"Gegenaufklärung" - mit dem Neoliberalismus geht sukzessive unsere Freiheit zu Ende (Stefan Schulmeister)

Stefan Schulmeister zählt zu international anerkannten Empirikern der Ökonomie und beschäftigt sich viel mit Feldforschungen. Er wehrt sich dagegen, als linker Ökonom bezeichnet zu werden, nur weil er die Marktreligion des Neoliberalismus nicht mitträgt, ohne grs. gegen die freie Marktwirtschaft zu sein. Nur sie muss politisch gestaltet werden, daher Primat der Politik und nicht Primat der Wirtschaft; zweites wird auch in Brüssel praktiziert.

Die Hauptursache der Krise sei ein strukturelles Problem, der Konflikt und die Ausdifferenzierung zwischen

a) Finanzkapital

und

b) Realkapital

wobei das Finanzkapital ein Vielfaches des Realkapitals ausmacht. Vor vielen Dekaden galt noch das Primat der Politik, dem sich die Wirtschaft unterzuordnen hatte (typisch Roosevelt). In den USA gab es vor vielen Dekaden noch eine viel größere Freiheit (“vom Tellerwäscher zum Millionär”), von der heute keine Rede mehr sein kann.

Die Wende kam mit Reagan und Thatcher in GB.

Der an sich positiv besetzte Begriff “Freiheit” wird als Chiffre für den Neoliberalismus missbraucht. In der empirischen Realität hat er wesentlich mehr Unfreiheit und Ungleichheit geschaffen. Man kann deswegen beim Neoliberalismus von einer “Gegenaufklärung” zu den Freiheitsidealen von damals sprechen.

Nicht der Mensch, sondern der Markt wurde seitdem in den Mittelpunkt gestellt, dem sich der Mensch unterzuordnen hat. Der Neoliberalismus hat zu einer “Selbstentfremdung” geführt und “Finanz/Marktreligiosität”. Eine Wende wird nicht von selbst kommen, dazu bedarf es einer Revolution wiederum von unten mit allen auch damit verbundenen Risken extrem rechter oder linker Parteien.

Bereits seit den 50er-Jahren haben damals noch Außenseiterökonomen wie Hayek und Friedman den Systemwandel ideologisch vorbereitet über Genfer Netzwerke. Ihr Ziel war die Löhne zu senken und die Sozialpolitik zu beseitigen und die Unternehmessteuern zu senken.

Zunehmend wurden in einem “war of ideas” die Keynsianer von den UNI’s vertrieben und erste “Think Thank” Gründer traten als neoliberale Aposteln in Erscheinung. In Österreich ist heute die “Agenda Austria” so ein Beispiel dafür.

Mit Aufhebung der Bretton-Woods Standards fixer Paritäten durch Nixon (infolge des Vietnamkrieges kamen zuviele USD in Umlauf, das hätte Ford Knox leerräumen können) erlitt der USD einen sofortig 25%igen Kursverlust. Die weitere Folge war Einnahmenausfall bei den Ölländern und in der weiteren Folge im Zuge der Ölpreisschocks der 70er-Jahre kam es zu einem Anstieg der Inflation (Petrodollars, etc..) und in weiterer Folge zur Bekämpfung der Inflation die Hochzinspolitik durch die Notenbanken.

Die 1.Entfesselung erfolgte durch die “Deregulierung der Devisenmärkte” und es schien infolge der Hochzinspolitik so auszusehen, dass man mit Spekulationen in der Finanzwirtschaft mehr verdienen könne, als mit Investitionen in der Realwirtschaft.

Dies führte zur 2. Entfesselung der Zulassung von Finanzderivaten bis zu spekulativen Leerverkäufen oder Wertpapierspekulationen auf Basis von Krediten. Das Wort “Casinokapitalismus” kam auf.

Meine Frage betraf die in meinen Augen von Schulmeister nicht erwähnte, 3. Entfesselung infolge des geplanten “TTIP-Abkommens”. Hinter dem positiv wiederum besetzten Chiffre “Freihandel” (schließlich hat Freihandel zu mehr Wohlstand geführt durch Zollschrankenabbau, etc..) versucht man jetzt über die Hintertür die staatl. Souveränität insofern auszuhebeln, als Staaten geklagt werden können und auf Basis von Schiedsgerichtsurteilen (vermutlich von Konzernen lobbyiert mit nicht unabhängigen Richtern) schadenersatzpflichtig werden für Umwelt/Sozial- oder gesundheitspolitische gesetzliche Maßnahmen, wenn sie dem TTIP widersprechen. Wo bleibt hier das Primat der Politik eines souveränen Staates. Die USA wird der EU die Regeln diktieren und es würde zu einem massiven Abbau von Sozial- Gesundheits- und Umweltstandards u.a.führen. Schulmeister geht mit mir hier vollkommen d'accord und des handelt sich dabei wiederum um ein typisches Beispiel, wo der Markt versucht, der Politik eines souveränen Staates sein Primat zu entreissen.

Schulmeister tritt als Lösung für die Europakrise für einen pragmatisch Roosevelt'schen “New Deal” mit keynsianischen Elementen ein und die Nachfrage muss dadurch wieder angekurbelt werden. Überdies darf es nicht zu so extremen Handelsüberschüssen, wie Deutschland auf der einen Seite und Defiziten am Beispiel Griechlands als anderes Extrem.

Weiters haben wir eine historisch noch nicht dagewesene, offene Situation mit der nunmehr begonnenen massiven Geldflutung durch die EZB. Wir haben keine empirische Erfahrung über den Ausgang, die Vernunft muss am Ende eher ein Fiasko befürchten. Jedoch bei einem Crash kommt es auch zu Unterbrechungen der Transferzahlungen (Pensionen, etc..) dann wiederum mangels Geld.

Überrschießende Tendenzen und Blasenbildungen in der Wirtschaftspolitik gehen selten gut aus. Der Neoliberalismus behauptet, der Markt habe immer Recht , wobei es sich dabei um einen religiös dogmatischen Unsinn handelt ähnlich des historischen Materialismus unter Marx, wonach auch die Geschichte gesetzmäßig abläuft - ein Nonsens, wie auch Popper bestätigt.

Der Markt ist kein Subjekt, sondern ein physischer oder virtueller Ort und kann das Marktgeschehen schon deswegen nicht bestimmen.

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http://derstandard.at/2000034370183/Oekonomen-machen-gegen-Attac-Aktivisten-Felber-in-Lehrbuch-mobil

Neoliberalismus-Brainstorming:

(Aufreger war die Forderung der neoliberalen WU-Schnösel, Felber als Gemeinwohökonom bekannt geworden, aus dem Veritas-Schullehrbuch für die 8.Klasse zu streichen).

Meine STANDARD-Posting, die Neoliberalen wollen Christian Felber (Attack, Gemeinwohlökonomie) eliminieren:

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Statement Felber:

http://christian-felber.at/schaetze/Stellungnahme_PetitionLehrbuch_Felber_042016.pdf

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