Was ist los mit Europa?. Warum misstrauen immer mehr Bürger den Politikern? EU-Parlamentspräsident Martin Schulz spricht über fehlende Visionen und mangelnde Solidarität mit David Precht.
Im Gegensatz zu Junker halte ich Schulz für einen seriösen EU-Politiker mit viel politischer Erfahrung.
Es ging um die Fragen fehlender Visionen und verlorengegangener Zuversicht für die Zukunft Europas. Paradox dabei ist die Tatsache, dass es vielen europäischen Ländern, insb. auch uns und Deutschland noch nie so gut gegangen ist und trotzdem die massiv gestiegene Unzufriedenheit.
o Dabei spielen die "Abstiegsängste" der Bürger eine große Rolle. Man spürt, dass Wachstum nicht unendlich sein kann, wir müssen auch auf unsere Umwelt schauen.
o Besorgniserregend die Einschätzung vieler älterer Menschen, dass die Zukunft unserer Kinder viel schlechter aussieht, als es unsere eigenen Zukunftsaussichten noch waren. Wir hatten keine Jobangst, wer wollte hat immer irgendetwas bekommen.
o Wir dürfen auch die inzwischen voll angekommene Globalisierung nicht aus dem Auge verlieren und bei Schwächung der EU zum Spielball Amerikas oder Chinas werden.
o Braucht Europa ein neues Narrativ (= neue Vision, eine zukunftssinngebende Erzählung), das den EU-Bürgern wieder mehr Zuversicht gibt. Jedoch wer sind die Erzähler und was sollen sie erzählen. Dabei geht es vor allem um mehr Bürgernähe und Resonanz zwischen EU-Techokraten und EU-Bürgern.
o Die Visionäre/Erzähler müssen authentisch sein und nicht wie viele Politiker nur so scheinen, nur so tun als ob ohne innere Überzeugung.
o Die EU-Bürger müssen wieder von ihrem Konsumwahn geheilt werden und mehr Genügsamkeit lernen, statt materiell immer mehr und mehr zu wollen. Dabei geht es aber auch um die Frage der wachsenden Ungleichheit, wo neue Umverteilungsmechanismen zu diskutieren sind.
o Wohlstand und wachsende Habgier haben auch zu einer Entsolidarisierung einer zu individualistisch gewordenen Gesellschaft geführt (Beispiel USA, Individualismus zerstört Solidarität).
o Der EU-Bürger glaubt, nur Rechte zu haben und es gibt keine Pflicht mehr, es werden von ihm keine Anstrengungen sichtbar.
o Die EU ist bekannteweise kein Bundeststaat (wie die 50 Bundesstaaten der USA), sondern ein Staatenbund. Staatenbund bedeutet eine Vereinigung von souveränen Nationalstaaten, die alle bei maßgeblichen Gesetzen/EU-Richtlinien zustimmen müssen. Neue zu weit gehende Renationalisierungstrends zerstören unser gemeinsames Europa mit negativen Folgen.
o Eine Idee für mehr Europa wäre auch, den Jugend-und Studentenaustausch (ERASMUS-Programm) auch für Lehrlinge und nicht Studenten zu ermöglichen.
o Das Verfahren gegen Polen wegen Erosion der Demokratie zeigt, das die EU auch noch Zähne hat. Polen hat das Abtreibungsverbot (Haftstrafe bei Verstoß) wieder eingeführt und treibt die Frauen wieder zu "Engelmacherinnen" oder ins "Ausland". Wir müssen wieder den Kampf für demokratische Werte aufnehmen.
o Erneuerung der Demokratie, die Demokratie muss wieder stärker, als die Ökonomie werden. Wir dürfen und nicht weiter beschleunigen lassen in der neuen, neoliberalen Welt des Raubtierkapitalismus - wieder auf die "Stopp-Taste" drücken.
Der Kapitalismus, so wie er sich entwickelt hat, ist keine Segnung mehr für uns Menschen.
o Die EU-Technokraten müssten wiederum durch Politiker mit mehr Pathos und mehr Nähe zum EU-Volk ersetzt werden - mehr Resonanz.
Der gesunde, moralische Kern Europas gehört weiter ausgeweitet. Es geht um die Frage: "transnationale Demokratie", ja oder nein.
o Die EU wirkt wie ein ferner Planet und die Erfahrung zeigt, je ferner desto geringer die Akzeptanz für Entscheidungen beim EU-Bürger,
o Zur Demokratie gehört auch die Machtverschiebung weg von der Politik und hin zur Ökonomie und Macht der (Finanz)Konzerne zu verhindern. Die Durchkommerzialisierung unseres ganzen Lebens ist bitte abzulehnen.
o Die künftig steigende Arbeitslosigkeit infolge der Digitalisierung und Automatisierung in den Industriebetrieben und jetzt auch schon beginnend in Dienstleistungsbetrieben. Man hat keine Antwort.