostojewski es immer wieder gefordert hat – seine «allmenschlichen» Ambitionen durchzusetzen und sie christlich auszuleben.
Zitate:
"Geld ist geprägte Freiheit"
"Nur die Ruhe ist die Quelle jeder großen Kraft"
"Sprache ist Form, Gestalt und Gewand des Geistes"
"Ich will und ich kann nicht glauben, dass das Böse
der Normalzustand des Menschen ist"
"Wir wissen jetzt, daß wir keine Europäer sein können, daß wir nicht imstande sind, uns in eine der westlichen Lebensformen zu pressen, die Europa aus seinen eigenen nationalen Prinzipien heraus geschaffen und erlebt hat, Prinzipien, die uns fremd und zuwider sind".
"Der Mensch kann nicht bestehen, ohne etwas anzubeten".
"Wenn du willst, dass man dich achte, so achte vor allem dich selbst; nur dadurch, nur durch Selbstachtung, zwingst du auch andere, dich zu achten"