Glück im Schatten der Olivenbäume (aus meinem Reisetagebuch)

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Eine Liebeserklärung an das derzeit so in der Kritik stehende Griechenland.

Wir durchwandern ein Tal übersät von tausenden Olivenbäumen zwischen Itea und Delphi. Licht und Schatten wechseln einander ab. Die Olive und das Öl, Lebensquell unzähliger Generationen von Griechen und des gesamten Mittelmeerraumes.

Die vorangegangene Nacht verbrachten wir in unserem VW-Bus, den wir im Sommer zu einem Wohnmobil umfunktionierten. Wir nächtigten im Hof des in der Nähe von Delphi befindlichen, orthodoxen Klosters “Ossios Loukas”. Die nur mehr wenig verbliebenen Mönche luden uns zum Morgengebet in die Klosterkirche. Ihre tiefen Choralstimmen waren ein sehr spirituelles Erlebnis.Die aufgehende Sonne durchbrach mit ihren Strahlen die Fenster der Kirchenkuppel und diese reflektierten sich in den Goldmosaiken und goldenen Ikonen. Ein mystisch dunkler Raum erstrahlte plötzlich im Morgenlicht der Sonne und begann wie ein Kaleidoskop zu funkeln.

Danach ging es wieder zurück zu den Hainen und Tälern der Olivenbäume. Sie könnten der Welt der Mythen entstiegen sein, denn jeder Olivenbaum hat eine andere Gestalt. Besonders mit zunehmendem Alter werden sie unverwechselbar.

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Vassilos, ein Bauer, erzählte uns vom ältesten Olivenbaum Griechenlands am Westpeloponnes. Mit seinen angeblich fast 3000 Jahren müsste er eigentlich schon Schattenspender und Lebensquell so mancher antiker griechischer Philosophen gewesen sein.

Ein anderer Bauer, der biologisches Olivenöl erzeugte, wusste uns zu berichten, dass vor 2000 Jahren ein Schiff gesunken war. Taucher hätten im Schiffswrack mit Olivenöl gefüllte und mit Harz verschlossene Tonkrüge entdeckt. Das Spektakuläre dabei sei gewesen, dass nach Öffnung dieser Tonkrüge dieses griechische Olivenöl noch gleich frisch war, als sei es erst gestern gepresst worden.

Seit über 5000 Jahren gelten Olivenbäume als die bedeutendste Kulturpflanze des Mittelmeerraumes. Sie waren ein Geschenk der Göttin Athene und genossen heiligen Respekt. In Griechenland war ein Kranz aus Ölzweigen die höchste Auszeichnung des um das Vaterland hochverdienten Bürgers, sowie der höchste Siegespreis bei den Olympischen Spielen. Das Olivenöl diente auch dazu, Speisen zu konservieren oder zuzubereiten, aber auch zum Salben des Körper.

Der Ölzweig war das Symbol des Friedens, und Besiegte, die um Frieden baten, trugen Ölzweige in den Händen. Auch im alten Christentum ist die Taube mit dem Ölzweig ein Symbol des Friedens. Der Bibel zufolge schickte Noah nach der Sintflut eine Taube los. Sie kehrte mit einem Ölzweig im Schnabel zurück: die Erde grünte wieder, das Leben war zurück.

Der Olivenbaum ist der Baum vieler Generationen und was die Ahnen gepflanzt haben, daraus haben oft erst spätere Generationen ihre Früchte gezogen - ein schönes Beispiel für Nachhaltigkeit. Dazu fällt mir ein Spruch aus dem Talmund ein, wonach "den Sinn des Lebens derjenige verstanden hat, der Bäume im Bewusstsein pflanzt, dass er ihren Schatten nicht mehr erleben wird".

Der Olivenbaum ist genügsam, gedeiht auf kargem Boden und lehrt uns das nachhaltige Denken über Generationen hinweg. Die legendäre Gelassenheit der Griechen ist auch Ausdruck dieses Denkens. Griechenland ist ein schönes Land voller Gastfreundschaft, Freundlichkeit und der den Griechen eigenen Gelassenheit. Eine Eigenschaft, die vielen von uns fehlt und uns dadurch den Weg zu uns selbst versperrt. Unter dem “Schatten der Olivenbäume” ist vielleicht auch so mancher Gedanke gereift, der Gegenstand antiker Philosophie und sogar unseres heutigen Denkens wurde. Als wir beim antiken Orakel von Delphi vorbeikamen, umklammerten wir den Omphalos, Mittelpunkt der Welt. Dem Mythos zufolge ließ Zeus zwei Adler von je einem Ende der Welt aufsteigen, die sich in Delphi trafen. Der genaue Ort wurde durch den Omphalos (Nabel der Welt) angezeigt.Dabei wurde mir auch bewusst, dass die Aufschrift am Eingangstor von Delphi:

“Erkenne dich selbst”

zu einem der elementarsten Postulate eines philosophisch denkenden Menschen gehört. Selbstreflexion erfordert ein gewisses Maß an Bildung, indem man mit seinen Gedanken in gewisser Weise auch auf Distanz zu sich selbst geht.

Das Orakel zu Delphi hat Sokrates für den Weisesten aller Philosophen gehalten. Sokrates war ein Streetworker der Vernunft , forderte uns zur Selbsterkenntnis auf und versuchte auf dem Marktplatz von Athen (Agora) den Menschen dialektisches Denken beizubringen. Bei seinen heißen Diskussionen mit Athener Bürgern und deren Söhnen versteckte er seine Gegenargumente in lenkende Fragen. Er wurde so zum Geburtshelfer neuen Wissens, vergleichbar mit der Hebammenkunst seiner Mutter.

Über Aristoteles wurde uns das Prinzip des dialektischen Denkens (HERAKLIT) überliefert, wonach durch Verschmelzen von Argument (These) und Gegenargument (Antithese) eine neue Qualität des Wissens, die Synthese entsteht.

“Ich weiß, dass ich nichts weiß”.

Der berühmteste Ausspruch von SOKRATES sollte wohl so zu verstehen sein, dass man mit Hilfe der Vernunft die engen Grenzen unseres menschlichen Wissens erkennen sollte. Mit Grenzüberschreitungen in das Reich des Nichtwissens, der Transzendenz und Spekulation sollte man daher sehr sparsam bis gar nicht umgehen.

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