"Einsamkeit und das Gefühl, unerwünscht zu sein, ist die schlimmste Armut" (Mutter Teresa)

Die Teresa der Slums wird heute, Sonntag, in Rom heiliggesprochen. Friedensnobelpreis, Orden der britischen Königin, Rede im weißen Haus und vor der UNO. Bescheidenheit und ein kompromissloses Engagement für die Armen und Leprakranken in Kalkutta: Teresa wurde ein Popstar der Barmherzigkeit.

Seligsprechung nach rund 20 Jahren nach ihrem Tod von Papst Franziskus. Zur Welt kam sie in Skopje, der Hauptstadt Mazedoniens und wurde durch ihr Wirken ein Vorbild für Nächstenliebe auf dieser Welt.

Woher nahm diese zierliche Frau ihre Kraft? Erforderte ihr Wirken nicht ein unerschütterliches Gottesvertrauen? Wie sonst hätte sie ihre Existenz so kompromisslos in den Dienst der Ärmsten, Kranken und Sterbenden in Kalkutta stellen können? Ihre Kraft kam vom Glauben, ein spirituelles Phänomen.

Vor vielen Jahren las ich ein Buch von ihr, worin ihre vertraulichen Briefe veröffentlicht wurden, die nie an die Öffentlichkeit hätten kommen sollen. Daraus geht hervor, dass sie neben ihrem Gottesglauben auch immer wieder tief an Gott zweifelte. Wie konnte Gott ein Kalkutta zulassen? Ihr Platz würde auch nach ihrem Tod nicht bei Gott, sondern bei den Armen in Kalkutta bleiben.

„Es wird mir gesagt, dass Gott mich liebt. Doch ist die Realität der Dunkelheit, der Kälte und der Leere so überwältigend, dass nichts von dieser Liebe meine Seele berührt“ schrieb sie 1959 in ihren Briefen. So fühlte sie sich immer wieder von Gott im Stich gelassen und je mehr sie dieses Gefühl hatte, umso mehr fühlte sie sich ihm auch wieder hingezogen. Eine offensichlich ambivalente Gefühlswelt. Ambivalenz (lat. ambo „beide“ und valere „gelten“) bezeichnet in der Psychologie das Nebeneinander von gegensätzlichen Gefühlen und Gedanken.

Die Kirche sieht das jedoch so, dass gerade die Momente des Zweifelns ihren Glauben stärker gemacht hätten und sie zu ihrer selbstlosen Arbeit befähigte. Faktum ist, dass Teresas Leben nicht frei von Momenten seelischen Leids, inneren Zweifeln und Widersprüchen war.

Hindiustische Nationalisten unterstellten ihr, dass sie diesen "Armenkult" nur im Dienste des Glaubens betreibe, um die Inder leichter zum Christentum zu bekehren. Ihr wurde auch eine Besessenheit mit Tod und Leiden vorgeworfen.

Mutter Teresa, die Samariterin der Slums, soll in jedem Menschen ein Gotteskind gesehen haben und so hat sie auch jeden einzelnen behandelt, sagte ihre Nachfolgerin Schwester Blessila bei der Feier in Rom. Das Waisenkind in der Gosse, den armen Alten, der einsam den Tod erwartete, den Kranken von allen anderen aufgegeben.

Kalkutta, der Ort ihres Wirkens, wurde der Inbegriff des Elends auf der Welt. Der Literaturnobelpreisträger Naipaul nannte die Millionenmetropole die "deprimierendste aller Städte, der Abgrund der Welt"

Für mich persönlich war sie unter der Überzahl der Scheinheiligen auf unserer Welt eine wirkliche Heilige.

Die Gründe für ihre Seligsprechung, dass eine Frau ein Amulett von ihr getragen habe und deshalb vom Krebs geheilt wurde, finde ich persönlich typisch katholisch geschmacklos im Kontext ihres Gesamtwirkens. Die Irrationalität dieses jahrelangen Seligsprechungsverfahrens im Vatikan entzieht sich für mich jeglicher Vernunft, jedoch muss für die Seligsprechung immer ein Wunder bewiesen werden.

In Indien sind die Christen nur eine Minderheit und so kommt es Papst Franziskus natürlich entgegen, wenn eine Christin den Indern zeigt, was christliche Nächstenliebe ist. Sie war jedoch auch eine Klerikalkonservative und bezeichnete wie der Papst selbst die Abtreibung als "größten Zerstörer des Friedens", eine etwas eigenwillige Sichtweise.

Teresa tat, was Papst Franziskus auch von seiner Kirche fordert: Sie sollte an die Ränder der Gesellschaft gehen, zu den Menschen in Not, zu den Elenden und Verzweifelten, dorthin, wo es unangenehm ist und stinkt. Eine Heilige müsse nicht perfekt sein, sie darf auch eine Zweiflerin in den Augen Franziskus' sein. Dies würde besser zu jener Kirche der Bescheidenheit passen, die sich der neue Papst wünscht.

Die Kurie im Vatikan wird dabei vermutlich eher zum Kopf schütteln - man kennt ja ihren luxeriösen Lebensstil aus Zeitungsberichten der Vergangenheit.

https://commons.wikimedia.org/wiki/User:Túrelio https://commons.wikimedia.org/wiki/File:MotherTeresa_094.jpg

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Spinnchen

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Petra vom Frankenwald

Petra vom Frankenwald bewertete diesen Eintrag 03.09.2016 22:51:37

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